31. Dezember 2002

Augustinus II: Gesang in der Nacht
»'Alle Völker haben dir bekannt' (Ps 66, 4). Wandelt auf dem 'Wege' mit allen Völkern .., ihr Söhne des Friedens, ihr Söhne der einen katholischen Kirche, wandelt auf dem 'Wege', singt auf der Wanderschaft. Das tun Wanderer zum Troste der Mühen. Singet, ihr auf diesem 'Wege', singt einen neuen Gesang, niemand singe dort jedes beliebige Lied, singt Liebeslieder eures Vaterlandes... So wie die Wanderer singen, und sie singen zumeist in der Nacht.« (ebd., S. 346)
Augustinus I: Verwitwet
»Die ganze Kirche ist eine Witwe, in ihren Männern so gut wie in ihren Frauen, in den verheirateten Männern so gut wie in den Gattinnen, in den Jünglingen so gut wie in den Greisen, wie in den Jungfrauen - die ganze Kirche ist eine Witwe, verlassen in dieser Welt. Fühlt sie das, kennt sie ihre Witwenschaft, so ist ihr Hilfe bereit.« (zitiert nach: Augustinus: Antlitz der Kirche.- Freiburg: Johannes, 1991, S. 345 - Diese von Hans Urs von Balthasar zusammengestellte und übersetzte Sammlung ist nicht nur eine wunderbare Einführung in die Kirchentheologie des reifen Augustinus, sondern verwandelt und belebt auch jedes (?) eingestaubte, juristisch wie liberal verkrustete Denken über die Sphäre Gottes in dieser Welt qua est ecclesia.)
Meine Highlights des Jahres 2002

Musik:
Jorma Kaukonen: Blue Country Heart
Caroline Herring: Twilight
Flatlanders: Now Again

Bücher:
Annie Dillard: Der freie Fall der Spottdrossel (Pilgrim at Tinker Creek
Martin Mosebach: Häresie der Formlosigkeit: Die römische Liturgie und ihr Feind
Franz Dobler: The Beast In Me: Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik

Filme:
Das Leben ist schön (endlich im Fernsehen nachgeholt )
Signs - Zeichen
Down From the Mountain: A live performance by the artists & musicians of "O Brother, Where Art Thou"

30. Dezember 2002

Mysterium Crucis
Weil hierzulande der normale Katholik meist an der Kirche verzweifelt und weil sein orthodoxer Mit-Katholik an seinen normalen Mit-Katholiken verzweifelt, tut ein Weblog wie Mysterium Crucis gut: Da entdeckt einer in der katholischen Kirche die Wahrheit, und zwar nicht nur gut ökumenisch-irenisch-interreligiös-dialogisch seine eigene, sondern die Wahrheit der Welt. Thanks a lot, Will. God bless you.

29. Dezember 2002

Simeons Lied

Nun lässt DU, HErr, Deinen Knecht
wie DU gesagt hast, in Frieden scheiden.
Denn meine Augen haben das Heil gesehen,
das DU bereitet hast:
Ein Licht, das die Heiden erleuchtet,
und Herrlichkeit für Dein Volk Israel.
(Lukas 2, 29 - 32)
Junge Intellektuelle strömen in NYs Kirchen
Vielleicht ist es eine Ente, vielleicht eine kurze Mode, vielleicht aber auch mehr: Laut kath.net strömen gebildete junge New Yorker in Kirchen und Synagogen. Und: Es gebe auch ein geistliches Wachstum!

Ich werde nie vergessen, wie fasziniert mein damals 14jähriger Sohn war, als wir in St. Patrick's die Karfreitagsliturgie mitfeierten: Die riesige Kathedrale bis zum letzten Stehplatz gefüllt, der Altersdurchschnitt bei ca. 35 Jahren. "Ethnicity": alles mögliche. Wir fühlten uns daheim.
Image - Immer einen Besuch wert
»Image« heißt ein Journal of the Arts and Religion, das auf seiner Webseite zwar nur wenig von seinem Volltext bringt, aber dafür durchaus Lesenswertes. So zum Beispiel die Editorials von Greg Wolfe (Bsp: »Please touch«) oder die Werke christlicher Künstler.

Seine »Vision« spricht amerikanisch-unbefangen von der Verantwortung der Christen für die Kultur ihres Landes:
"This is the context out of which Image has emerged. Living as we do in a fragmented society, the need for cultural renewal is greater than at any time in our history. Despite the rise of secularism, America remains a religious nation, and it is ultimately in religious vision that healing and renewal are to be found.
Unfortunately, many Christians have allowed themselves to become so estranged from contemporary culture that they have essentially given up any hope of influencing the artists who will create the visual images, stories, and music that shape our time.
Few Christians have applied the concept of “stewardship” to culture itself. While it has been natural for Christians to see themselves as stewards of natural resources, or wealth, or the institutional church, there has been little sense of stewardship over our national culture.
Image speaks with equal force and relevance to the secular culture and to the church. By finding fresh ways for the imagination to embody religious truth and religious experience, Image challenges believers and nonbelievers alike."

26. Dezember 2002

Stephanus bürgerlich
Die Predigt im Gemeindegottesdienst kreiste um "Zufriedenheit" als zentralen Begriff. Ich konnte das Anliegen zwar nachvollziehen, denn natürlich sollten wir alle z.B. mit unseren Geschenken zufrieden sein - vor allem die lieben Kleinen, von denen allerdings die meisten in der Messe fehlten. Aber den heiligen Stephan verstehen wir nicht, wenn wir ihn als "zufriedenen Menschen" verstehen.
Schon eher kommen wir ihm nahe mit dem Wort der Therese Martin, besser bekannt als Therese von Lisieux: "Ich will alles." (Ich bin mir nicht sicher, ob ich alles will. Ziemlich riskant bei den Überraschungen Gottes, denke ich mir. So bete ich ersatzweise: "GOTT, gewähre mir, daß ich alles will!")
Stephanstag
Ein Märtyrer ist jemand, der um der Wahrheit willen einem anderen zumutet, an ihm zum Mörder zu werden. Das ist wahrscheinlich die äußerste Zumutung, die es gibt.

25. Dezember 2002

Richard John Neuhaus - Urbild aller Blogger?
Father Neuhaus schreibt seit Jahren in First Things seine monatliche und absolut lesenswerte Kolumne "The Public Square". Im neuesten Heft (Dezember 2002 - leider noch nicht online) kommentiert er den Kommentar von Andrew Sullivan, der "Public Square" "the original instance of blogging" nannte.
Er sieht sich selbst nicht als Blogger, und zwar "not out of snobbery, mind you". Zuerst weil er als Redakteur eben nicht alleine schreibt, sondern ständig durch seine Kollegen korrigiert wird. Dann aber auch und zwar "most important", weil er als konventioneller Journalist einer Monatsschrift mit anderen Veröffentlichungszeiten rechnet und damit mit einer "more considered reflection" schreibt als eben unsereiner. Das sei zwar noch immer nicht sub specie aeternatitatis (unter dem Blickwinkel der Ewigkeit), aber eben doch mit einer längerfristigeren Perspektive.
Schön sein Bekenntnis: "Don't get me wrong; I rather like the blogger insurgency (dt: Aufstand). I quickly learned it can be addictive; going from link to link, you discover that you've wasted an hour or more on mildly entertaining ephemera. So I have a rule of giving the bloggers no more than fifteen minutes per day, which has the happy effect of cutting about the same amount of time from reading the (New York) Times..." 15 Minuten, aber immerhin. Und immerhin anstelle der New York Times!

sub specie aeternitatis - in der Web-Sprache würde das heißen: Which blog would Jesus read? So schreiben, daß es auch für JC lesenswert ist - wenn auch vielleicht nur als Fenster in unser Herz. Wäre nicht schlecht, wenn das gelänge.

23. Dezember 2002

Zum Thema

»Credo ut intelligam. Übersetzen wir so: Ich glaube, um intelligent zu werden." (Nicolas Gomez Davila: Einsamkeiten.- Wien: Karolinger, 1987, S. 96)
Scipio wünscht:
Als Pater Familias habe ich morgen (und übermorgen und überübermorgen) besseres zu tun als Webzuloggen. (Das reale Leben ruft.) Deshalb schon jetzt und vorab und doch gleichzeitig mit dem unscheinbaren und zeitenwendenden Geschehen in Bethlehem:
Frohe, gesegnete Weihnachten! Merry and Blessed Christmas!
Thomas und Claus

Die genaue Zitatstelle in den Opera des Thomas von Aquin ist leider nicht angegeben, aber die englische Übersetzung klingt authentisch nach Thomas: The Five Ways of Proving Santa Claus
Es scheint, ich bin katholisch... Das ergab jedenfalls mein Test bei Belief-O-Matic. Ich kann mich wahrscheinlich an die neuen Köche nicht gewöhnen und bleibe bei dem, was ich bei Muttern zuhause auf den Tisch bekam. Freiwillig.

