31. Dezember 2009

MMX

GOttes Segen, Freude, Glück und daß wir "von Zeit zu Zeit zum Geschenk einer Schulter" (John Berryman) werden dürfen - das alles wünsche ich für Zwanzig-Zehn allen Freunden, Feinden, Lesern und Besuchern!

Voll unapologetisch

"Ich habe mich nicht für diesen Glauben entschieden, um mich im gleichen Atemzug dafür zu entschuldigen."

Völlig unsensibel nimmt Elsa wieder einmal keine Rücksicht auf die selbstquälerischen Seelen von uns Wiegenkatholiken.

Und hat recht. Wo kämen wir hin, wenn jetzt auch die Konvertiten öffentlich zu überlegen begännen, warum sie "noch" katholisch sind!

Lyrik-Mem (Ergänzung)


(Wie immer, von Doug Savages Savage Chickens)

Solche wie wir

Ich bin ja diese ganze Rhetorik leid, in der "X auch (nur) ein Mensch wie wir" ist, wobei X für jeden beliebigen Heiligen, Bischof, Priester, jeder Ordensperson und gerne auch mal für den HErrn selber stehen darf.

Ei klar, was denn sonst! Aber wenn X wirklich nur wäre wie Sie, Du und ich, dann könnte er mir gerade egal sein. Der sündige Priester ist langweilig, die bockige Nonne uninteressant und der grau-in-graue Bischof keines bösen Gedankens wert. Aber der eifrige und fromme Priester, die fröhliche und demütige Ordensfrau, der mutige und Christus-ergriffene Bischof - sie sind es, die wir bewundern, weil sie eben nicht so sind wie - nun, von Ihnen und von Dir weiß ich zu wenig. Aber sie sind auf jeden Fall anders, weil besser als ich. Besser, so wie in: gelungener, heiliger, göttlicher.

Nach dieser langen Vorrede nun aber zum eigentlichen Anlaß dieses Postings. Er zeigt zwei Schwestern, die "so sind wie wir". "Nuns just want to have fun", titelt "Signs and Blunders" (where my deepest and heartfeltest thanks go for the great picture!).


Person des Jahres 2009

Zum Film: Hier.

Lyrik-Mem

Bei Dylan (more last than star) habe ich mir ein Lyrik-Mem geschnappt, als kleine Übung in Selbstvergewisserung bzw. -verungewisserung...

1. Das erste Gedicht, an das ich mich erinnere:
Warum nicht am Anfang anfangen, und sei er noch so klein? Kinderreime, vor allem die hiesigen, mundartlichen, die gereimten Tisch- und Abendgebete, bald die Kirchenlieder. Das mag alles keine große Lyrik gewesen sein, aber Gereimtes und Gedichtetes war damit Teil des Kinderalltags.

Das erste "richtige" Gedicht, das mich später wirklich und wahrhaftig getroffen hat - sozusagen das Erweckungserlebnis - war Stefan Georges "aus purpurgluten sprach des himmels zorn". Die Schlußzeile mit ihrem "und aller rest ist nacht und nichts" hat schon was mit ihrem apodiktisch-apokalyptischen Duktus. Doch lang ist's her...

2. Auswendig gelernte Gedichte:
Auch in Bayern gab es eine Zeit, in der Schüler vergleichsweise wenige Gedichte auswendig lernen mussten, und ich befürchte, das war die Zeit, in der ich groß wurde. Meine Erinnerung beschänkt sich auf den "Zauberlehrling", "Belsazar" und die "Bürgschaft".

3. Ich lese (keine) Gedichte, weil...
Doch, ich lese Gedichte, weil in einem guten Gedicht Form/Stil und Inhalt, Überraschung und verstehende Einsicht, Theorie und Bild, in einem Moment, auf kleinstem Raum zusammen gehen, eins sind, aufblitzen. Weil der Autor - auch der versteckteste, ironischste, scherzendste - spricht, sieht, singt.

4. Ein Gedicht, das mir einfällt, wenn man mich nach meinem Lieblingsgedicht fragt:
Joseph Brodskys "24. Mai 1980" oder E.E.Cummings' "i thank you God for most this amazing day". Und bei den Langgedichten: "Fredy Neptune" von Les Murray und David Jones' "Anathemata".

5. Ich schreibe (keine) Gedichte, aber ...
Außer ein paar üblichen Reimereien zu Familienfeiern habe ich mich eher selten an eigenen Gedichten versucht. Mir fehlt die Geduld, die Ausdauer, die Bereitschaft, immer und immer wieder heranzugehen, zu feilen, zu warten, bis sich das richtige Wort oder die rechte Sicht auftut.

6. Meine Erfahrung, wenn ich Lyrik lese, unterscheidet sich von der beim Lesen anderer Arten von Literatur?
Das kommt auf die andere Literatur an. Es gibt Prosa, die liest sich wie ein Gedicht. Zum Beispiel Moby Dick, die Pickwick Papers oder auch Handkes Versuche. Von Balthasars "Herz der Welt" sowieso.

7. Ich finde, Dichtung ist ...
... wie essen, schlafen und beten: lebensnotwendig. Und immer ein Geschenk.

8. Das letzte Mal, als ich Lyrik gehört habe, war ...
... wahrscheinlich bei einem der Appetitanreger des Lyrikstimmen-Projekts. Nelly Sachs?

9. Dichtung ist wie ...
... wiedergefundene Muttersprache.

30. Dezember 2009

Jahreshighlights

8. Folge - 2009: Bücher und Musik

Bücher:

1. Wassili Grossman: Leben und Schicksal - Ein Großroman über Stalingrad und damit über alles: über den Menschen in seinem Elend, seiner Größe und seiner Mittelmäßigkeit, über Opfer und Täter, Helden und Versager und die vielen, die beides sind.

2. Robert Barron: The Priority of Christ: Towards a Postliberal Catholicism - Zeigen, wie alles zusammenhängt im Christentum, denkerisch auf der Höhe der Zeit sein, dabei den Boden des kirchlichen Glaubens keine Sekunde verlassen: Father Barron gelingt das in seinem Buch.

3. Sebastien Lapaque: Bernanos encore une fois - Ich hatte Bernanos bisher immer durch die Balthasar-Brille gelesen, die keine schlechte ist, beileibe nicht. Und vielleicht sieht man als katholischer Deutscher Georges Bernanos nie leibhaftig in seinem Umfeld: dem Frankreich und dem französischen Katholizismus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit seinen Sackgassen und internen Zusammenstößen, seiner Schande und seiner Größe. Lapaque hat mir wenigstens einen Geschmack davon vermittelt und mir den Menschen Bernanos nahe gebracht.

