28. September 2010

Der Schnee von gestern schmilzt

Die Jesuiten sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Sagt doch Claus Recktenwald SJ in Jesuiten, der Zeitschrift der Deutschen Jesuitenprovinz (Heft 3/2010):

"Auf die Frage, worin aber die Relevanz der 68er für mich besteht, bin ich versucht mit einem irritierten Achselzucken zu antworten. 68 ist über 40 Jahre her und ich bin noch nicht einmal 30. Was soll mich also bitte an den 68ern nerven bzw. begeistern? Gerade in unserer übertakteten Zeit ist das doch Schnee von gestern."

Da verblassen doch einige der Beiträge des Hefts ins Hellgraue, fast Unleserliche. Nostalgie, die man verständnisvoll zur Kenntnis nimmt. Daneben allerdings einiges Selbstkritische - so ehrlich, aufrichtig und selbstkritisch es halt geht, will man den eigenen raison d'être nicht verleugnen. (Bevor ich böse Kommentare kriege: Ich übertreibe. Aber nur um der Klarheit willen. Ehrlich.)

Im Festsaal

Mit der Kollegin stand ich staunend und erschüttert vor den 69 Vignetten des Martyriumszyklus im jetzigen Festsaal des Tagungshotels.

"Why are they keeping this up here?", fragte sie. "T-h-i-s i-s c-r-u-e-l."

Darauf fiel mir nur ein: "Yes, it looks so twentieth-centurish."

(Wir wussten beide nicht, daß es Märtyrer waren - es sah eher nach Höllenstrafen und ewiger Verdammnis aus.)

26. September 2010

Abholer

Eigentlich hatte ich vor, etwas zu Thomas Assheuers Breitseite (Untertitel: "Warum der Vatikan die Öffnung gegenüber der liberalen Gesellschaft bereut und sich hinter klerikalen Mauern verschanzt") in der ZEIT vom 16. September zu schreiben. Aber das kann ich immer noch irgendwann nachholen: Wetten, daß der nächste Aufguß schon in Arbeit ist, vielleicht erscheint er vor der nächsten Papstreise, dem nächsten Jahrtag der Papstwahl, oder ganz ohne Anlaß. Ja, vielleicht erscheint er gar in der neuen ZEIT-Beilage, die den Namen "Rheinischer Merkur" tragen wird. Warum nicht? Eine RM-Redaktion wird sich doch nicht vor ein paar liberalen Redaktionskollegen verschanzen, oder? - Aber egal. Aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Bemerkenswerter als Assheuers xte Fortsetzung fand ich dagegen Jens Jessens Glosse auf der Rückseite: "Wenn es im Hitlerreich hieß, jemand sei abgeholt worden oder werde gewiss bald abgeholt, dann war klar, dass auf den Unglücklichen eine schlimme Erfahrung wartete.(...) Das ist in der Welt der modernen Medien anders. Wenn es heute heißt, der Leser müsse 'abgeholt werden, wo er steht', dann ist gemeint, der Journalist dürfe ihm gerade keine bittere Erfahrung bereiten, nämlich zum Beispiel peinlicher Unwissenheit." Und dann spricht er von einem Traum, einen Traum, den mutatis mutandis auch andere träumen, nicht der Papst vielleicht, sondern eher seine Gegner, jene weltzugewandten, weltoffenen Kirchenreformer: "Der Traum ... besteht im Kern sogar darin, sie nicht nur abzuholen, sondern auch dahin zurückzubringen, wo sie standen, nämlich vor jedem Erkenntnisgewinn zu verschonen."

Aber vielleicht hört der Traum da nicht auf, mindestens nicht kirchlicherseits: Nicht nur abholen, nicht nur unbeschädigt und unverändert zurückbringen, sondern sich am besten selbst dort niederzulassen, wo der externe Pastoralpartner (oder wie auch immer die Pastoraltheologen den ehemaligen "Hörer des Wortes" heutzutage nennen) daheim ist und bleiben soll.

Die Welt als Porzellanladen

via RightWingBob ein melancholisches Cover von Bob Dylans "Everything is Broken".