22. Dezember 2002

Gerade gestern in einer Zeitung ein Bericht über den Cafeteria-Katholizismus, der sich sein eigenes Menü zusammenstellt. Ob die Element der jeweiligen Religiösität zueinander oder zum Label passen, sei zweitrangig. Während ein Drittel der kirchentreuen Katholiken mit der Vorstellung einer Wiedergeburt sympathisiere, glaubten nur noch 18,7 % der Getauften an Gott als persönliches Gegenüber, mehr als 40 % hielten die Welt nicht für Seine Schöpfung.
Daran musste ich vorhin denken, als ich in Peter Handkes "In einer stillen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus" las: »Aber auch viele andere Gewächse oder Früchte der eigenen Gegend waren den Bewohnern, und nicht nur denen im Stadtinnern, unbekannt, oder tabu. Als er eines Tages in eine ähnliche Randsiedlung kam wie die an der Herbergsstraße, mit gleichkleinen länglichen Häusern die Steppenhänge hinauf, nur eben an einem anderen Stadtausgang, pflückte er im Vorbeigehen eine Feige von einem Strauch gleich neben einer Tür, worauf dort eine alte Frau herauslief, mit Geschrei, aber nicht, weil er ein Dieb war, sondern der vermeintlich giftigen Feigenart wegen, 'nicht essen!'; sie selber hatte davon ihr Leben lang noch nicht gekostet und wollte ihn nun davor bewahren, an ihren Haustürfeigen zugrunde zu gehen.
Unter ihrem besorgten Blick aß er dann von den Früchten, die so köstlich schmeckten, dass er den ganzen Strauch hätte leer essen mögen, gerade nur zwei, und von den kleinsten. Dieses Nicht-bewandert-Sein selbst der Alteingesessenen mit dem, was vor der eigenen Tür war, mitsamt der Angst davor, begegnete ihm von morgens bis abends.«

19. Dezember 2002

Si tacuisses... Auf deutsch: Hättest du nur den Mund gehalten.

Zu Weihnachten dürfen 10 deutsche Fernsehgrößen im Gong die Frage "Glauben Sie an Gott?" beantworten. Ich weiß nicht recht, ob ich mich freuen soll, dass Gott wieder einmal öffentlich erwähnt wird, oder weinen soll über manche Sätze wie die von Michaela May: "Ich glaube an Gott als eine Kraft, eine Energie, die wir aus einem großen Topf erhalten. Bei einem gemeinsamen Gottesdienst spürt man diese große energetische Kraft besonders stark!"
Da freut man sich über jeden erklärten Atheisten!

Ich glaube an Gott, die Kraft, die energetische, die aus dem großen Topf strömt ...
Jean-Marie Lustiger, Kardinal von Paris. Er ist berufen wie sonst kaum jemand, uns Christen über die Bedeutung des Volkes Israel aufzuklären. "Nicht du trägst die Wurzel, die Wurzel trägt dich." (Paulus)
Eine ziemlich analoge Uhr. - Again picked from Huw Raphael at Doxos
Was für eine Überraschung! Durch die Literaturbeilage der "Zeit" habe ich heute erfahren, daß es eine neue englisch-deutsche Ausgabe von Gedichten Robert Frosts gibt. "Promises to Keep" heißt sie, nach einer Stelle aus einem seiner bekanntesten Gedichte - hier ist es:

Stopping by Woods on a Snowy Evening

Whose woods these are I think I know
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound's the sweep
of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

Ein nur scheinbar harmloses Gedicht, nicht nur für dunkelsten Tag des Jahres, sondern auch für andere dunkle Tage.

18. Dezember 2002

Kairos möchte der katholischen Öffentlichkeit dienen und postet (was für'n urdeutsches Wort!) die Homepage der Pfarrei "Unserer Liebe Frau vom Enneagramm". I am going to spread the news further.
Als voll virtuelle Gemeinde dürfte sie wohl dem Sprengel von M. l'Eveque Jacques Gaillot unterstehen.

17. Dezember 2002

Jetzt hat nach Joseph Ratzinger auch Avery Dulles SJ seine ganz kardinale Seite. Purpurrot - was sonst.
Henri Le Saux a.k.a. Swami Abhishiktananda (1910 - 1973) war Benediktiner und einer der Pioniere des "interreligiösen Dialogs", wie man das heute nennt.
»Es gibt nur eine einzige Wirklichkeit, die lebendige Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn in der Einheit des Geistes, im Grunde des Seins. Das allein ist, und was ist, hat an diesem Sein Anteil.«
»Der Christ kann nicht ein Mensch sein, für den Gott nur ein Teil seines Lebens ist, selbst wenn es der wichtigste wäre, sondern er ist ein Mensch, für den Gott allein zählt, für den Gott alles ist, oder vielmehr, für den Gott allein ist.«
»Keiner kann ein Christ sein, der meint, er könne sich im Christentum wie in einer bequemen Behausung einrichten und er sei versichert gegen jede Unannehmlichkeit in dieser und in der nächsten Welt. Ein bequemes Christentum war noch nie ein Christentum. Der Stall von Bethlehem hatte keine Bequemlichkeit, und das Kreuz noch viel weniger. Der Schatten des Leidens hat das ganze Leben Jesu überschattet, und Maria konnte nicht vergessen, daß eines Tages ein Schwert ihr Herz durchdringen würde. (...) Für den Christen gibt es nie eine Sicherheit, weder im spirituellen Leben noch im Bereich der Zeitlichkeit. Seine Sicherheit besteht vielmehr gerade darin, keine zu besitzen und wesentlich Erwartung zu sein.«
Eine kurze Biographie findet sich im "Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon" - Vorsicht: Die dort angegebene Literatur stammt von Thomas Merton.
Karriereplanung für Barbie
Im gnädigen Morgendunkel erinnert die Skyline von Mainhattan nicht nur an NYC, sondern von ferne auch an die Heilige Stadt, das Ewige Jerusalem. Wie gesagt: von ferne.

16. Dezember 2002

Vater Alexander Schmemann über seine Erfahrung der ganz alltäglichen Fremdheit in der Welt:

"Dienstag, 2. Juni 1981
Beim Zeitungslesen hier und dort Gespräche über russische, amerikanische, polnische und andere Angelegenheiten, über die Weltkrise, über alle möglichen 'nötigen Dinge'. Und in der Tat, alles ist recht interessant, vielleicht wichtig. Doch hinter alldem empfinde ich immer so etwas wie Distanz, Entfremdung, ja Verwunderung darüber, daß die Leute wirklich so viele verschiedene Dinge für 'nötig' halten. Je älter ich werde, umso mehr fühle ich, dass die Kirche und die Eucharistie in der Kirche bleiben und in der Welt da sind, um eben diese Entfremdung, diese Distanz zu schaffen, zu ermöglichen, so daß tief im Innern, ohne daß wir uns dessen bewußt sind, unser Leben 'mit Christus verborgen' sein kann 'in Gott'. 'Ich hofffe auf den Herrn, der mich aus Verzagtheit und Sturm erlöst.' Denke an diese Worte und staune: Brauchen wir noch irgendein anderes Gebet?" (S. 422f)

15. Dezember 2002

Gestern feierten wir das Fest des hl. Juan de la Cruz, eines der größten Heiligen unserer Kirche. Nicht umsonst Kirchenlehrer.
Gleichzeitig war er auch einer der großen katholischen Dichter. Eine Kostprobe:

"Mein Geliebter ist alles, die Berge,
Die bewaldeten einsamen Täler,
Die unbewohnten Inseln,
Die rauschenden Flüsse,
Das Flüstern der lieblichen Lüfte,
Die friedvolle Nacht,
Sowie die aufsteigende Morgenröte,
Die schweigende Musik,
Die klangvolle Einsamkeit,
Das Abendmahl, das belebt und Liebe bewirkt."