Musik:

Da fällt mir die Auswahl schwer: Es gab einfach zu viel gutes Neues, neu wenigstens für mich. Neben den Auftaktalben der Girl Groups wie Baskery und Those Darlins z.B. Anständiges von den alten Meistern wie Bob Dylan und den Flatlanders. Nun denn, die Favoriten sind:

1. Alela Diane: To Be Still - Anrührende Folkmusik, ziieemlich perfekt.

2. The Gibson Brothers: Iron & Diamond - Für mich das wärmste, harmonischste der Bluegrass-Brother-Duette.

3. Reverend Peyton's Big Damn Band: The Whole Fam Damnily - Blues, urwüchsig und kraftvoll.

29. Dezember 2009

Neuzugang

Nicht nur, daß es der Blogozesen-Blog mit dem längsten Titel ist, wie Elsa aufmerksam bemerkt hat: Die Zahl der angekündigten Blogsprachen - 3 - verleiht "Deus, tu conversus vivificabis nos" ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in der deutschsprachigen katholischen Blogosphäre.

Herzlich willkommen - ad multos postingos (oder wie auch immer das im Lateinischen sich nennt)!

Rahner-Marginalie

Immer diese kleinen Gleichzeitigkeiten...

Da las ich bei Stefan Hartmann gerade noch den Satz:

"Wichtiger aber als breite Ausführungen waren [Karl Rahner] „Kurzformeln des Glaubens“ – ein wortreicher Weltkatechismus (ohne theologisches Problembewusstsein) wäre ihm gegen den Strich gewesen, mit dem knappen "Kompendium" desselben (2005) hätte er sich wohl eher anfreunden können."

und stoße zwei Minuten später bei Ben Myers' Faith and Theology auf das einigermaßen ironische Faktum, daß es zu dem überaus wortreichen Opus Rahners zwei von Daniel T. Pekarske erstellte Bände mit Kurzzusammenfassungen ("Abstracts") gibt: Abstracts of Karl Rahner's Theological Investigations I-23 und Abstracts of Karl Rahner's Unserialized Essays, mit zusammengenommen immer noch mehr als 1.200 Seiten...

Ob sich der Meistertheologe wohl damit hätte anfreunden können?

28. Dezember 2009

Der Mikrokalender fürs neue Jahr

Die erste der Aktivitäten für die Zeit zwischen den Jahren:

Bei Googledocs kann, wer mag, sich ab sofort den Daumenkalender für das Jahr 2010 abrufen.

Er spart Platz, hält den Kopf beweglich ("Wenn der 1. Sonntag des Monats auf den 3. Januar fällt, dann ist der 19. Januar ein ...") und funktioniert, auch wenn der Akku leer ist oder das W-LAN nicht funzt.

27. Dezember 2009

Stephanus und die Gleichzeitigkeit der Christusbilder

Stanislaus äußert sich zum "Kreuz mit dem '2. Weihnachtstag'", den es liturgisch eigentlich gar nicht gibt.

Daß die Kirchen am Tag des hl. Stephanus so(vergleichsweise) voll sind, liegt eben nicht an der außerordentlichen Beliebtheit des Heiligen, sondern an der Ausweitung des Weihnachtstages (bzw. dem verbleibenden Rest der ehedem Zwölf Tage von Weihnachten), der die Heiligengedächtnisse dieser Tage entsprechend aufwertet und einfärbt. Daß umgekehrt die Feststimmung quasi routinemäßig gestört wird durch das Gedenken an den gesteinigen Märtyrer-Diakon, darauf sind die Zelebranten und das mitfeiernde Volk allermeistens eingestellt.



Selber fand ich es gestern wieder erhellend, als in der Aschaffenburger Sandkirche das Jesuskind in der Krippe, das Kruzifix auf dem Altar, das Gnadenbild der trauernden Mutter mit dem toten Sohn im Schoß und das Lamm GOttes auf einer Achse, der zentralen Blickachse lagen. Das ist auch ohne Stephanus und ohne ausdrückliche Erwähnung der kenotischen Dimension der Christgeburt eine deutliche Lektion. Und wer weiß: Vielleicht ist sie auf Dauer genauso wirkungsvoll wie jede dieser Predigten, die bequem-christliche Erwartungen ausdrücklich korrigieren wollen.

26. Dezember 2009

Weihnachtliche Zoologie

Kürzlich schaffte es das Münsteraner Institut für Theologische Zoologie in die kirchlichen und weltlichen Medien - rechtzeitig zu Weihnachten: Nicht nur uns sozialen, sprechenden, symbolbrauchenden, betenden Tieren ging der Stern auf, sondern den anderen in den Sieben-Tagen geschaffenen und durch die Flut geretteten Lebewesen genau so.

Wir müssen freilich nicht nach Münster schauen, um das zu erkennen - Nashville tut es auch. RightWingBob verlinkt zu einem Lied der beiden Louvin-Brüder, das sich die weihnachtliche Zoologie vornimmt:



"Jesus, our brother, kind and good,
Was humbly born in a stable rude;
And the friendly beasts around Him stood.
Jesus, our brother, kind and good.

Thus said the Donkey, shaggy and brown,
'I carried His mother up hill and down;
I carried His mother to Bethlehem town:'
Thus said the Donkey, shaggy and brown.

Thus said the Cow, all white and red,
'I gave Him my manger for His bed;
I gave Him my hay to pillow His head.'
Thus said the Cow, all white and red.

Thus said the Sheep, with the curly horn,
'I gave Him my wool for His blanket warm;
He wore my coat on Christmas day.'
Thus said the Sheep, with the curly horn.

Thus every beast by some glad spell,
In the stable dark was glad to tell
Of the gift he gave Emmanuel,
The gift he gave Emmanuel."

24. Dezember 2009

What GOD for us has done - Was GOTT für uns getan



Yo-Yo Ma und Alison Krauss mit dem "Wexford Carol".

Und das Wort ist ...


R. S. Thomas: Blind Noel

Christmas; the themes are exhausted.
Yet there is always room
on the heart for another
snowflake to reveal a pattern.

Love knocks with such frosted fingers.
I look out. In the shadow
of so vast a God I shiver, unable
to detect the child for the whiteness.(1)

R. S. Thomas: Blinde Weihnacht

Weihnacht; die Themen sind aufgebraucht.
Doch da ist immer Platz
auf dem Herzen für eine weitere
Schneeflocke, die ein Muster enthüllt.

