Frère Richard von den Taizé-Brüdern schreibt im Communio-Heft 2008/06 einen Erfahrungsbericht über "Das gemeinsame Gebet in Taizé".
"'Ihr seid zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus' (Hebr 12, 22-24). Dieser neutestamentliche Text hilft in Worte zu fassen, was beim gemeinsamen Gebet geschieht.
Beten ist grundlegend 'hinzutreten'. Wir können zur festlichen Versammlung und Gemeinschaft der Heiligen dazukommen, weil an Pfingsten zusammen mit dem Heiligen Geist das himmlische Jerusalem auf die Erde herab kam. Seither steht uns überall, wo der Geist ist, auch der Zugang zur Festversammlung mit dem auferstandenen Jesus, den Engeln und allen Heiligen offen.
Das gemeinsame Gebet nimmt seinen Anfang nicht mit uns, sondern wir treten hinzu. Wenn wir dazukommen, hat das Gebet immer schon angefangen. Man kann das auch in orthodoxen Kirchen eindrücklich erleben. Wenn der Gottesdienst anfängt, ist manchmal außer einem Priester und einem Kirchendiener niemand da. Das Gebet fängt an, und nach und nach kommen Gläubige, andere Priester, vielleicht ein Bischof, dazu und schließen sich dem Gebet an. (...)
Der Kirchenraum [in Taizé] selbst lässt etwas davon ahnen, dass wir 'hinzutreten'. Die Kirche ist Tag und Nacht offen. Sie ist Ort immer währenden Gebets. Das heißt nicht, dass sie nicht manchmal menschenleer ist. Aber die Engel und vollendeten Gerechten, mit denen wir nach dem Hebräerbrief feiern und beten, sind unsichtbar immer da und beten ohne Unterlass. Wer immer dann in den Kirchenraum eintritt, muss nicht mit Nichts anfangen, sondern schließt sich ihrem Gebet an."
Wir sollen diese Worte für Aussagen über die Wirklichkeit nehmen, nicht für erbauliches Gesäusel oder für mentale Fragmente veralteter theologischer Theorien. Für mich persönlich war diese Erkenntnis - die mir die Lektüre des Buches von Scott Hahn: "The Lamb's Supper" (deutsch als "Das Mahl des Lammes") brachte - grundstürzend. In der Liturgie aktualisiert, findet sich nicht zuerst die lokale Gemeinde Christi, sie findet sich auch nicht in erster Linie zu einer bestimmten Aktivität zusammen, sondern sie nimmt teil, sie nimmt aktiv teil an einer anderen, an einer grundlegenden Wirklichkeit. Sie nimmt teil mit eigenen Worten, die versuchen, dieser Wirklichkeit angemessen zu sein. Sie gebraucht Gesten, Gegenstände, Zeichen, in denen sich diese Wirklichkeit spiegelt. Sie sieht und staunt und schweigt und singt. Und bittet und dankt. Sie dreht sich nicht mehr um den eigenen Nabel, und auch die Einzelnen können sich selbst vergessen, weil sie als Einzelne dabei sind - unverzichtbar, unersetzbar - in dieser Menge, die ruft:
"Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde,
Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit,
Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob." (Offb 5, 12)
(Und mir ist es auch sch...egal, ob das liberale Protestanten für "platonisierende[n] Spiritualismus" halten...)
14. Februar 2009
Hinzutreten als aktive Teilnahme
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2 Kommentare:
Nur zum Hinweis: der "liberale Protestant" war Walter Kardinal Kasper...
da sollte man schon genau hinsehen und dann erst abstempeln.
Danke.
OK, ganz genau würde ich folgendes sagen:
Das Wort vom "platonisierenden Spiritualismus" stammt vom damaligen Münsteraner Dogmatiker W.K. (und nicht vom späteren Tübinger Theologen oder jetzigen Kardinal). Ich weiß nicht, ob er die damalige Kritik jetzt noch aufrecht erhält. Da ich auch die Besprechung nicht kenne, weiß ich nicht, wie weit für ihn dieser "Spiritualismus" reicht.
Sehr wohl aber sehe ich, was der liberale Protestant Graf alles hierunter buch, nämlich nicht nur Spezifika des Theologen Ratzinger oder des Papstes B16, sondern ziemlich Grundlegendes aus der katholischen Lehre. Und in dieser Linie, bin ich mir ziemlich sicher, käme auch eine "himmlische Liturgie" in sein Visier.
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