Wenn uns solche Sänger heute fehlen: Liegt es an unserer mangelnden Gottesliebe? Oder an unserer schwächelnden Sprache, die wir (wir Deutschen jedenfalls) nur noch ironisch einsetzen können? Kann uns noch etwas "lieblich" erscheinen? Gibt es noch Morgenröten, die nicht kitschig sind?

13. Dezember 2002

Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme Dich meiner, des Sünders.
Gerade kommt der neue Newsletter der Aktion Lebensrecht Für Alle rein. Folgender Absatz sollte nicht unbemerkt in den Weiten des Web verschwinden. Wenn der Inhalt stimmt, sollten wir langsam anfangen, für die geistige Gesundheit unseres Kanzlers zu beten - und für unser Land:

"Job, Jobs, Jobs: SPD-Politikerin Reimann fordert Zulassung der PID
Berlin (ALfA). Die Gentechnik-Expertin der SPD, Carola Reimann hat sich fuer die Zulassung der in Deutschland verbotenen Praeimplantationsdiagnostik (PID) ausgesprochen. Das berichtet die "Financial Times Deutschland" (Ausgabe vom 13.12.). Danach forderte Reimann die PID dann zuzulassen, 'wenn es in den Familien bereits schwere Gesundheitsschaeden durch vererbbare Krankheiten gegeben hat'. Voraussetzung fuer die Anwendung der PID muesse ausserdem eine "ausfuehrliche humangenetische Beratung sein". Diese solle noch in dieser Legislaturperiode geregelt werden.
Wie die Zeitung weiter berichtet, hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schroeder in der vergangenen Legislaturperiode prinzipiell fuer eine Ausweitung der genetischen Diagnostik ausgesprochen. Die Nutzung der neuen Gentechnik sei nach Schroeders Ansicht auch notwendig, um neue Arbeitsplaetze zu schaffen, schreibt das Blatt. Reimann, die die SPD im Forschungsausschuss des Bundestages vertritt, plaedierte dafuer, die PID in dieser Legislaturperiode gesetzlich zu regeln. Gegenueber der FTD wies Reimann darauf hin, dass einzelne Paare schon heute ins benachbarte Ausland fuehren, um eine PID durchfuehren zu lassen."

Noch mal ganz langsam: Wir brauchen die PID in Deutschland, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ich versuche zu verstehen, wie das gehen soll und wie viele unserer unbeschäftigten vier Millionen in der Branche unterkommen, aber scheitere immer wieder. Muss an mir liegen, oder?
Da wird der BDKJ zu schlucken haben... Das Thema des Weltjugendtages 2005 soll, wie kath.net berichtet, "Sieh da, deine Mutter!" werden. (kath.net nennt als Jahr 2003, aber das kann ja eigentlich nicht stimmen laut Kardinal Meisner.)
Ich halte es fast für eine Lebenslüge des BDKJ und vieler seiner Verbände, Maria links liegen zu lassen oder sie als Vorbild emanzipatorischer Moral einzusetzen. Die Erfahrungen, die ich (und jetzt einer meiner Söhne) in Schönstatt gemacht haben und machen, zeigen mir für mich, daß der heilige Bernhard mit seinem "De Maria nunquam satis - Über Maria niemals genug" rhetorisch nur leicht übertrieben hat.

8. Dezember 2002

Was für ein zweiter Advent? Sonne, blauer Himmel, ein kalter Wind, die Landschaft glänzend und voller Farben. Wirklichkeit pur. Das tut gut nach dem Grau-in-Grau der letzten Wochen, das ja fast zu Realitätsverlust führt.
Wieder einmal die falsche Form priesterlicher Bescheidenheit im heutigen Hochamt zur Ehren Mariens (Ja, es ist der 8.12. - Namenstag meiner Heimatkirche!): Nach der Gabenbereitung werden Gaben, Altar und Gläubige mit Weihrauch "beräuchert" (das ist der Terminus technicus) - der Priester wird ausgelassen. Erinnert mich an die (Un-)Sitte mancher Priester, daß der Priester erst nach den Kommunionhelfern oder gar nach der Gemeinde zur Kommunion geht. Er ist doch nicht der Gastgeber, oder?
Wenn wir ab sofort in der Common Era leben, ziehe ich es vor, mit diesem Zeitalter ungleichzeitig zu sein, und lieber gleichzeitig mit JC.

7. Dezember 2002

Endlich gibt es die bisher verstreuten Essays und Reden von Martin Mosebach zur Liturgie und anderen theologischen Themen als Buch. "Häresie der Formlosigkeit" heißt es, erschienen im österreichischen Karolinger-Verlag und immerhin auch in "guten Buchhandlungen" zu finden. Ich habe mein Exemplar immerhin bei Carolus in Frankfurt aufgegabelt. Die FAZ hat es in der letzten Woche auch schon besprochen.
Auch wer ihm nicht überall folgen kann, kann die Lektüre genießen und froh sein über diesen Glaubensbruder!

6. Dezember 2002

Wetten, daß diese Nikolaus-Legende kaum einer kennt: Der heilige Bischof mal nicht bei der tätigen Nächstenliebe, sondern im Einsatz für den rechten Glauben. Macht ihn mir noch sympathischer. (Von Doxos by Huw Raphael)
Wieder Alexander Schmemann:
"Vater Tom hat mir den Weihnachtsrundbrief eines Trappisten in Massachusetts gegeben. In seinem Kloster treffen sich alle möglichen Traditionen (Westen, Osten, Buddhismus), Riten und Erfahrungen. Tönt eher barbarisch. Als seien Traditionen so etwas wie Kleidungsstücke. Zieh dich an wie ein Buddhist, und schon wirst du eine 'Erfahrung' machen. Diese billige, trübe Welle von Spiritualität, dieser kleingeistige Synkretismus, diese Ausrufzeichen ärgern mich. 'Ich zelebriere einmal in der Woche die Heilige Liturgie nach dem Ritus des Chrysostomus in der Freude...' Die Unverschämtheit dieser zeitgenössischen Religion. 'Kultur kann nicht improvisiert werden', notiert Julien Green. Religion ebenso wenig. Inmitten all der Aufregung, in der man leben muss, verliert man buchstäblich den Mut.
Man möchte am liebsten weglaufen. Eine Tasse Kaffee und ein Hamburger in einer Imbissecke sind ehrlicher, wirklicher als all dieses religiöse Geschwätz. Wie das Sakrament ohne Brot, Wein und Wasser nicht möglich ist, so verlangt die Religion Frieden, wahren täglichen Frieden. Ohne ihn wird Religion zur Neurose, zu einer Selbsttäuschung, einem Wahn." (Aufzeichnungen, S. 267f.)

Trappisten gibt es bei uns eher wenige, aber dafür viele kirchensteuerlich bezahlte katholische Bildungshäuser...
Nur heute bei der FAZ: die wiederentdeckte Weihnachtsgeschichte mit Pippi Langstrumpf und dem tanzenden Weihnachtsbaum.

4. Dezember 2002

Gefunden in der Rezension "Letztzeitfülle: Hans Urs von Balthasar in einer neuen Studienausgabe" von Iso Camartin:

"Als ich Gymnasiast war, schenkte jemand mir ein Buch, das «Das sanfte Erbarmen» hiess. Es handelte sich um Briefe von Georges Bernanos. Im Innern stand: «Auswahl und Übertragung von Hans Urs von Balthasar». Das Bändchen wurde auf Grund bestimmter Sätze, die sich darin finden, zu einer Schockerfahrung. Zum Beispiel schrieb Bernanos an die Tochter eines Freundes: «Ich bin, was euer aller Freundschaft will, dass ich sei.» Bis zum heutigen Tag denke ich darüber nach, ob dies ein vernünftiger Satz ist. Und bis zum heutigen Tag halte ich Hans Urs von Balthasar für einen der besten Überbringer lebensverändernder Sätze."


Für mich waren solche Sätze die von Peguy: "Wir stehen alle an der Front" und von Henri de Lubac, daß es immer verhängnisvoll ist, seinen Katechismus gegen jemanden zu lernen. Von Bernanos ganz zu schweigen... "Gepriesen sei der Herr, der GOtt Israels!"