Liebe klopft an mit Fingern voll Reif.
Ich schau hinaus. Im Schatten
eines so riesigen Gottes zittere ich, kann
das Kind nicht entdecken in all der Weiße.

Die Weihnachtsroutine kennen wir alle, x Lieder in der ersten und vielleicht auch den weiteren Strophen. Jeder Stern sitzt am Baum und die Wünsche fließen wie Honig: "Frohe Weihnachten!", "Friede uns allen!" und überhaupt "Schönes Fest!"

Sogar die Routine-Durchbrecher sind geübt: "Mach's wie Gott - werde Mensch" und "Weihnacht in Haiti ist anders, ist schlimmer als hier. Keine Geschenke, kein Baum, und wenn, wäre er Brennholz in kalten Nächten."

Weihnachtsworte, im Zehnerpack, bunt sortiert, für jede Gelegenheit, jedes Ohr, jede Stimmung. So billig wie nie. Und nächstes Jahr fallen die Preise erneut, kein Zweifel.

Im Anfang war das Wort und das Wort ruft in der Krippe, schreit seinen ersten Verzweiflungsschrei ins Dunkel, bevor die Mutterbrust den kleinen Mund findet und stillt. Das Wort schreit wieder in der Nacht, die kommt mitten am Tag, als ob ein Vorhang zerrisse, so schreit es. Und am Ende: wieder das Wort. Noch einmal schreiend? Oder rufend? Oder ganz still, in Schweigen kehrt es zurück?

"Reden wir, denn wer redet, ist nicht tot." Mag sein. Und wer plappert? Lebt der noch? Wenn vor dem Wort unsere Wörter nicht passen, die Grammatik zerspringt: dann schweigen wir besser, verhalten uns still, bewegen uns kaum zwischen dem stummen Ochsen und dem Ja-Sager daneben. Und schauen einstweilen.

Glauben, das sehen lässt, und Sehen, das den Glauben nährt - das wünsche ich all den Lesern und Besuchern dieses Blogs. Den regelmäßigen und denen, die Bruder Zufall hier vorbeiführt. Den Gläubigen und den Ungläubigen. Den Zweiflern sowieso. Denen, deren Glaube und Gebet mich trägt. Den vielen Freundinnen und Freunden, und denen, die ich nicht kenne. Round the globe: von Goldbach/Ufr. bis zu den Gegenfüßlern im Pazifik.

Frohe Weihnachten Euch allen!

Scipio

(1) R. S. Thomas: Collected Later Poems: 1988 - 2000.- Tarset: Bloodaxe, 2004, S. 288

23. Dezember 2009

Kleine Aufgabenliste für den Tag davor



(Mit Dankeschön an Andreas, der mich an Sufjan Stevens erinnerte)

O komm, o komm, Immanuel!


22. Dezember 2009

Randbemerkung zu einer Überschrift



Sorry, Radio Vatican: Für und bei Pius XII. hat sich nichts getan, keinen Schritt näher ist er irgendeinem Ziel gekommen.

Allerhöchstens für uns und für die Kirche hat sich etwas geändert, nämlich die Erkenntnis dessen, was er - aus Gnade allein - für uns sein darf.

Unterschiede im Amtsverständnis

Man kann über unsere Bischöfe sagen, was man will, aber den Halbsatz "Mein Weg führt mich..." aus einem Zeitungsfragebogen würden sie nie ergänzen mit

"... langsam auf die Pensionsgrenze zu." (faz.net)

Durchaus instruktiv auch die Darstellung der Käßmannschen Ochsentour hinauf zum höchsten Amt einer synodal verfassten Kirche:

"Doch mit dem Amt reifen auch die Beziehungen heran – friedensbewegte Kirchentagsfunktionäre sind behilflich. (...) Nun ist es ihr Ehemann, der zurücksteckt, er bleibt bei den Kindern, während seine Frau an ihrem wichtigsten Karrieresprung arbeitet. Sie scheint zu wissen: Wer in jungen Jahren Einfluss in der Kirche gewinnen will, muss über die Funktionsstellen abseits der Gemeinden gehen. Die Ochsentour, vom Landpfarramt ins Stadtpfarramt, von der Superintendantur zur Landessuperintendantur, dauert Jahrzehnte. 1995, mit Mitte dreißig hat es Käßmann ins Schaufenster für das Bischofsamt geschafft: Sie wird Generalsekretärin des Kirchentags und kann sich so bei zahlreichen Gelegenheiten präsentieren.
Die erste Voraussetzung, um Bischöfin zu werden, ist damit erfüllt: Das Funktionärsmilieu, das maßgeblichen Einfluss auf die Ausarbeitung der Wahlvorschläge in den Landeskirchen ausübt, kennt ihr Gesicht. Und sie beherrscht – Voraussetzung Nummer zwei – virtuos den Umgang mit solchen Beziehungen, die Amerikaner als 'weak ties' bezeichnen: Sie kann Kontakte im Vorübergehen pflegen und dem Beruflichen den Mantel des Privaten umlegen. Sie tritt freundlich, aber nicht unbestimmt auf und nimmt Menschen rasch für sich ein – was von entscheidender Bedeutung ist, wenn die Mehrheit in einem Kirchenparlament erreicht werden soll, dessen Mitglieder man kaum kennt."
(faz.net)

Anne Porter: Susanna

Nobody in the hospital
Could tell the age
Of the old woman who
Was called Susanna

I knew she spoke some English
And that she was an immigrant
Out of a little country
Trampled by armies

Because she had no visitors
I would stop by to see her
But she was always sleeping

All I could do
Was to get out her comb
And carefully untangle
The tangles in her hair

One day I was beside her
When she woke up
Opening small dark eyes
Of a surprising clearness

She looked at me and said
You want to know the truth?
I answered Yes

She said it's something that
My mother told me

There's not a single inch
Of our whole body
That the Lord does not love

She then went back to sleep.