25. September 2010

Güte auf Distanz

Aus den Ratschlägen von Onkel Screwtape an seinen Neffen Wormwood, gegeben im England des Jahres 1941, doch mutatis mutandis von zeitloser Gültigkeit:

"Tu, was Du willst, immer wirst Du Güte und Bosheit nebeneinander in der Seele Deines Patienten finden. Die Hauptsache ist, die Bosheit auf den allernächsten Nachbarn zu lenken, dem er tagtäglich begegnet, die Güte aber hinauszuverlegen an den fernsten Horizont, zu Menschen, die er gar nicht kennt. Auf diese Weise gewinnt die Bosheit an Wirklichkeit, während die Güte größtenteils nur noch in der Einbildung weiterlebt. Es hat keinen Wert, seinen Haß gegen die Deutschen anzustacheln, wenn zwischen ihm und seiner Mutter, seinem Chef und dem Mann, dem er in der Bahn begegnet, zu gleicher Zeit die verderbliche Gewohnheit der Nächstenliebe zu wachsen beginnt." (Brief VI)

Hallelujah, Pröstchen!

Alexander Košenina stellt in der FAZ eine bislang unveröffentlichte "Bierode" von Gottfried Benn vor. Mag ja sein, daß Bier "einfach nicht für Oden" taugt und der Text vor allem zeigt, "zu welch bedrückend schwachen Gedichten Benn überhaupt in der Lage war" - aber unter den Biergedichten an sich, finde ich, gehört es zu den amüsanteren.

24. September 2010

Kernige Frauen und Männer statt Memmen

„Alle Feiglinge bitte einen Schritt zurück und dann auf leisen Socken verschwinden! Wer aber dann noch bleibt, der ist unser Mann, ist die kernige Frau unserer Gesinnung. Er nehme seine Handschrift und trage sich unten ein. Wir entbieten ihm Willkommen und katholischen Pressegruß.“ - So, laut Br. Paulus, noch 1965 Monsignore Antonius Funke, der Gründer des katholischen Pressebundes.

Those were the days, my friend, we thought they'd never end...

19. September 2010

Nicht für nichts

„Ich habe einen Auftrag.
Ich bin ein Glied in einer Kette,
und ein festes Band zwischen Personen.
Der göttliche Meister hat mich nicht für nichts geschaffen.
Ich soll Gutes tun.
Ich soll sein Werk tun.
Ich soll ein Bote des Friedens sein
und ein Verkünder der Wahrheit an meinem Platz.“

So der selige John Henry Newman, wie wir vom Papst hören konnten. Hätte auch von ihm sein können. Oder von einem jeden von uns.

Was Onkel Eddie kann, kann der Papst auch

»On May 31 1906, King Alfonso XIII married Princess Victoria Eugenie of Battenberg (“Ena”) in the Royal Monastery of San Geronimo in Madrid. Ena, a granddaugher of Queen Victoria and niece of King Edward VII, had scandalized some of her family by becoming a Catholic before the marriage. When one of them asked her how she could possibly acknowledge the Pope as head of the Church. Ena replied, “If Uncle Eddie can be head of a Church, why can’t the Pope?”«

(Quelle: Fr. George Rutler auf "First Thoughts")

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"Wenn ich je durch Deine Gnade dazu gelange, Dich im Himmel zu schauen, werde ich nichts sehen als Dich: weil ich alle Dinge, die ich sehe, in Dir sehe und sie sehend Dich sehe.

Wie es hier unten schon ist, daß ich Dinge nicht sehe ohne Licht, und
sie sehen die Strahlen sehen heißt, die von ihnen ausgehen,
so ist es in jener ewigen Stadt 'die Klarheit Gottes, die sie erleuchtet, und ihre Leuchte ist das Lamm': 'Charitas Dei illuminabit eam et lucerna eius est Agnus.'"


- John Henry Newman: Meditations and Devotions, zit. nach: Christentum: ein Aufbau: 7. Weg im Christentum III. Welt, Freiburg: Herder, 1922, S. 98f.

17. September 2010

Stunden, flüchtige und erfüllte, sowie Bekenner-Zeit

Ach ja, die Zeit: GOttes flüchtige Gabe, jedem gleichermaßen ab- und zugemessen. Nicht immer sind wir frei, sie nach eigenem Gusto zu verschwenden.

Aber ich will nicht klagen - wie sollte ich, wo mir unverdient vergnügliche und zauberhafte Stunden an magischen Orten zugedacht sind? Von den begleitenden kulinarischen Genüssen will schon mal gar nicht anfangen.