Warten inmitten des Trubels. Nicht miesepetrig werden in diesen dunklen Tagen.
Freude. Freude. Freude. (Wie es Paulus am letzten Sonntag schrieb und wie sie Alexander Schmemann als Reflexion der Wirklichkeit der Erlösung erlebte.)
Ob Weihnachten ein emotionales, spirituelles Erlebnis wird? Wer weiß? Aber das ist völlig (naja: fast völlig...) gleichgültig. Hauptsache, wir treten in das Geschehen der Geburt Jesu Christi ein.
Alexander Schmemann in seinen Aufzeichnungen vom 15. März 1977:
"Ich ... möchte die Begriffe Glaube, Kirche und Freiheit noch präziser definieren. Man sagt: 'Freiheit für jeden und jede, seinen oder ihren eigenen Glauben zu haben...' Gut, mag sein, denn religiöse Nötigung des Gewissens ist sicherlich das Schlimmste, was passieren kann. Man sagt: Nimm den Glauben der Kirche (die Autorität der Kirche usf.) an. Nein, das ist es nicht, jedenfalls nicht auf diese Weise. Wenn ich sage, der Glaube bringe die Kirche hervor, dann spreche ich über die Ontologie des Glaubens, denn Glaube und Kirche sind nicht zwei verschiedene Realitäten, wobei die eine Besitzer und Hüter der anderen wäre. Nein, Glaube heißt das Reich besitzen (feste Zuversicht haben auf das, was man hofft - und das Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht - das Reich). Dieser Besitz ist die Kirche, als ein Sakrament, als Einheit, als neues Leben. Die Kirche ist die Gegenwart des Erhofften wie des Nichtgesehenen. Von der Freiheit des Glaubens innerhalb der Kirche sprechen ist deshalb ebenso sinnlos, wie von der Freiheit im Einmaleins zu reden. Das Annehmen des Reiches ist eine Frucht der Freiheit, ihre Erfüllung und Krönung. In diesem Sinne, als beständige, immerfort erneuerte Annahme, ist Glaube Freiheit, die einzige wirkliche Freiheit, und deshalb muss die Kirche die Erfüllung des Glaubens sein."


Ziemlich gedrängt, aber beim Schreiben nicht gleich zum späteren Gelesenwerden durch andere gedacht.


Was ich in diesen Sätzen wichtig finde:
1. Durch den/das Glauben treten wir in das Reich ein. Wir sind Teil einer anderen Wirklichkeit geworden, die wir besitzen, in der wir uns befinden. Nicht in unserem Kopf ändert sich etwas, sondern wir selbst, körperlich, seelisch, geistig, treten in eine neue Dimension ein.

2. Freiheit ist nur auf einer ersten Stufe Freiheit der Wahl. In der getroffenen Wahl des Glaubens findet sie ihren vollen Sinn. Wahlfreiheit gibt es dann im eigentlichen Wortsinn nicht mehr. Nur noch Erneuerung der getroffenen Wahl.

3. Kirche als Gegenwart des Erhofften. Zuerst sicherlich in ihrer objektiven Wirklichkeit: den sichtbaren Institutionen, vorab in den Sakramenten. Dann in ihrem Gebet und ihrer Lehre. Gegenwart des Erhofften - nicht Erfüllung des Erhofften: Die Kirche ist also nach vorne-oben offen, für das Eschaton, das Letzte, die Erfüllung: Gott alles in allem.

2. Dezember 2002

We proudly present: Directly from Sweden the Hestekor!
Sogar für den Spott ist schon im voraus gesorgt worden!

Prost

28. November 2002

Glauben und sehen. Wie das zusammenhängt, lässt sich bei den Blind Boys of Alabama hören. Gospel war bisher nie mein Ding, vielleicht weil ich nur das Golden Gate Quartet von seinen Auftritten im deutschen 70er Jahre-Fernsehen kannte und weder Mahalia Jackson noch Aretha Franklin besonders spannend klangen. Auf dem Country-Sampler "Beyond Nashville" entdeckte ich die Blind Boys mit ihrem "Running on for a long time" und von diesem Sprungbrett ihre letzten CDs Spirit of the Century und Higher Ground. Praise the Lord!

Mit DSL lassen sie sich auch im House of Blues bewundern!

Gospel

"Praise the Lord and pass the biscuits! The House of Blues Gospel Brunch features inspiring gospel performances and an amazing buffet to feed the body and the soul."

27. November 2002

"Dominus Jesus" ist der Leitspruch des neuen Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller. So was von politisch inkorrekt. Es wird Zeit, daß das Volk die Bischöfe mitwählen darf... Was, das ist ein Bibelzitat? Von Paulus? Wird Zeit, daß wir die Bibel überarbeiten, manches weglassen, manches ändern. Vielleicht auch ein bißchen mehr feministischen Touch einbringen: "Jesus Domina".

Spaß beiseite. Hier der Ausschnitt aus dem Bericht von Guido Horst in der Tagespost:
„Dominus Jesus. So haben sich die Apostel in der Urkirche zu Jesus bekannt: ,Jesus ist der Herr‘ – Iesous kyrios estin – Dominus Iesus (Röm 10, 9)“, sagte Müller. Schon am Anfang der Bundesgeschichte habe sich Gott seinem Volk am Sinai als Herr offenbart. „Dieses Gottesbekenntnis Israels“, so der Bischof weiter, „verendgültigt sich im Höhepunkt der Selbstoffenbarung Gottes, der seinen Sohn als Herren der Kirche und Haupt der ganzen Menschheit einsetzt: ,Dominus Iesus‘ ist von nun an und für immer Kern des Glaubens des Gottesvolkes, zu dem alle Menschen berufen sind. Was die Kirche zusammenhält, ist das Bekenntnis: ,Gepriesen ist der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus‘ (Eph 1, 3). Angefochten von innen und bekämpft von außen besteht die Kirche seit zweitausend Jahren. Und keiner wird je ihr Fundament erschüttern können. Die tausend Gründe, die gegen das Christsein angeführt werden, wiegen den einen Grund nicht auf, der dafür spricht: Jesus von Nazareth. Er allein ist der Herr.“
Danke, Herr Bischof, und Gottes Segen!
Schon interessant: Ein Blick ins deutsche Land zeigt, daß oft die Nicht-/Noch-nicht-Glaubenden statt vier inzwischen sechs bis acht Wochen Advent begehen. Jedenfalls nach der Außendekoration ihrer Häuser zu schließen. Der Trend bei den Katholiken ist ebenfalls steigend. Von einer guten Sache kann nie zu viel bekommen, oder?

Beruhigend, daß der virtuelle Adventkalender des Erzbistums Köln noch nicht freigeschaltet ist.
Adventkalender

26. November 2002

Die Süddeutsche schreibt heute : "Kritik übte der Synodale und bayerische Innenminister Günther Beckstein am Umgang der Landeskirche mit Spätaussiedlern. Deren Zahl sei in Bayern zehn Mal so hoch wie die der Asylbewerber. Vor allem Spätaussiedler aus Russland seien häufig evangelisch, doch die Kirche kümmere sich „fast nicht“ um sie, rügte Beckstein. Es sei eine große Aufgabe der Kirche, diese Menschen offensiv anzusprechen und aufzunehmen."
Ähnlich habe ich es letzthin in einer nordeutschen Vorstadtpfarrei erlebt, deren modernes, liberales, intellektuelles Profil sich verändert: Ein großer Teil der Gottesdienstbesucher sind inzwischen Aussiedler und Umsiedler aus Rußland und Kasachstan, die mit den ehemals blühenden Aktivitäten (3.Welt-Gruppen, Ökumene, Diskussionsabende zur üblichen postkonziliaren/deutsch-katholischen Agenda) wenig anfangen können und wollen. Hier kommen die Traditionsbewahrer plötzlich von links, und das Volk steht rechts. Im Gespräch mit liberalkatholischen Freunden stellt man nur Ratlosigkeit fest.
Für mich ist das eine Ost-West-Version dessen, was Philip Jenkins als Nord-Süd-Konflikt prophezeit.

25. November 2002

Eigentlich müsste Jesus Christus der Skandal sein, an dem sich Nicht- und Noch-nicht-Glaubende reiben. Aber meistens sind wir es. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Können wir verlangen, daß andere uns übersehen und ihren Blick auf die "unsichtbare Welt" richten? Wir sind der Brief Gottes, und der muss wenigstens lesbar sein - damit er - in einem zweiten Schritt - verstanden werden kann.
Der Verweis auf die Heiligen - ein schwacher Versuch. Viele waren zu Lebzeiten schon umstritten - wie sollten sie jetzt jeden überzeugen?
Na, wenigstens ein sinnvoller Satz in Harry Potter and the Chamber of Secrets... Steven D. Greydanus zitiert Direktor Albus Dumbledore: "It is not our abilities that show what we truly are, it is our choices."
Ich denke, noch genauer sagt es Flannery O'Connor , die in Wise Blood schreibt: "Does one's integrity ever lie in what he is not able to do? I think that usually it does, for free will does not mean one will, but many wills conflicting in one man." Es gibt Dinge, die wir nur tun, indem wir uns, unsere Bestimmung, unseren Wesenskern verleugnen. Da geht es nicht um die Realisierung von Möglichkeiten oder um Selbstverwirklichung, sondern um etwas Grundlegenderes: um den Verlust des heilen Restes, den wir aus Eden in uns tragen.