(Quelle: Garrison Keillors Writer's Almanac)

Vom Gebrauch des Wortes Gott

Aus Andreas Maiers Roman "Kirillow", genauer aus einer Partydiskussion zwischen dem rebellischen Romanhelden und dem fiktiven hessischen Ministerpräsidenten über das richtige und das falsche Leben und warum alles ist, wie es ist:

"Was heißt hier Recht? Es ist doch alles genau so, wie alles ist, weil die Menschen einfach bloß tun, was sie tun. Und sie tun es ohne jeden Grund, sie tun es allein deshalb, weil es ihnen angeboten wird, weil die Möglichkeit da ist. Was sie angeboten bekommen, tun sie. So legitimiert ihr alles. Und man könnte jederzeit auf diesen ganzen Scheißdreck verzichten, aber ihr habt daraus eine wirtschaftliche Notwendigkeit gemacht. Ich hasse das. Ihr macht nichts weiter, als einen Damm nach dem nächsten zu brechen. Ihr seid ohne jedes Maß. Das könnt ihr allesamt vor Gott nicht wollen. Der Ministerpräsident runzelte die Stirn, und zwar wegen des Wortes Gott, das er aus dem Munde Julians nun wirklich nicht erwartet hätte. Dieses Wort aus Julians Mund schien ihm abgrundtief falsch und bloß demagogisch gebraucht. (Es schien ihm 'gegen die Menschen' gebraucht, und 'gegen die Menschen' konnte man das Wort Gott nicht verwenden, so war es auf jeden Fall falsch gebraucht.)" (Frankfurt: Suhrkamp, 2005, S. 95)

20. Dezember 2009

Für Oden nach Maß, made in USA

In Amerika, das wissen wir, ist alles nicht nur größer, viel größer als hier bei uns, sondern auch billiger. Viel billiger. Ohne daß ich irgendwelche Zahlen bei Continental, United oder Lufthansa erfragt hätte, bin ich doch sehr sicher, daß in den vergangenen Wochen Heerscharen deutscher Frauen und Männer zum Einkaufen auf der anderen Seite des Meeres geflogen sind. Die hinwärts leeren Koffer trugen auf dem Rückflug kostbare, aber billige Fracht aus Toys'R'Us, Sears und Macy's...

Nicht immer freilich haben unsere Einkäufer die nötigen Englischkenntnisse, um qualifiziert etwas ausgefallenere Waren nachfragen zu können. In seiner Reihe "Useful English Phrases for Visitors from Foreign Land" sorgt sich Dr. Boli liebevoll um alle, die wie ich gerne bei Poet Laureate's einkaufen.

Wer also eine Ode mit einem freien Trochäus für einen zweisilbigen Namen sucht, ein Sonnett in Essig oder ein günstiges Epos im Blankvers, der lernt hier, wie er danach fragt und dann hoffentlich bekommt, was er braucht.

19. Dezember 2009

Neues Blog on the Block

Nicht so schnell wie Thomas: Commonitoria.

Ich wünsche gutes Bloggen.

18. Dezember 2009

For E Ver And E Ver

In St. Blog's Parish hat es schon die Runde gemacht - importieren wir das Video der schweigenden Mönche also nun in die eigene Pfarre. Schön gemacht:


17. Dezember 2009

Aus den Beichtstühlen der Republik

"Soll ich wegen des Papstes aus der Kirche austreten?", fragte sich Matthias Stolz von der Zeit. Die Frage klingt ein bißchen nach dem 70er- und 80er-Jahre-Thema "Warum ich noch Christ bin" oder auch gerne "Warum ich noch in der Kirche bin" (jeweils mit Betonung auf dem "Noch"). Es scheinen mehrheitlich "noch"-sagende Priester gewesen zu sein, die Stolz auf seiner Reise durch sechs Beichtstühle traf.

"Am Ende der Reise hat mich kein Pfarrer vom Papst überzeugt. Die meisten wollten es ja auch gar nicht. Es hat etwas Beruhigendes, zu erfahren, auf wie wenig Gehör dieser Papst in seiner Kirche stößt. Sie reden über ihn wie über ein Problem. Wieso sollte ich dann seinetwegen austreten?"

So ähnlich hatte ich mir das vorgestellt. Wer solche Freunde hat...

Sind sie nicht süß?



Und bei 2:04 wird es noch einmal richtig interessant.

(via American Papist)

16. Dezember 2009

"Man bekommt einen Begriff von Schöpfung und von Dankbarkeit"

Und noch ein Hinweis, mindestens für Apfelweintrinker und -liebhaber, auch schon ein paar Tage alt:

Andreas Maier schreibt in der FAZ liebevoll über "Das stille Bangen jeden Herbst":

"...und überhaupt sagen alle, die eine Kurzberührung mit Frankfurt hatten und einmal an einem Apfelwein genippt haben, es sei das grauenhafteste Getränk, das sie je probiert hätten. Apfelwein gegenüber haben alle eine Berührungsangst wie sonst vielleicht nur angesichts des Bamberger Rauchbiers mit seinem Räucherspeckschwartengeschmack. Selbst dem schwäbischen Most ist der Fremde sofort geneigter. Als magische Grenze (wie übrigens auch beim Rauchbier) wird stets der dritte Schoppen beschrieben. Wer über den hinauskommt, begreift plötzlich, was für ein Getränk er vor sich hat, was es von einem will und wie man an es heranzugehen hat."

CMC im Kino und im Interview

Bevor es bei mir in die große Ablage gerät: In den USA ist vor einigen Wochen bereits die Verfilmung des Cormac McCarthy-Romans "The Road - Die Straße" angelaufen (Trailer bei youtube) - aus diesem Grund hat sich der Autor zu einem seiner seltenen Interviews gestellt:

Hollywood's Favorite Cowboy (Wall Street Journal).

Bescheidener Vorschlag für den Weg nach vorne

Unfähigkeit, junge Menschen zu erreichen (speziell die Männer), das Links-liegen-lassen der Laiencharismen, sinkende Einnahmen, Legalismus, Biblizismus, gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit und ein Gottesdienst ohne praktische Konsequenzen - das klingt vertraut. Auch andere Konfessionen haben damit zu kämpfen.

Peter Speckhard macht einen schlechthin revolutionären, aber richtig bedacht: geistgetragenen Vorschlag, den sich nicht nur seine Kirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika (ELCA) zu eigen machen sollte, sondern - warum nicht? - auch andere Konfessionen, denen an ihrem Überleben gelegen ist.

Nachlesen kann man den Vorschlag, nun, sagen wir es offen: die Tempelprostitution wieder einzuführen, auf dem Blog Evangel.

Schlechthin brillant! (Doch leider nur auf Englisch, aber vielleicht findet sich eine gute Seele mit Zeit und Sprachkenntnissen, die den Text bei Gelegenheit übersetzt...)

15. Dezember 2009

Glaubenscomics


Kipa berichtet, daß jüngst die besten christlichen Comics gekürt wurden. Der Preis ging an die beiden Japaner Hidenori Kumai und Kozumi Shinozawa und ihre beiden Bände Manga Messiah und Manga Metamorphosis.

