Für die einen hat Jesus Christus die Kirche gegründet - im Abendmahlsaal, am Kreuz, an Pfingsten, when ever - und die lebte durch alles Auf und Ab glorreich weiter bis in die 60er Jahre, erkrankte auf dem Konzil, durch das Konzil und verschied spätestens mit der Neuen Messe. Lediglich in der Priesterbruderschaft St. Pius X. gibt es noch einen kleinen, heiligen Rest. Rom dagegen ist die Hure Babylon, die sich mit dem Modernismus ins Bett legt, auch wenn sie gelegentlich verführerisch in Richtung der Piusbrüder zwinkert.
Für die anderen hat Jesus Christus die Kirche gegründet - nicht direkt im Abendmahlsaal, auch nicht direkt am Kreuz oder Pfingsten, aber wenigstens implizit und intentional -, die aber holte sich unterwegs hellenistische, konstantinische, tridentinische und andere Krankheitsheitskeime, verstarb irgendwann unterwegs, um frühestens mit Johannes XXIII., spätestens mit dem Konzilsende glorreich wieder aufzuerstehen. Doch momentan herrscht in Rom wieder die Hure Babylon, die nekrophil mit der verschrumpelten Mumie flirtet, um sich schließlich mit ihr ins Bett zu legen.
Gegen diese doppelte Hermeneutik des Bruchs setzt Papst Benedikt seine Hermeneutik der Kontinuität und der Reform, die das Weltbild der einen wie der anderen radikal bedroht. Weder war die Kirche vor 1965 tot, noch starb sie in jenem Jahr. Sehr wohl haben der Papst, die Kirche, alle in ihr die "Pflicht (...), dieses kostbare Gut zu hüten, so als interessierte uns nur das Altehrwürdige an ihm, sondern auch, uns mit eifrigem Willen und ohne Furcht dem Werk zu widmen, das unsere Zeit von uns verlangt… Es ist notwendig, die unumstößliche und unveränderliche Lehre, die treu geachtet werden muß, zu vertiefen und sie so zu formulieren, daß sie den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. Eine Sache sind nämlich die Glaubensinhalte, also die in unserer ehrwürdigen Lehre enthaltenen Wahrheiten, eine andere Sache ist die Art, wie sie formuliert werden, wobei ihr Sinn und ihre Tragweite erhalten bleiben müssen."
Der einschlägige Text hierzu ist Pflichtlektüre, wird aber gerne von allen interessierten Seiten - den Piusbrüdern, den Tübingern und erst recht von den externen Beobachtern in den Redaktionen und Nachrichtenagenturen - ignoriert.
Die Hermeneutiker der glorreichen Auferstehung verschweigen aktuell , daß Rom sie nie exkommuniziert hat und daß sie im Gegenteil - mindestens in unseren Breiten - den intellektuellen und materiellen Zugriff auf den kirchlichen Mittelbau haben, und schreien Zeter und Mordio: "Verrat am Konzil! Verrat an der Auferstehung der Kirche! Verrat am Allerheiligsten!"
Die Hermeneutiker des schmählichen Todes waren kurz in der Defensive: Wie reagieren auf diesen großmütigen, riskanten Akt des Papstes, auf dieses Entgegenkommen? Festhalten an der Verdammung des Konzils oder doch zugeben, daß nachkonziliar zwar vieles im Argen liegen, es vielleicht auch mal nach dem "Rauch des Satans" (Paul VI.) riecht, die Kirche aber lebt in jedem ihrer Glieder, in ihrer Treue zur "unumstößlichen und unveränderlichen Lehre" (Johannes XXIII.) und daß es ein Fehler, eine Sünde war, geboren aus Hartnäckigkeit, Stolz, Unglauben, den Weg hinaus zu gehen, bis JPII nur noch festzustellen blieb: Jetzt seid Ihr jenseits des Tibers. Vielleicht, hoffentlich hätten sie sich durchringen können zu einem Ja zum Konzil und zu einer Hermeneutik der Reform und Kontinuität, ein bedingteres Ja vielleicht als das der Linkshermeneutiker (die zwischen Geist und Buchstaben des Konzils säuberlich und radikal trennen).
Vielleicht, hoffentlich kommt es noch, doch in der Defensive sind sie nicht mehr: Der großmütige, demütige Benedikt XVI. wird von der anderen Seite übel beschossen, nach eigenem Leichtsinn in den Zweifrontenkrieg gezwungen. Vielleicht kann man ihn jetzt endgültig erledigen, lächerlich machen? Bei manchen Reaktionen - und es werden noch mehr werden in dieser Woche, no doubt about it - beschleicht mich das Gefühl, daß manche jetzt die Stunde der Rache gekommen sehen, die Rache für jenen Apriltag 2005, für jenes letzte Habemus Papam, für die Erniedrigung, dem Papst gewordenen Panzerkardinal, dem ex-Tübinger Renegaten den Ehrendoktorhut zuerkennen und den Ring küssen zu müssen.
Lassen wir uns vom Pulverdampf nicht die Hirne vernebeln, nicht vorlügen, daß Benedikt XVI. das Konzil verrate. Noch läuft das Experiment mit der Hypothese, daß die Una Sancta Catholica, die Kirche des Here-Comes- Everybody-including- myself groß genug sei, außer den Linkshermeneutikern des Bruchs (von denen, wie gesagt, keiner je exkommuniziert wurde) auch die Rechtshermeneutiker des Bruchs zu umfassen. Momentan scheint es nicht ganz, daß es glückt, daß sich die Hypothese beweisen ließe, aber dieser Weg wird ein weiter sein. Beten wir um den langen GEistesatem.
(Daß in der Versuchsanlage einiges mißglückt ist, auch und gerade weil man hoffte, es gelingt, ist imho unbestreitbar. Auch wird man damit rechnen müssen, daß es länger dauert, eine Zeitlang auszusetzen sein wird oder nicht zu 100 % glückt; nicht alle scheinen erreichbar und belehrbar durch einen demütigen Papst.)
1. Februar 2009
Die doppelte Hermeneutik des Bruchs
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3 Kommentare:
"Stunde der Rache" für die "Erniedrigung..., den Ring küssen zu müssen", "endgültig erledigen" - das sind starke Worte, die fast so etwas wie Triumphgefühle unterstellen. So erlebe ich die Reaktionen nicht. Sie bedauern und hätten es sich anders gewünscht, ja sicher. Und sie befürchten das Eine oder das Andere. Sie möchten warnen, bedrohte Brücken stützen, in Gefahr Geratenes retten. Ich empfinde überall ein Gefühl von "harten Zeiten". Und das "Unglückliche" und "Schlampige", das dem Experiment nun schon fast offiziell anhaftet, macht aktuell doch zu sehr zu schaffen, um es in Klammern zu setzen. Auch wenn es -Gott sei Dank! - nicht das letzte Wort dieser Geschichte bleiben wird.
Ohne das Wort von der "doppelten Hermeneutik des Bruches" ist die Entwicklung der Kirche in den letzten Jahrzehnten nicht zu verstehen. Es steht uns gut an, sich damit auseinanderzusetzen und für die Einheit der Kirche zu beten.
Ganz Tübingen ist häretisch. Ganz Tübingen? Nein, eine kleine....
Immerhin haben drei Professoren die Tübinger Erklärung nicht unterschreiben. Und die Stimmungen unter den Studenten ist zwar mehrheitlich pro-Tübingen, allerdings keineswegs einheitlich.
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