21. November 2002

Ich bin ganz zufrieden mit meinem Da- und So-sein; in guten Momenten fällt mir die Dankbarkeit leicht. Cyborg-Fantasien überkommen mich eher weniger.
Dabei wäre ich doch ein
Synthetic Cybernetic Individual Programmed for Infiltration and Observation

Observation ist nicht schlecht. Passt zum Weblog-Titel.

Try it out yourself!

Noch eine Lesefrucht aus den Aufzeichnungen von Vater Alexander Schmemann: Er zitiert Julien Green: "Ohne Kommunion verändert sich das Leben, und der Glaube geht verloren. Fast ausnahmslos ist das der Fall." (S. 37)
Am Mittwoch unvorbereitet in die Messe gegangen und von der Lesung voll getroffen: Offenbarung 4, 1-11: Am Himmel eine offene Tür sehen, eine Posaunenstimme hören, auf einem Thron einer wie ein Jaspis und ein Karneol, die 24 goldbekränzten Ältesten; Donner, Blitze und dazwischen (ja wohl laute?) Stimmen; dazu die sieben Flammen und das Kristallmeer. Ich stellte mir die vier Wesen vor, Löwe, Stier, Mensch, Adler, über und über mit Augen bedeckt. Dann die Rufe an Gott.

"WÜRDIG BIST DU, UNSER HERR UND GOTT,
HERRLICHKEIT ZU EMPFANGEN UND EHRE UND MACHT.
DENN DU BIST ES, DER DIE WELT ERSCHAFFEN HAT,
DURCH DEINEN WILLEN WAR SIE UND WURDE SIE ERSCHAFFEN."

Ich dachte mir: Jetzt am besten nicht interpretieren, verstehen wollen, auf meinen Verstand reduzieren - sondern einfach nur sehen, hören, dabeisein.
Aber dann war die Lesung um, und 2 sec später setzte die Orgel zu einem netten Lied an.

20. November 2002

Den Sinn für Gut und Böse verwirrt laut Gabriele Kuby Harry Potter. Ich mag ihr da nicht so ganz zustimmen. Mein Leib- und Magenblatt First Things hielt im Januar 2000 mit Alan Jacobs : Harry Potter's Magic dagegen, u.a. mit dem Satz: "Christians are perhaps right to be wary of an overly positive portrayal of magic, but the Harry Potter books don’t do that: in them magic is often fun, often surprising and exciting, but also always potentially dangerous."
Pavel Florenskij, großer Theologe der Orthodoxie:
"'Jetzt glaube ich und hoffe das zu begreifen, woran ich glaube. Jetzt werde ich das Unendliche und Ewige nicht in ein Endliches und Zeitliches verwandeln, die höhere Einheit wird bei mir nicht in unvereinbare Momente zerfallen. Jetzt sehe ich, daß mein Glaube ein Quell höheren Begreifens ist, und daß in ihm der Verstand seine Tiefe erhält.' Und indem ich von der erlebten Mühsal ausruhe, wiederhole ich gelassen nach Anselm von Canterbury: 'Credo ut intelligam. Zuerst schien es mir, daß ich etwas wüßte; nach dem Umschwung begann ich zu glauben. Jetzt aber weiß ich, weil ich glaube.'"

19. November 2002

Graceland is Graceland is Graceland is not Graceland is more than Graceland

"I'm going to Graceland
Poorboys and pilgrims with families
And we are going to Graceland ..."

Und dann die Artistin aus NYC, die sich "Das Menschliche Trampolin" nennt. Wenn man dann fällt, schleudert, aus der Kurve gerät, weiß man, was sie meint: "We're bouncing into Graceland" (Paul Simon).
Noch eine Anmerkung zu Florian Illies:
Wahrscheinlich biedern sich die Christen mit Grönemeyer-Liturgien etc. nicht ihren Zeitgenossen an; der Hauptzweck dieser Übungen könnte doch der sein, daß sich die Christen nicht mehr so unzeitgemäß, unmodern, vorgestrig ... vorkommen. Es ist also keine Marketingmaßnahme, sondern eine, mit der die eigenen Leute bei der Stange gehalten werden sollen. Wir wissen, mit wenig Erfolg; denn auch die fangen irgendwann an zu fragen, warum sie Grönemeyer unbedingt in der Kirche hören müssen.

18. November 2002

Am Samstag in der FAZ: Der Kommentar zu den Kuschel-Kirchen von Florian Illies. Lesenswert, aber leider ohne dauerhaften Link...
Illies' Punkte:

  • Deutschland das einzige Land, das seine Kirchen in so schlechtem Ansehen hält.
  • Die Deutschen haben große Erwartungen an ihre Kirchen - die aber wohl "niederschmetternd" enttäuscht werden.
  • Bischöfe und Synoden, die sich wegducken, "bloß kein Bekenntnis aufblitzen" lassen, denen bei der Morgenandacht Herbert Grönemeyer reicht.
  • Eine Referenz zu The Next Christianity von Philip Jenkins im Atlantic Monthly vom Oktober. Zitat Illies (auch als Einladung, bei Jenkins nachzulesen): "In einem spektakulären Aufsatz für die Oktoberausgabe von "Atlantic Monthly" hat Philip Jenkins gezeigt, wie naiv die Überzeugung der europäischen Kirchen ist, daß sich ihre Zukunft nur durch eine immer größere Liberalität garantieren lasse. Jenkins skizziert, daß das einundzwanzigste Jahrhundert keineswegs nur wegen der Bedrohung des Islam zu dem Jahrhundert werden wird, in dem die umstürzendste Kraft nicht mehr die Ideologie ist, sondern die Religion. Er prophezeit, wie sich die müde gewordenen Amtskirchen der westlichen Demokratien einer bald eine Milliarde umfassenden Christenheit aus der Dritten Welt gegenübersehen, die mit einer ungeheuren Vitalität und Authentizität eine Neudefinition des Christentums fordern werden, die in ihrer Wucht nur mit der Reformation vergleichbar sei."
  • Die (ironische?) Hoffnung, daß McKinsey nicht nur auf die Kirchenfinanzen schaut, sondern vielleicht auch weitersagt, daß "für ein erfolgreiches Überleben nichts wichtiger ist als die Unterscheidbarkeit und die Konzentration auf die eigenen Werte und 'intangible assets'. Die Kirchen haben dabei ein ungeheures Alleinstellungsmerkmal: die Kraft des Glaubens. Doch diese Kraft wird nur sichtbar, wenn sie selbstbewußt und mutig artikuliert wird - und nicht immer auf den Applaus der Konsensgesellschaft hofft. Es gibt viele, die in ihrer religiösen Sehnsucht aufgefangen werden wollen, die sich orientieren wollen an mutigen Widerworten und die ihre Kinder auf Konfessionsschulen schicken, weil sie dort auf eine Wertevermittlung hoffen, die das staatliche Schulsystem nicht mehr leistet. Niemand möchte nach den alljährlichen gutgebräunten Bekenntnissen der deutschen Fernsehprominenz in 'Bunte' nun auch noch von einem deutschen Kardinal wissen, wo er seinen Sommerurlaub verbringt. Und niemand kommt in eine Morgenandacht, um Herbert Grönemeyer zu lauschen, den er zuvor schon die ganze Zeit im Autoradio gehört hat."