Auf Deutsch gibt es die wohl noch nicht, dafür aber auf Englisch bei Tyndale.

Ein Sonderpreis ging an Gaëtan Evrard und sein "Starets Silouane, un moine du mont Athos", ein Comic über das Leben des Starzen Siluan.

14. Dezember 2009

Aus dem Skizzenbuch des Anthroposkeptikers

Die Fähigkeit des Menschen zum Bösen wird nur noch übertroffen von seiner Fähigkeit, sich darüber etwas vorzumachen.

Wer von Ihnen, liebe Leser, hat beim Lesen dieses Satzes zuerst an sich gedacht? Und nicht an den pingeligen Nachbarn, den unausstehlichen Chef oder an seinen Lieblingsdikator aus dem 20. Jahrhundert?

Wodehouse, die Glücksquelle

"Wodehouse nicht zu lesen, das ist so, als würde man niemals Schokolade essen. Es ist, als hätte man den Entschluss gefasst, ohne einen Tropfen Alkohol durchs Leben zu wandeln, oder als wollte man seine Freizeit ausschließlich mit dem Reinigen technischer Haushaltsgeräte verbringen - kurz, es ist ein so fundamentaler Verzicht auf eine der reichsten Quellen von Glück, dass ich jemanden, der so etwas tut, nicht ohne Bedauern betrachten kann." - So Daniel Kehlmann, zitiert bei Spiegel Online.

Pelham Grenville Wodehouse, der Wohltäter der Menschheit - durch das von ihm Geschriebene also, doch genauso sehr durch das von ihm Ungeschriebene:

"Nicht, dass ich für die Menschheit eine bestimmte Botschaft in petto gehabt hätte. Ich schufte zwar bis heute unbeirrt vor mich hin, doch bislang ist nie auch nur der Schatten einer Botschaft aufgetaucht, und allmählich sieht es so aus, als werde die Menschheit, falls ich nicht in meinem neunten Lebensjahrzehnt zu unerwarteter Hochform auflaufe, eine Botschaft zu wenig auf dem Konto haben."

So viele Botschafter um uns, so viele Verkäufer in eigener und fremder Sache - und so wenige, die uns glücklich machen. Wodehouse war einer von ihnen. Und ist es noch.

Warmherziges


Aus X. erreicht mich dieses Bild einer Weihnachtsgabe der dortigen Pfarrei an ihre aktiven Mitarbeiter.

Es handelt sich um einen sogenannten Taschenwärmer, der für die wenigen kalten Tage unserer Breiten durchaus nützlich ist. Wahrscheinlich war er gerade so gedacht: als ein nettes und nützliches Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung. Doch verleitet er geradezu zu kleinen Spekulationen.

Ist es z.B. ein Zufall, daß man auf den ersten Blick denken könnte, der Wärmer sei ein Geschenk des Roten Kreuzes? So, als sei dann dieses Schandmal und Ehrenzeichen noch unanstößig verschenkbar? Einen Taschenwärmer des DRK stecken sich Muslime, Christen und Atheisten gleichermaßen gern in die Tasche - vorausgesetzt es ist kalt genug?

Und das Herz? Was machen wir damit? Nun, auch hier sehen wir eine Evolution, eine Fortentwicklung vom etwas aus der spirituellen Mode gekommenen "Herz Jesu, Gottes Opferbrand" zu einem handlichen Utensil, das sich gefahrlos mitführen lässt und nur wärmt, aber nicht verbrennt. Da sei der TÜV Rheinland vor!

Weiter: Christlich gesehen ist die Liebe des Herzens Jesu immer gegenwärtig und muß, wenn realisiert und "erfahren", auch sofort verbraucht und aufgenommen werden. Wo kämen wir hin, wenn wir sie aufspeichern wollten, in einen sicheren Aggregatzustand überführen wollten, um sie nach Belieben oder aktuellem Bedarf in handlichen Mengen abzurufen?

Gut zum Schluß, daß unsere kleinen katholischen Rangen heutzutage die Bilder des durchbohrten Herzens nicht mehr kennen. Denn sonst, des bin ich sicher, würden sie sich mit Schere und Messer ans Durchbohren machen. Nun ist Natriumacetat-Trihydrat zum Glück eine eher harmlose Verbindung, aber erklären Sie das mal einer guten katholischen Mama...

Mir ist kalt - ob ich das Metallplättchen jetzt mal knicke? Ach halt: Ich habe ja nur das Bild vor mir.

12. Dezember 2009

Der Mittelweg

Sébastien Lapaque, Bernanos umschreibend:

"On ne fait pas son salut avec un code de la route. Entre la grâce et la merde, il n'y a pas de milieu. Ou s'il existe un milieu, il est pour les tièdes, ceux que le Seigneur vomit." (Georges Bernanos encore une fois: Essai.- Arles: Babel, 2002, S. 85)

["Man wirkt sein Heil nicht mit einer Straßenverkehrsordnung. Zwischen der Gnade und der Scheiße gibt es kein Mittleres. Oder wenn ein Mittleres existiert, dann für die Lauen, die, die der Herr ausspeit."]

Must be Dylan

Allerorten im Web wird heftig diskutiert, wie Bob Dylan wohl sein Weihnachtsalbum "gemeint" hat. Einer der Schlüsseltexte in der Auseinandersetzung ist Andrew Ferguson's "Hark! the Heralded Dylan Sings" . Sogar der Spiegel - ansonsten Schnellmerker in Sachen Dylan - hat es schon mitbekommen. [Nachtrag: Und die FAZ auch...]

Mich haben die Schnipsel von "Christmas in the Heart", die ich bei amazon angehört habe, nicht besonders berauscht, sodaß ich Dylan für diesmal Dylan sein lasse: rätselhaft wie immer, frei flottierend zwischen Banalem und Genialem, ein alter Trickster, der, selber ruhelos, es nie ertragen wird, von anderen durchschaut und gebannt zu werden, und der deshalb immer wieder Haken schlägt, Finten anbringt, Erwartungen enttäuscht. Solange er weiß, daß DER EINE - gepriesen sei ER - ihn durchschaut, ja durch SEinen Blick ihm überhaupt erst Haken, Finten, Listen ermöglicht, soll's mir recht sein.

Hier ist Dylan zu sehen und zu hören: "Must be Santa", ein US-Weihnachtsklassiker in uptempo-Version mit Texmex-Akkordeon für die Xmas-Party.



Die Hoffnung bleibt nicht länger, daß Barden nicht in Ohren blasen...