Die werte Leserschaft verweise ich einstweilen auf mein "Bekennerschreiben" bei "Sende-Zeit". Ich habe keine Ahnung, warum ich den Auftakt machen darf, hoffe aber, es ist nicht wegen der "Würde des Alters" (Braut des Lammes), einer Ehrwürdigkeit (Elsas Nacht(b)revier), von der ich nichts spüre, oder wegen des Urgesteinseins. Vielleicht hatte die Redaktion einfach nichts zu kürzen: Ich habe mich nämlich schön brav an die vorgegebenen 2.000 Zeichen gehalten.

14. September 2010

Lied für die Woche - statt irgendwas Ernsthaftem

Auch wenn's bis zum Talk Like a Pirate Day noch ein bißchen hin ist, hatte ich trotzdem schon Lust auf den zugehörigen Song von Lambchop:

12. September 2010

K___________n statt f____n

Volker Zastrow in der FAZ über die Todesstrafe im Vater- (bzw. Mutti-)land.

Dr. Percy im Film

Für alle Walker Percy-Leser und -Fans der Hinweis auf einen neuen Dokumentarfilm über den großen katholischen Schriftsteller:

Walker Percy - A Documentary Film.

Im Herbst soll er auf verschiedenen amerikanischen Filmfestivals gezeigt werden, ab Herbst gibt es ihn auf DVD. Previews gibt es schon jetzt.

Verheißungsvoll.

Wohin man schaut: Affentheater

Sarrazin legt vergiftete Finger auf gemäß Political Correctness non-existente Wunden, alle außer dem Volk sind empört, der Arbeitgeber kompiliert das Sündenregister, um es anschließend zu vergessen, der BuPräsi vermeidet knapp den untragbaren Präzedenzfall, Gabriel fuchtelt wild, um von seinem Problem abzulenken, und Übermutti versucht auszusitzen, nachdem sie sich "wenig hilfreich" (Merkel) über ungelesene Bücher geäußert hat.

O Heimatland.

11. September 2010

12.9.

Mag auch eine Schwalbe noch keinen Sommer machen: vierzig von ihnen reichen jedenfalls, um die Bauernregel zu aktualisieren:

"Zu Maria Namen / fliegen die Schwalben. Amen."

9. September 2010

Robusta - Chancen und Risiken

Unser Blogozesen-Diakon Alipius hat in seinen letzten Stunden als Laie schnell noch die Robusta-Kandidaten bekannt gegeben.

Diesmal habe ich noch nicht ganz geschafft, in der Kategorie "Trägheit" gelistet zu sein, aber wenn es so weitergeht, schaffe ich es im nächsten Jahr.

Ein bißchen bitter ist es natürlich für all jene, die nicht auftauchen, sondern "nur" abstimmen dürfen. Aber erstens gibt es bestimmt ein zweites Mal, und zweitens, naja, seht selbst:

(Graphik von Pithless Thoughts)

It just don't work on you

Auf die Frage "Detroit oder Chicago? John Lee oder Muddy?" kann man zum Glück mit "Beide!" antworten - auch wenn ich immer noch zuerst für Mr. Hooker und dann erst für Mr. Morganfield votierte...

Muddy Waters war und ist so oder so ein Ganz Großer, wie dieses - Thanks so much, YouTube! - Video von 1966 zeigt: Bescheiden und in sich gekehrt sitzt er inmitten seiner Band; die Ekstase überlässt er seinem Harmonikaspieler, die legere Kleidung darf der Drummer tragen; unbestritten ruft er seine Jungs zum Response und verzweifelt schier, daß sein Talisman "funzt" - aber leider nicht so, wie er soll. Die Angebetete will nichts von ihm wissen, da führt der Ratschlag der erfahrenen Zigeunerin aus Lousiana leider auch nicht weiter. Unser Glück! Denn so sehen und hören wir ihn singen und so geschieht vielleicht auch an uns ein bißchen Katharsis. Ich fühle mich jedenfalls besser danach...



(Hinweis aufs Video von No Depression)

8. September 2010

Wer einer ist...