17. November 2002

Zum Tagesevangelium des Sonntags (die vergrabenen und eingesetzten Talente) erinnerte ich mich an einen Text von Georges Bernanos:
»Den ganzen Einsatz seiner selbst leisten! Es ist kein Geheimnis, daß die meisten von uns im Leben nur einen schwachen, geringen, lächerlich kleinen Teil ihrer selbst einsetzen, wie jene reichen Geizhälse, die einst angeblich nur das Einkommen ihres Einkommens verbrauchten. Ein Heiliger lebt nicht vom Einkommen seines Einkommens, nicht einmal bloß von seinem Einkommen, er lebt von seinem Kapital, er setzt seine Seele bis zum Grund ein. (...) Man fragt sich mit Schrecken, ob nicht eine Unzahl von Menschen geboren werden, leben und sterben, ohne auch nur ein einziges Mal von ihrer Seele Gebrauch gemacht zu haben, und wäre es bloß, um den lieben Gott zu beleidigen? ... Ist vielleicht die Verdammnis dies: zu spät, nach dem Tod, eine völlig ungebrauchte Seele zu entdecken, noch sorgfältig gefaltet und doch verdorben, wie gewisse, kostbare Seidenstoffe, die nie benützt worden sind? Wer immer seine Seele verwendet, so ungeschickt es auch sein mag, nimmt alsbald am universalen Leben teil, tritt ebenen Fußes sogleich in die Kommunion der Heiligen ein, zu der alle Menschen guten Willens gehören, denen der Friede verheißen ist; in die unsichtbare Kirche, zu der bekanntlich auch Heiden, Häretiker, Schismatiker und Ungläubige gehören, deren Namen Gott allein kennt.« (findet sich in der großen Bernanos-Biographie von Hans Urs von Balthasar auf S. 203 ff)
Es wird mehr Freude im Himmel über einen Sünder sein, der umkehrt, als über 99 Gerechte! Dann war letzthin Feiertag dort oben, und die Engel hatten Grund zu tanzen.

15. November 2002

Noch einmal zur Post-Dallas-Situation in der U.S.-Kirche.

Richard J. Neuhaus im November-Heft von First Things:
"Ein Bischof, für den ich großen Respekt empfinde, sagt mir: 'Natürlich wird es [in der Folge der Beschlüsse der Bischofskonferenz in Dallas; scipio] Ungerechtigkeiten geben, aber das ist Teil des Preises, den wir zu zahlen haben. Wir haben in diesem Jahr, in unserer Einstellung und unserer Praxis gelernt, daß wir nachlässig und gleichgültig waren, und daß wir es zuließen, daß schreckliche Dinge geschahen. Wir müssen gestraft werden.' Darin ist etwas Wahres. Aber es sind nicht die Bischöfe, die gestraft werden. Das Versagen in der Vergangenheit, ihre Priester zu disziplinieren, wird nicht geheilt durch das Versäumnis, jetzt für sie zu sorgen, wenigstens bis zu dem Grad, daß sie ihnen ein Maß an Gerechtigkeit und Fair Play sichern."
Neuhaus konstatiert aber auch in der dortigen Kirche eine tiefe Nüchternheit, das Wissen, daß "after repentance, almost anything can happen." und eine neue Aufmerksamkeit "to a better, holier, more challenging, more exciting way of being the Catholic Church in America".

Leser, verweile und bete.
Am Morgen bei Regen und schlechter Sicht unterwegs auf der Autobahn, gleichzeitig mit hunderten anderen von Gott Geliebten.
Lukas: "Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes."
Irgendwo las ich gestern ein paar Zeilen über Lichtverschmutzung, die eigentlich besser Nachtverschmutzung heißen sollte. Zu viele Lichter in der Nacht - nicht nur Beamer über Diskotheken, sondern Straßenlampen, Autoscheinwerfer, helle Fenster - machen die Nacht für manche Tierarten "hell wie den Tag" (wie es in den Psalmen heißt). Wenn es so weitergehe, würde man in 10 oder 20 Jahren in Italien nur noch 2 Sterne sehen könne. In Tschechien gibt es anscheinend schon eine Verordnung gegen unabgeblendete Lampen im Freien...
Gut, daß es in Bethlehem so dunkel war.

13. November 2002

Götzenverehrung ganz anderer Art: Why you should fall to your knees and worship a librarian.
(Danke, dear Shifted Librarian!)

12. November 2002

Schlimmer konnte es nicht kommen: Unbeliebter als die Telekom sind die Kirchen in Deutschland... Nun machen sich wahrscheinlich bezahlte Kommissionen und Unterkommissionen daran, die Kirchen wieder beliebter zu machen. Und das dürfte bedeuten: noch ununterscheidbarer.

Konkret kleidet sich diese Tendenz z.B. in netten Worten wie im folgenden Bericht aus meiner Heimatgemeinde:
"Bevor [der übrigens gut katholische!] 1. Bürgermeister N.N. das Wort an die Pfarrer A., B. und C. zum geistlichen Impuls erteilte, gab er seiner Überzeugung Ausdruck, dass Kirche und Staat in der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zwei eigenständige Bereiche seien, die aber zusammen und in gegenseitiger Ergänzung unsere Gesellschaft ausmachten. Sowohl dem Staat wie auch der Kirche liege das Wohl der Menschen am Herzen und die Erreichung dieses Ziels erfordere eine vielfältige Zusammenarbeit. Die Vertreter des Marktes G. demonstrierten diese Verbindung mit der Kirche unter anderem durch die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen. 1. Bürgermeister N.N. gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Vertreter der Kirchen seine Einladung angenommen hätten, durch ihren Besuch die Verbundenheit mit der politischen Gemeinde bekundeten und dem Marktgemeinderat einige Gedanken für die Arbeit mit auf den Weg gäben." Daraufhin luden die drei Pfarrer die Gemeinderäte ein, "der Stadt Bestes zu suchen". Und das wollen wir doch alle, oder? Was gibt es an dieser wechselseitig ausgestreckten Hand auszusetzen?
Alle arbeiten fruchtbar miteinander, bauen Kindergärten, organisieren und finanzieren Sozialstationen, erziehen die Kinder zu braven, aufgeklärten, modernen und aufgeschlossenen Bürgern - und machen das Salz fade. Verlierer ist die Kirche, denn sie darf nurmehr innerhalb der Grenzen des gesellschaftlichen guten Geschmacks agieren. Jedwede Auffälligkeit wird vermieden, Forderungen im Sinne des "Kehrt um" Jesu und des "Zieht an den neuen Menschen" des Paulus leise, ganz leise und gut verpackt geflüstert. Sünder und Heilige - keine von beiden Gruppen gibt es mehr. Weíße und schwarze Katzen - im politisch korrekten Zwielicht sind sie alle grau. Hier müsste man Leon Bloy und seine Auslegung der Gemeinplätze zitieren. Mache ich vielleicht später.

Dazu passend der neue Artikel von Mary Ann Glendon in First Things: The Hour of the Laity. Die historische und aktuelle Situation in den USA mag eine andere sein, die Diagnose stimmt auch bei uns. (Mehr von Mary Ann Glendon bei Kath.Net)

11. November 2002

Die Briefe an Freya sind eines der großen Dokumente des christlichen Widerstands gegen Hitler und seine Tyrannei. Nur gelegentlich blitzt der Glaube des Helmut James von Moltke explizit auf - bis zu den letzten Briefen vom 10. und 11. Januar 1945, den Tagen seines Prozesses und seines Todesurteils, die für ihn offensichtlich Tage der Offenbarung der Liebe und Vorsehung Gottes in seinem Leben waren.
Nur zurückhaltend und staunend, denke ich, sollten wir Passagen wie diese lesen:
"Ich habe ein wenig geweint, eben, nicht traurig, nicht wehmütig, nicht weil ich zurückmöchte, sondern vor Dankbarkeit und Erschütterung über diese Dokumentation Gottes. Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aberwir müssen sehr erschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen, daß er ein ganzes Leben hindurch am Tage als Wolke und bei Nacht als Feuersäule vor uns hergezogen ist, und daß er uns erlaubt, das plötzlich, in einem Augenblick, zu sehen. Nun kann nichts mehr geschehen."
---
Sanctus Simplicius, ora pro nobis.
Auch wenn ich bisher kaum aktuelle Kommentare abgegeben habe, muss dieser doch sein: Martin Schwab vom Würzburger Katholischen Sonntagsblatt kommentiert die Revision der Skandallösungsbeschlüsse der amerikanischen Bischöfe ganz schnell einmal mit den Sätzen: "Voraussichtlich werden die Bischöfe in manchen Punkten die sehr strengen und weitgehenden Regelungen („Null-Toleranz-Politik“) präzisieren und sicher auch manche Punkte entschärfen. Doch es bleibt zu hoffen, dass sie ihre klare Linie nicht aufweichen (...) Eine gemischte Kommission aus Vertretern des Vatikans und der US-Bischofskonferenz verfasste vergangene Woche Empfehlungen zur Überarbeitung. Ein interessantes Detail am Rande: Die vier US-Bischöfe der Kommission waren als Kritiker einer allzu strengen Linie bekannt. (...) Die Beschlüsse setzen Signale weit über den Kontinent hinaus. Schließlich ist die katholische Kirche mit dem Missbrauchs-skandal auf der ganzen Welt konfrontiert. Mit der Entscheidung in Washington steht ein großes Stück kirchlicher Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Hoffen wir, dass es den Bischöfen gelingt, eine kluge Entscheidung zu treffen."