Vor ein paar Tagen haben wir an dieser Stelle schon erwähnt, daß "Kirchentags-Hauptinterpret" Clemens Bittlinger das offizielle "Mottolied" des herandräuenden Ökumenischen Kirchentags 2010 schreiben durfte.

Da durfte man noch Hoffnung haben, daß Bittlinger einmal, dieses eine Mal! über seinen Schatten springen und die Bedürfnisse des deutschen liberalen Christentums und des durchschnittlichen Kirchentagsbesuchers nicht befriedigen würde. Von der Hoffnung ist nichts geblieben. Für diesmal. Alles wie gehabt. Aufrührerisch wie unser alter Braun-Mixer. Eingängig wie ein Novalgin-Zäpfchen. Widerspenstig wie Barbie-Haar.

Johannes hat sich auf Mater Amata das Lied vorgeknöpft. Ich verweise auf seine treffliche Analyse.

Wer mag, darf es sich gerne von hier aus bei Youtube anhören:

10. Dezember 2009

Wo die Integrität wohnt

Weil ich die Tage wieder Anlaß hatte, an den Satz aus Flannery O'Connor's Vorwort zu "Wise Blood" zu denken, soll er seinen Ort - zum zweiten Mal? - auch hier im Blog finden:

"Does one's integrity ever lie in what he is not able to do? I think that usually it does, for free will does not mean one will, but many wills conflicting in one man."

["Liegt unsere Integrität immer in dem, was wir nicht fähig sind zu tun? Normalerweise, glaube ich, ist es so, denn der freie Wille bedeutet nicht einen Willen, sondern viele Willen, in einem Menschen miteinander im Streit liegen."]

Anne Porter: After Psalm 137 - Nach Psalm 137

We're still in Babylon but
We do not weep
Why should we weep?
We have forgotten
How to weep

We've sold our harps
And bought ourselves machines
That do our singing for us
And who remembers now
The songs we sang in Zion?

We have got used to exile
We hardly notice
Our captivity
For some of us
There are such comforts here
Such luxuries

Even a guard
To keep the beggars
From annoying us

Jerusalem
We have forgotten you.

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Wir sind noch in Babylon doch
Wir weinen nicht
Warum sollten wir weinen?
Wir haben vergessen
Wie weinen geht

Wir haben die Harfen verkauft
Und kauften Maschinen
Die machen das Singen für uns
Und wer erinnert sich jetzt
An unsere Lieder in Zion?

Wir haben uns gewöhnt ans Exil
Kaum merken wir
Die Gefangenschaft
Für manche von uns
Ist es voller Komfort hier
voller Luxus

Sogar ein Wärter
Er hindert die Bettler
Uns zu ärgern

Jerusalem
Wir haben dich vergessen

Aufs Licht warten

Ira und Charles Louvin mit brüderlichen Hinweisen, passend für den Advent und auch sonst:


9. Dezember 2009

Augustinus an mich via Teebeutel:

"Nicht Worte sucht Gott bei dir, sondern das Herz."

8. Dezember 2009

Randbemerkungen zum Tage

Der 8. Dezember - ein Heiligenfest, gedacht für Misanthropen: Es gibt einen, wenigstens einen normalen Menschen in diesem ganzen wimmelnden Sammelsurium seltsamer Originale, eifriger Sünder, begabter Heuchler, unfähiger Möchtegernheiliger, liebens- und hassenswerter Kotzbrocken, bedauernswerter Geschlagener. Einen Menschen, der ganz war und ganz geblieben ist zeit seines Lebens.

In mich und um mich schauend, bin ich sehr sehr skeptisch, was meine Motivation, meine Intention auch in der besten meiner Taten angeht. Kaum vorstellbar, daß eines der geläufigen Exemplare der Gattung Mensch aus ganzem Herzen und vor allem: ohne Egoismus zur Frage des Engels hätte Ja sagen können. Die Eine in ihrer Schlichtheit, Unverdorbenheit, Natürlichkeit, Demut, mit ihrem klaren, unverstellten Blick - sie konnte es. Nicht weil sie so besonders war, sondern weil sie so war und ist, wie wir alle einmal gedacht waren, bis zum großen Lapsus. Wir haben doch Heilige so gerne, die "welche von uns" sind - nun, hier ist Maria, die die "Einzige von uns" ist.

Immaculata

Und immer, Mutter,
im Schatten Deines Mantels
im Schimmer der zwölf Sterne,
nie mehr auf der Flucht vor der
Schlange, die feststeckt unter
Deiner Ferse. "Faire face" - sagen
die Franzosen. Mit Dir, Mutter,
bietet sich gut Stirn.

Gratias Uno, Triuno Deo.

Und ewig regen sich die Stimmen ...

Irgendwie tröstlich, daß es inmitten des dauernden und immer schnelleren Wandels, der uns oft! so oft! überfordert und an die Grenzen unserer Aufnahmefähigkeit treibt, daß es in einer Zeit, in der sich die Subjekte postmodern in disparate Vektorenbündel (Hey, wie unverständlich ist das!) auflösen, pardon: transformieren, daß es also gerade und ausgerechnet jetzt KONSTANTEN gibt. Menschen, die sich gleich bleiben, die sich einen feuchten Kehricht scheren um alle Veränderung - und tun, was sie immer getan haben.

Wo sonst gibt es solche heute noch als in der Heimat von Eiger, Mönch und Heidi?

"Der 54-jährige Abt Marian Eleganti wurde an diesem Montag von Papst Benedikt XVI. in das Amt erhoben. Der Name kursierte bereits vergangene Woche in den Schweizer Medien. Der Churer Bischof Vitus Huonder hatte schon vor der offiziellen Bekanntgabe den Verantwortlichen der Zürcher Kantonalkirche mitgeteilt, wer der neue Weihbischof sei. Daraufhin regten sich kritische Stimmen: Eleganti stamme nicht aus dem Kanton Zürich und gelte als zu konservativ, hieß es." (Radio Vatican)

6. Dezember 2009

Kindheitsadvent

"Was war für Euch das Prägende an der Adventszeit, als Ihr noch kleiner wart?" fragt Alipius. Und gerne machen wir am Adventsonntagmorgen ein wenig Biographie- und Erinnerungsarbeit...