Die einen beichten öffentlich, die anderen hinterlassen ihren Fingerabdruck. So oder so wird beim Schreiben offenbar, was einer ist, was einer war. Martin Mosebach, heute in der Welt über seinesgleichen:

"... Der Stil ergibt sich beim viel schreibenden Menschen, wenn er die Unfähigkeit erreicht, weiter zu lügen. Immer mehr zur Offenbarung der eigenen Person zu gelangen, die aber kein aufdringliches Bekenntnis ist, Selbstdarstellung, Beichte, sondern so etwas wie ein Fingerabdruck. Über Hunderte von Seiten kann man keine Verstellung mehr aufrechterhalten. Es kommt dann raus, wer einer ist.

WELT ONLINE: In dem, was man schreibt.

Mosebach: Es zeigt sich in der Sprache, nach vielen geschriebenen Seiten."

Pastellene Minuten

In der Dämmerung die Heimfahrt auf der Autobahn. Die Welt schimmerte pastellen. Ein Moment der Unwirklichkeit: Cogito - ich denke, also muß ich noch sein. Aber die Welt? Verliert sie an Substanz? Schwindet ihre Widerständigkeit?Fließen die Farben, verdünnen, verdünnisieren sich? Perlmutten stirbt die Schöpfung.

Ein paar Kilometer weiter war es dann dunkel. Und zum Glück alles noch beim Alten.

Bitte um Gebet für einen Freund

Einer meiner besten Freunde hatte am Wochenende einen Fahrradunfall, der mit einem Schädelbruch und einem Blutgerinnsel endete. Inzwischen ist er operiert und liegt auf der Intensivstation. Eigentlich sollte er heute eine neue Stelle antreten, für die er einiges aufgegeben hatte, und jetzt werden wir sehen müssen, was der Arbeitgeber vorhat.

Wenn Ihr für ihn und für seine Familie beten könntet, wäre ich Euch sehr dankbar. Vergelt's Euch Gott!

5. September 2010

Sonntagslied

Gesundheitsreform hin, HiTech-Medizin her - Boyd Rivers bringt es unumwunden auf den Punkt: ""You gonna take sick and die, one of these days":

3. September 2010

Margot bloggt aus Georgia

"Seufz!" - Die Frau, die nach viel zu viel Öffentlichkeit endlich raus aus dem Rampenlicht und raus aus Deuschland wollte, schreibt als allererstes, gleich nach dem Kofferausräumen quasi, detaillierte Reisenotizen für alle Welt. Man kann es auch Blog nennen. Und einen Beweis, daß es eben doch möglich ist, "to hate the cake and eat it".

Hier geht's zu Margots Leben.

2. September 2010

Aufgeschobenes Requiem

Das Fragezeichen sagt das Ereignis ab: "Requiem pour le Catholicisme ?" überschreibt die traditionsreiche, schon von Goethe treu gelesene "Revue des Deux Mondes" ihr Septemberheft.

Mindestens in Frankreich also fällt die Totenmesse aus, die man in Deutschland nach den ersten sechs Monaten des Jahres 2010 ach so gern! angesetzt hätte. Die "Infame" fasziniert die Intellektuellen nach wie vor, wie es scheint. Oder wie Michel Crepu, der Chrefredakteur schreibt: Das Christentum sei dabei, in einer Weise neu aufzuleben, die uns sehr wohl überraschen könnte. ( "en train de se 'refaire' d'une façon qui pourrait bien nous surprendre").

Der Heilige Geist arbeitet dran.

Igel Kirche und die antimodernen Hasen

"Die Kirche muss keinen Antimodernismuseid mehr schwören lassen, sondern lediglich den Chor des allgemeinen Unbehagens an der Moderne als das Lied erweisen, das sie längst schon singt. Insofern steht sie fast besser da als vor hundert Jahren; zwar ausgehöhlter und instabiler als damals, aber auch flexibler - und viel weniger im Gegenwind." - So schließt der Philosoph Christoph Türcke sein Würdigung des heute hundert Jahre alt gewordenen Antimodernisteneides in der Süddeutschen Zeitung.

1. September 2010

"Das Licht der Welt"

Definitiv auf dem Weg zum Kirchenlehrer befindet sich Benedikt XVI. Nach dem dritten Band des Werkes über "Jesus von Nazareth" ist nun in den Ferien ein neues Interview-Buch, wieder mit Peter Seewald, im Werden. Das berichten einhellig Tagespost und Whispers in the Loggia, unter Berufung auf den Pressesaal des Hl. Stuhls.