Das hoffen wir alle. Ich hoffe zusätzlich auch noch, daß katholische Multiplikatoren wie Martin Schwab die weitergehende Diskussion in den U.S. of A. nicht nur vielleicht heimlich und still zur Kenntnis nehmen, sondern daraus auch lernen, daß a) Zero-Tolerance kein Terminus technicus der Kirchenrechts ist, b) daß Opferverbände und Medien nicht das Maß für kirchliches und christliches Handeln setzen und daß c) Ursachenforschung angebracht ist.

Meine Lektüretipps: Kenneth D. Whitehead: Episcopal Oversights: The crisis in the Catholic Church extends far beyond sex scandals im ökumenischen Magazin Touchstone und die fortlaufende Chronik von Richard John Neuhaus in First Things, z.B. Seeking a better way oder die drei Teile von Scandal Time.

5. November 2002

Tröstlich, daß wir nicht allein sind. Auch nicht vor GOtt allein. Sicher vor IHM, gerade vor IHM und nur vor IHM unverwechselbar, unersetzlich, ganz wir selbst. Aber eben nicht allein.

Immer mit Jesus Christus. Immer in der Gemeinschaft mit Maria, mit den Heiligen, den großen und den kleinen, mit unseren Namenspatronen, mit unseren Freunden in Gott, mit unseren Familien und Ahnen.

Tröstlich auch, daß wir uns das nicht bewußt machen müssen - als ob wir diese Wirklichkeit erst durch unser Tun erzeugten. Sondern: Wir können eintauchen in diese Wirklichkeit, die immer und quasi "einfach so" da ist.

3. November 2002

Von Hans Urs von Balthasar gibt es einen Aufsatz zum "Schauvermögen des Christen", den ich vor langer langer Zeit einmal gelesen habe. Erschienen ist er im Buch "Mut zur Tugend" (hg. von K. Rahner und B. Welte, Freiburg: Herder, 1986).
Beim Reinblättern gelesen: »Es kann keine theologische Wahrnehmungslehre ("Ästhetik") geben ohne eine Lehre von der kämpfenden Konfrontation der Freiheiten ("Dramatik"), in der das Dunkel der in sich verschlossenen endlichen Freiheit sich - durch Gnade und eigene Anstrengung - aufbrechen läßt zum einströmenden Licht.«(S. 217f) Auf deutsch: Wer sehen will, kann. Aber nicht einfachhin, von jetzt auf nachher, so wie er einen Schalter umlegt, um Licht zu machen, sondern indem er es - durchaus schmerzhaft - lernt und gelehrt/geschenkt bekommt.
Und nochmal von Balthasar: »Man kann nicht statisch mit eigenem kritischen Blick den Gegenstand meistern wollen, ohne sich dynamisch von ihm überwältigen zu lassen." (S. 218)

23. Oktober 2002

Catherine de Hueck-Doherty in ihrem Buch Poustinia:
"The Holy Spirit, the Crimson Dove, the God of love, hovers over me like an immense and flaming bird. Perhaps it's not a bird at all. Perhaps it's a fire that I mistake for a bird."
Das "Changieren" der Symbole, in dem das eine das andere beleuchtet, jedes relativiert nicht auf sich hin, sondern auf die Wirklichkeit, die sich darin zeigt.
Symbolische Rede ist wahrscheinlich immer erzählend (narrativ) und betend (doxologisch), weil vor der Fülle der Wirklichkeit und vor der Fülle GOttes nicht kapitulierend-schweigend, sondern zum Sprechen aufgefordert.

4. Oktober 2002

Im Kursbuch 149 schreibt Martin Mosebach über seine Begegnung mit der Römischen Liturgie (des "Alten", "vorkonziliaren" Ritus). Die folgenden Sätze sind bemerkenswert:
"Ich bekenne mich offen zu der naiven Schar, die aus der Oberfläche, der äußeren Erscheinung, auf die innere Beschaffenheit und womöglich Wahrheit oder Verlogenheit einer Sache schließt. Die Lehre von den »inneren Werten«, die sich in schmutziger, verkommener Schale verbergen, kommt mir nicht geheuer vor. Daß die Seele dem Körper die Form und das Gesicht, seine Oberfläche verleiht, glaubte ich schon, als ich noch nicht wußte, daß dieser Satz eine Definition des kirchlichen Lehramtes war. Mit mediterraner Primitivität glaube ich, daß eine unwahre, verlogene, gefühllose Sprache keinen Gedanken von Wert enthalten kann. Was für die Kunst gilt, muß in noch viel höherem Maß jedoch das öffentliche Gebet der Kirche treffen; wo das Häßliche sonst nur auf das Unwahre schließen läßt, bedeutet es im Bereich der Religion die Anwesenheit des Satanischen."

Unser Gottesdienst ein Ort des Schönen, und nicht des Kunsthandwerks oder des Kitsches? Eine Zeit des Guten und nicht des Gutgemeinten? So soll es sein, und so ist es nicht. Ich würde mich Mosebach nicht darin anschließen, daß sich die Wahre Liturgie nur im Prä-Paulinischen Ritus finden läßt. Auch in der Neuen Liturgie ist Schönheit möglich, aber eben ach so selten auch vorhanden. (Aber das war vielleicht vor 50 Jahren in den normalen Gottesdiensten genau so...)
Allerdings wird mir mehr und mehr auch klar, wie unklar, verwaschen die Zeichensprache des Novus Ordo ist (und konzipiert wurde!!): die unklare Rolle des Priesters bei der Zelebration versus populum (Auf einer episkopalischen Website findet sich der Satz: "»Versus populum« seemed to fit where people were psychologically and socially in the 1960s and 1970s. Many were happy to see the priest as a kind of spiritual bar tender or friendly presiding officer who jovially faced them and served them divine food and drink."), die Klerikalisierung durch den Verlust von Stille und die neue Rolle der Predigt - und damit auch der schlechten! -, in Deutschland dazu die übliche Singmesse, bei der Gloria, Credo, Sanctus etc. fast gar nicht mehr gebetet werden und das Singen zum Hauptakt der participatio actuosa wird - das alles sehe ich nicht als Gewinn. Und da reden wir noch nicht von der Hausmacher-Liturgie der klerikalen oder laikalen Eigenmächtigkeiten, vom weitgehenden Verschwinden der alttestamentlichen Lesungen, wodurch der reich gedeckte Tisch des Wortes gleich wieder leer geräumt wird etc.
Das "Ja, auf die Knie, trotzdem" vom letzten Eintrag klingt heroisch und martialisch. Ich stelle mir vor, daß man es nur leise sagen kann, fast verzagend (aber nur fast), und nur darin, daß uns der Geist zu Hilfe kommt.

16. September 2002

Ist wirklich alles wunder-voll, weil zeichenhaft und bedeutsam? Bloy verschärft sein Ja sogar mit dem Satz: "Alles, was geschieht, ist anbetungswürdig."
Und die Orte des Grauens? (Zählen wir ein paar auf, damit sie sich nicht um Vergangen-Abstrakten verlieren: Auschwitz, der GULAG, Srebrenica, Burundi, WTC) Auch zum Auf-die-Knie-gehen vor IHM?
Mir bleibt nichts anderes als: Ja, auf die Knie, trotzdem. Auch wenn ich das Zeichen nicht entschlüsseln kann. Wir alle können es nicht - nicht hier, nicht jetzt, nicht diesseits.