Als Erstes, Allererstes kommt mir unser Adventkalender in den Sinn: eine Art Triptychon mit 25 Türchen, hinter denen sich jeweils ein Bild aus der alttestamentlichen Heilsgeschichte und der unmittelbaren Vorgeschichte Jesu verbarg. Dazu kam ein Vorleseheft mit der jeweiligen Episode zu Adam, Eva, Noah, Abraham, Moses, David, dem einen oder anderen Propheten, Zacharias, Elisabeth, Johannes und natürlich Maria. Das ganze stammte vom Bonifatiuswerk oder einer ähnlichen Institution und war in gedämpften Farben gehalten - wie sich überhaupt die Adventzeit damals nicht durch Lichterglanz auszeichnete. Die erste Kerze am Adventkranz in der dunklen Küche, und von draußen blinkte und blitzte nichts entgegen, das war Stimmung pur, was wir damals aber nicht wussten in unserer ersten Naivität, das war auch Erwartung pur. Vom "Licht", das die "Dunkelheit" "durchbricht", war damals nicht groß die Rede, viel weniger als heute. Dafür aber von Menschen, deren Leben mehr war als die 80 oder (bei den Patriarchen) 180 abgezählten Jahre, deren Leben vorausgriff auf die Erfüllung.

Ja, der Adventkranz: Selbstgebunden von der Mutter, mit roten Kerzen und roten Bändern, die über Kreuz liefen und für die luftige, schwankende Verankerung im - ebenfalls rot lackierten - Halter sorgten. Weitere Deko: keine.

In einer der ersten Adventwochen war Christstollen-Backtag: Der Teig für fünf oder sechs Stollen wurde bereitet, die Stollen geformt und auf ein Blech gesetzt, das dann zum Bäcker getragen oder - in guten Jahren - auf dem Schlitten dorthin gezogen wurde. Daß der schwere, hölzerne Handwagen eingesetzt wurde, daran kann ich mich nicht erinnern. Mittags holten wir die gebackenen Stollen wieder ab, daheim wurden sie in Pergament eingeschlagen und auf dem Kleiderschrank im ungeheizten Elternschlafzimmer eingelagert.

5. Dezember 2009

Liebes- und Kirchenroman


Ich sag's gleich vorab: "Imma" von Theo Stock (350 S., 27,80 €, ISBN 978-3-629-11209-5) ist das Buch, das ich gerne selber geschrieben hätte. Zu spät...

Der BWL-Student Chris kehrt mit Liebeskummer und gebrochenem Herzen für die Semesterferien in seinen Heimatort Orenbach zurück und begegnet nicht nur seiner Vergangenheit, sondern der 15 Jahre älteren, allein erziehenden, attraktiven Karen - was da recht harmlos als Liebesgeschichte beginnt, entwickelt sich schnell zu einer Bestandsaufnahme einer deutschen Provinzkindheit in den 90er Jahren - und zu einer Momentaufnahme der gleichen Provinz gute 20 Jahre später.

So weit, so gut und nicht weiter bemerkenswert. Denn - und hier wird es für diesen Blog interessant - Chris sucht nicht nur eine Frau für ein paar Stunden oder fürs Leben, sondern es brechen Fragen auf, die er spätestens mit seinem Kirchenaustritt bei Volljährigkeit beantwortet glaubte. Sein frommes, kirchlich engagiertes Elternhaus hat freilich alles andere zu tun als mit ihm über Gott, Welt, Glaube, Liebe zu diskutieren, und der Ortspfarrer, an den er sich in einer denkwürdigen Nachtszene wendet, noch weniger: Der sitzt nämlich auf gepackten Koffern und räumt den Platz für seinen ungeliebten Nachfolger. An dem wiederum haben sich die Emotionen entzündet und Orenbach gleicht einem Pulverfass: All die harmlosen, kleinbürgerlichen Christen sind bereit, auf ein verkehrtes Wort hin zu verbalen Waffen zu greifen und Intrigen zu spinnen, die bis ins erzbischöfliche Ordinariat und die Berliner Nuntiatur reichen.

Da steht er also, der junge Mann mit seinen existentiellen Fragen und einer neuen, nicht ganz hoffnungsvollen Liebe, der Idealfall eines Konvertiten quasi - und keinen kümmert's. "Danke sagen, das wär's jetzt!", aber da gibt es nichts zu danken: "Und die Tante schimpfte weiter auf den neuen Priester und auf seine Predigt. 'Wir sind auch nicht auf der Wassersuppe daher geschwommen, haben alles selber aufgebaut. Kollekte jeden Sonntag, Kirchgeld, von Oma 100 Mark, kurz vorm Tod. Und jetzt schicken die in X. uns den Neuen da. Will uns sagen, wo's lang geht, was wir glauben sollen. Alles wär verkehrt, die Prio-, also das, was wichtig wär, wär was anderes."

Kirche als Wirkstätte deutscher Heimwerker, das karikiert Stock sehr treffend, ohne in Klischees zu fallen: Denn auch der "Neue" tappt in die Falle, fährt zweigleisig: Der theologisch sauberen Predigt über die drei Stufen der Demut treten die eigenen Prioritäten auf die Fersen. Kirchenreform auf eigene Faust, die dreinschlägt und säubert, bis sich keine Widerrede mehr regt.

Stock hört auf, bevor es ein Happy-End für Chris gibt, und wie es in Orenbach weitergeht, bleibt offen. Doch das Brötchen, das Chris vor die Füße kugelt, als eine alte Betschwester auf der untersten Stufe der regennassen Kirchentreppe stürzt - es lässt hoffen.

Das Subjekt in der Liturgie

Catherine Pickstock: Asyndeton: Syntax and Insanity. A Study of the Revision of the Nicene Creed.- Modern Theology 1994; 10 (4): 326:

"Performativity in liturgy operates not according to the self-present subject's full command of the action, but rather according to his submission to a narrative mode of knowledge (to use Lyotard's term), in which that which he knows and does is subordinate to that which passes through him, beyond his analytical grasp."

["Performativität in der Liturgie wirkt nicht gemäß der vollen Herrschaft des sich-selbst-gegenwärtigen Subjekts über sein Tun, sondern gemäß seiner Unterwerfung unter eine narrative Art des Wissens (um Lyotards Begriff zu gebrauchen), in dem das, was es weiß und tut, dem untergeordnet ist, was es durchströmt, und zwar jenseits seines analytischen Zugriffs."]

4. Dezember 2009

Wellness by Kumbayah

Die nächste Welle: Gospel Aerobics. Irgendwie folgerichtig auf dem slippery slope, oder?



(via Ironic Catholic)

Schnelldurchlauf


Mehr Widerstand als andere im Nest

Weihbischof Laun weist bei kath.net wieder einmal darauf hin, daß die Kirche ein "Widerstandsnest" gegen die Nazis war.

Nicht ganz zu Unrecht, aber man sollte gleichzeitig dazu denken: Manche in der Kirche waren widerständiger als andere. Widerstand und Martyrium ist nicht jedermanns Sache, war es nie. Manche wurde schnell mürbe, manche kamen (und kommen) schon mürbe zur Welt und blieben es, trotz Taufe, Erstkommunion, Firmung, Priesterweihe etc...

Fritz Michael Gerlich, auf den der Bischof hinweist, war jedenfalls einer, der bis ans Ende ging und nicht weich wurde. Vielleicht hätte er auch durchgehalten, wenn er nicht katholisch geworden wäre; wer weiß? So aber dürfen wir ihn - imho - unter die großen Märtyrer des 20. Jahrhunderts zählen. Auf ihn gehört haben damals zu wenige.

Die von Bischof Laun erwähnte Biographie "Tödliche Schlagzeilen: Fritz Michael Gerlich, ein Journalist gegen Hitler" von Ovidio Dallera und Ilsemarie Brandmair, erschienen 2009 beim St. Michaelsbund, bietet eine erste Übersicht über Gerlichs Kampf und bietet für den in der jüngsten deutschen Geschichte weniger Bewanderten genug zeitgeschichtlichen Hintergrund, um den Helden zu verstehen. Gerlichs Leben, auch sein inneres Leben, außerhalb seines Kampfes gegen Hitler und die Nazis wird vergleichsweise kurz abgehandelt. Hier gibt es für die Historiker noch einiges zu tun. Vielleicht erleben wir doch noch irgendwann die ausführliche, umfassende, wissenschaftlich gearbeitete Biographie Gerlichs.

Wer einen Geschmack für Gerlichs Mittel bekommen will, kann ja, der Bayerischen Staatsbibliothek sei Dank, seinen "Geraden Weg" am Bildschirm in aller Ausführlichkeit lesen. Für den Anfang empfehlen wir die Titelseite der Ausgabe vom 17. Juli 1932: "Hat Hitler Mongolenblut? - Eine rassewissenschaftliche Untersuchung über den Erwecker der nordischen Seele".

(Eher religionsgeschichtlich interessant ist dagegen der aus der NS-Presse übernommene Artikel über den "Hausaltar des Nationalsozialisten" in der Ausgabe vom 14. Februar, den Gerlich lakonisch mit "Der Gipfel der Verrücktheit" kommentierte.

3. Dezember 2009

"Ich bin ein Administrator!"

Der Blog "Theological German" bringt unseren englisch-sprachigen Freunden deutsche Theologie und Theologendeutsch näher, bevorzugt mit evangelischer Theologie, sprachlich nicht unbedingt die schlechteste Wahl.

Die Passage in einem der jüngsten Postings dort stammt von Karl Barth, ist schon etwas älter und immer noch aktuell, auch diesseits des konfessionellen Grabens:

"Es ist immer ein bedenkliches Phänomen, wenn man etwa leitende Kirchenmänner (mit oder ohne Bischofskreuz) oder auch gewisse feurige Evangelisten oder Prediger oder gut meinende Kämpfer für dieses oder jenes praktische christliche Anliegen wohlgemut und wohl auch ein bisschen wegwerfend versichern hört, Theologie sei nun eben nicht ihre Sache: I am not a theologian, I am an administrator! Und eben so schlimm ist die Tatsache, dass nicht wenige Pfarrer, nach ihren Studienjahren in die Routine des praktischen Dienstes übergegangen, der Meinung zu sein scheinen, sie dürften die Theologie als eine für sie erledigte Bemühung hinter sich lassen wie der Schmetterling seine Raupengestalt."

2. Dezember 2009

Prioritäten eines konservativen Neu-Frankfurters

Der neue Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz im FAZ-Interview:

"Sie gelten gemeinhin als „konservativ“. Was verbinden Sie denn mit diesem Begriff?

Ich habe schon lange aufgehört, mir über Fremdzuschreibungen Gedanken zu machen oder sie zu interpretieren. Ich selbst verstehe mich insofern als konservativ, als dass ich die orthodoxe Lehre der Kirche interessant finde und ihr anhänge. Allein mit ihr können wir auch missionarisch tätig sein. Aber ich bin alles andere als strukturkonservativ. Oder, um ein anderes Wortpaar zu nehmen: Ich bin altkonservativ, nicht neokonservativ. Veränderungen in großen Organisationen lassen sich übrigens am besten vornehmen, wenn Konservative an deren Spitze stehen.

(...)

Wenn Sie dann in Frankfurt sind – wem möchten Sie Ihren ersten Antrittsbesuch abstatten?

Zuerst werde ich vom Dompfarrhaus zur Muttergottes in die Leonhardskirche gehen, bevor sie geschlossen wird. Von Maria erbitte ich Schutz und Hilfe für die neue Aufgabe. Welchen Amtsträgern in Kirche und Politik ich dann noch Antrittsbesuche machen werde, wird sich zeigen."

1. Dezember 2009

Lange nichts mehr gehört ...

... von Clemens Bittlinger. Was verständlich ist. Denn 1. hat er in den letzten Monaten antipapistische Fettnäpfchen vermieden und 2. hat er ja auch noch einen Beruf.

Gerade jetzt, in der Advents-/Vorweihnachts-/Weihnachtszeit sind sie quer durch die Republik gefragt, die wenigen christlichen Liedermacher, die es noch gibt. Sie sind beschäftigt, uns allen zu Minuten und Stunden der Stille zu verhelfen zwischen Girlanden, Tannengrün und Steadtzentrumsilluminiationen, gehen den schmalen, ach! allzu schmalen Grat zwischen Kommerz und Kultur, zwischen begütigendem Trost für weltoffene Christen und leicht verstörenden Anklängen an den heuschreckenessenden Sänger und Mahner in der Wüste. Schwierige und erfüllte Zeiten, auch und gerade für sie, die religiösen Barden.

Und wenn es noch einer wie Clemens Bittlinger ist, dann greifen die Ambitionen ganz hoch:

"Begleitet von einer fantastischen Band (...) will Bittlinger mit den Konzerten einen entscheidenden Beitrag im Sinne christlicher Verbundenheit und Zusammenarbeit leisten."

Und greifen nicht ins Leere, sondern werden belohnt mit der Rolle des "Kirchentags-Hauptinterpret[en]":

"Als Kirchentags-Hauptinterpret stellt Bittlinger auch das Mottolied des Ökumenischen Kirchentages in München 2010 vor: 'Damit ihr Hoffnung habt.'" (Beide Zitate aus dem morgenweb)

Schön!