15. September 2002

Kierkegaard zur Reduplikation, zum Sehen, Denken, Reden vor Gott unter der Wirklichkeit, daß Er uns jetzt - beim Schreiben und Lesen dieser Sätze - sieht, liebt, erkennt:

"Das Merkwürdige in der Weise, wie die Menschen zu Gott oder über ihr Verhältnis zu Gott reden, ist, daß es ihnen ganz zu entgehen scheint, daß es Gott ja auch hört. Ein Mann sagt: »Jetzt habe ich keine Gelegenheit oder Sammlung, um an Gott zu denken, aber etwas später.« Oder noch besser, ein junger Mensch sagt: »Jetzt bin ich zu jung, ich will erst das Leben genießen - aber dann.« Ob es wohl möglich wäre, so zu reden, wenn man bedächte, daß Gott es ja auch hört?
Aber die Reduplikation sieht man fast nie. Ich kenne eigentlich keinen einzigen religiösen Schriftsteller (es wäre denn Augustinus), der wirklich seinen Gedanken redupliziert."
(zitiert nach H. Roos: Kierkegaard nachkonziliar.- Einsiedeln: Johannes, 1967, S. 43)

Unter den großen Theologen nach Kierkegaard ist es vor allem Hans Urs von Balthasar, der systematisch "redupliziert".
Nicht um Aliens und ominöse Kreise in Maisfeldern geht es in "Signs". Sondern um den Glauben und das Sehen der Welt, der kleinen und großen Dinge und Ereignisse in ihr als Zeichen, als Fakten mit Bedeutung, ja sogar als Wunder. Die Welt, die Geschichte - beide sind zeichenhaft und daher wunder-voll. Der Film buchstabiert das in den dramatischen Stunden der Bedrohung durch eine unbekannte, jenseitige Gefahr durch.
Jetzt wird der sinnlose Unfalltod seiner Frau für Graham zum Zeichen . Ein Zeichen, an dem er zu zerbrechen drohte - und mit ihm seine Kinder und sein Bruder, solange die Stunde noch nicht da war, für die die "Message" gedacht war.
"Sag Graham, er soll sehen." - das sind die Worte der sterbenden Ehefrau an ihren Priester-Gatten. Ein Sehen, das zur Tat wird: "Sag Merrill, er soll draufhauen".

3. September 2002

"Denn der himmlische Vater wünscht, daß wir sehen mögen, und deshalb sagt er unserer innersten Seele immer nur ein tiefes, unergründlichesWort und nichts sonst." (Ruysbroek)
Gefunden bei http://zirbel.editthispage.com/2001/04/18: ein Ausschnitt aus einem Interview mit Joseph Beuys:
Friedhelm Mennekes: Sie meinen, die Kirche habe es nicht geschafft, das Christliche für unsere Zeit sakramental präsent zu setzen?
Joseph Beuys: Sakramentale Präsenz ist gut. Die Sakramente haben es versucht, die christliche Substanz als reale Präsenz dieser Grundkraft ins Bewußtsein zu bringen. Sie haben das während einer Zeit sehr richtig tun können, als noch der Glaube für den Menschen ein Erkenntnisorgan war. (...) Die alten Glaubenskräfte sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Es müssen ganz andere Erkenntniskräfte, andere Wahrheitskräfte im Menschen in Gang gebracht werden. (...) Aber gerade in dieser absoluten Abgeschiedenheit ... für diese einfachen instinktiven Kräfte oder Glaubenskräfte, die die Menschen früher hatten, und die erloschen sind, ist dennoch diese Kraft nicht tot, sondern lebendiger als je zuvor. (...) Sie ist kein Bestandteil unserer traditionellen sog. Kultur mehr, aber sie ist real präsent.
(Joseph Beuys im Gespräch mit Friedhelm Mennekes, in: Franz Joseph van der Grinten/Friedhelm Mennekes: Menschenbild - Christusbild. Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst, Stuttgart 1984, 103-117, hier: 105.)

Glaube heißt über Beuys hinaus auch, diese Realität nicht nur als Wirkung auf mich und andere Menschen für real zu halten, sondern auch für SICH - si homo non daretur.

14. August 2002

Annie Dillard: "Der freie Fall der Spottdrossel" mit einem ganzen Kapitel über das Sehen. Ein wahrer Schatz an Seh- und Denkübungen.
Ihr Tipp: Die Daumen- und Zeigefingerspitzen der beiden Hände zusammenführen und durch das kleine Blickloch dazwischen schauen. (Fast) Alles ausblenden, damit der kleine Rest - eine Tasse, eine Wolke, ein Blatt ... überhaupt erst sichtbar wird. Oder besser: damit wir es überhaupt erst sehen, und zwar als dieses etwas.

8. August 2002

Google-Seitenüberschriften zum Thema:

In Russland heisst sehen nicht alles zu glauben
Vom Glauben zum Sehen
Erst sehen, dann glauben
Sehen heißt glauben
Sehen ist glauben
Kaum zu glauben, bei uns zu sehen
Vor dem grauen Himmel Strommasten.
Im Nebel verschwunden die Stadt mit ihren Hochhaustürmen. Die Augen sehen sie nicht, aber der Geist stellt sie sich vor und stellt sie vor sich.
Nicht sehen und doch sehen.

5. August 2002

Herr, gib, daß ich sehe.
Aufwachen am Morgen, ein schmaler Blick ans Fenster und das Licht sagt mir das Wetter an. Heute morgen tiefe Wolken nach dem Gewitter der Nacht, von dem ich nichts gemerkt habe. Die Kuppe des Berges auf der anderen Talseite - mit ihren knappen 150 m Höhe - nicht einmal zu erahnen. Und doch war sie da, so massiv wie jetzt, wo sie in der Abendsonne liegend im sommerlichen Grün erstrahlt.

30. Juli 2002

Die Umkehr der Perspektive.
Chesterton in seinem Buch über Franziskus: Der Pazzo/Jongleur de Dieu/Narr Gottes macht einen Kopfstand und sieht seine Stadt Assisi nicht mehr trutzig und fest gefügt auf ihrem Berg, sondern erkennt/sieht (lat.: intelligit), daß sie durch die Gnade Gottes am seidenen Faden hängt und nur aus Gnade noch nicht gestürzt ist.
Der Glaube stellt die Welt auf den Kopf, auch ihre Hierarchien und Befehlsketten. Kein Wunder, daß die Feierlichkeit und Würdigkeit und Wichtigkeit christlicher Hierarchen - so unvermeidbar sie sein mag - immer auch ein Stück komisch wirkt. (Und die Wichtigkeit und der Ernst der katholisch-antihierarchischen Großkritiker genauso und noch mehr. Denkt an Eugen "Pullover" Drewermann.)

28. Juli 2002

Glaube als Sehen: davon habe ich zuerst bei Walker Percy und Flannery O'Connor gelesen. Bei uns in Deutschland ist Glaube nur aufoktroyierte Pflicht zu geistigen Verdrehungen -- oder Wohlfühlerfahrung.
Dass Leiden nicht nur das Negative schlechthin ist: zu sehen an Franziskus. Und heute wieder vor dem Fernsehgerät. Johannes Paul II.
Das einzige Positive am Leiden: Dass es uns Jesus Christus ähnlich werden lässt, der uns darin ähnlich wurde.

Martin Luther (Heidelberger Disputation, 1518): Ein rechter Theologe sei der, "der das, was von Gottes Wesen sichtbar und der Welt zugewandt ist, als in Leiden und Kreuz sichtbar gemacht begreift".

Otto Kallscheuer (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.7.2002, S. 8): "Die Wellness einer Zivilisation ohne Gott, das ist das neue Gesicht des Antichristen - und gegen diese Verteufelung des Schmerzes agiert der Papst mit seinem eigenen, öffentlichen Leiden."

27. Juli 2002

"Unsere letzte Hoffnung gilt der Ungerechtigkeit Gottes." (Gomez Davila: Einsamkeiten, S. 12)

Ja, wenn wir ganz ehrlich sind vor uns - und das sollten wir besser sein, denn unter den Augen GOttes bleibt uns nicht anderes übrig -, dann müssen wir uns eingestehen, dass wir vor IHM eben nicht auf Verdienst, Profil, Charakter, Leistung bauen können. Und dass auch unser guter Wille nicht genügt.

Ein Gedanke - nein: eine Einsicht, die mich schon lange begleitet: Wie ist es, wenn wir wirklich ernst machen könnten/würden mit der Wirklichkeit, dass GOtt uns jetzt, in diesem Augenblick, jeden Augenblick sieht? (Kierkegaard nennt das "Reduplikation", glaube ich.)

26. Juli 2002

Impressum und Disclaimer

scipio, -ionis m. lat.: Stab
Scipio, -ionis m. lat.: eine Familie aus der gens Cornelia

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