Seit einigen Wochen lese ich René Girards Buch "Achever Clausewitz" (Clausewitz vollenden) und bin fasziniert. Girard hat etwas Monomanisches an sich, und hier noch mehr als sonst, wo er sich, nur mit seiner mimetischen Theorie (hier der Wikipedia-Eintrag als Vorgeschmack) bewaffnet , daran macht, Clausewitz' "Über den Krieg" zu lesen, die deutsch-französischen Beziehungen seit Napoleon und die Entwicklung des modernen Krieges von den napoleonischen Rußlandfeldzügen bis zu den Selbstmordattentätern zu analysieren, den beinahe-Katholiken Hölderlin in seinem Turm zu verstehen und uns vor der Apokalypse zu warnen, die wir uns selbst bereiten.
Ziemlich abenteuerliche Lektüre, und wahrscheinlich hilft mir mein schlechtes Französisch, nicht alles genau zu verstehen. Und trotzdem spannend und trotzdem mit Einsichten, bei denen ich armer Tropf sage: "Ja, so könnte es sein."
Was ich vorher nicht gelesen habe:
Joe Carter: How to Read Girard (First Thoughts)
"Christianity Will Be Victorious, But Only In Defeat": An Interview with René Girard (On the Square)
René Girard: Apocalypse Now (First Things Aug/Sep 2009)
6. August 2009
Vorbereitung auf die Apokalypse
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6 Kommentare:
Kenne nur Girards "Ich sah den Satan...", der mimetischen Theorie kann ich einiges abgewinnen, wenn sie auch, was das "Opfer" angeht, mir verkürzt scheint: Durch den Kreuzestod Christi werden die Opfer ersetzt, nicht aber das Opfer an sich abgeschafft - sonst würden Katholiken ja nicht das Hl. Meßopfer feiern bzw. damit ja völlig den Sinn des Kreuzestodes verfehlen...
Hölderlin als beinahe-Katholik? Das ist interessant! Ich dachte eher beinahe-Heide...
Christian
Der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke zitiert Girard häufig in Bezug auf den Sühnetod Jesu.
Sicherlich hochinteressant!
@Christian: Wir feiern aber ja keine neuen Opfer, sondern das eine, letzte, abschließende, weltwendende Opfer Christi. Von daher kann man schon sagen: Das Opfer wird ersetzt (ich weiß nicht, ob RG das so sagt...). Unsere Opfer finden "im" Opfer Christi statt, wenn man so will, und stehen daher nicht irgendwie linear in einer Reihe mit vor- und außerchristlichen Opfern, schon gar nicht so, daß wir ritualisiert den Stellvertreter in die Wüste jagen.
RG zitiert Hölderlin aus seiner Turmzeit mit "Je suis précisément sur le point de me faire catholique - Ich bin genau an dem Punkt, katholisch zu werden."
@Stanislaus: HU von Balthasar widmet Girard in der Theodramatik, Teil III, gute 10 Seiten, und stellt fest: "G.s Entwurf ist sicherlich der dramatischste, der heute in der Soteriologie, überhaupt in der Theologie begegnet. Er läßt die Weltgeschichte und all in ihr verwirklchten Werte auf einer erschlossenen Urtragödie aufruhen und in der Tragödie der Verwerfung Christi ihren Höhepunkt und zugleich ihre Peripetie finden." (S. 277)
Der verstorbene Raymund Schwager sj hat RG theologisch-soteriologisch weitergeführt und, wenn ich das richtig sehe, wird in Innsbruck auch nach Schwager in derselben Linie weitergearbeitet.
Girard ist übrigens ein "Anhänger" der außerordentlichen Meßform ("Je suis traditionnel sur le plan des rites. Vatican II a eu sur moi l'effet d'une douche froide ! - Ich bin traditionell, was den Ritus angeht. Das Vatikanum II hatte auf mich die Wirkung einer kalten Dusche."), was ihn nicht hinderte, den Aufruf gegen den "Negationismus in der katholischen Kirche" mit zu unterzeichnen.
a) Zu Girards Opfertheorie müsste ich jetzt weiter ausholen; instruktiv scheint mir ein Aufsatz von Jörg Splett: http://www.sankt-georgen.de/leseraum/splett5.pdf.
b)Das Hölderlin-Zitat hat mich jetzt richtig neugierig gemacht. Nennt Girard eine Quelle? Neulich erst habe ich entdeckt, dass einer meiner Lieblingslyriker - Wallace Stevens - quasi auf dem Totenbett katholisch geworden ist; das hat mich überrascht und gefreut.
Christian
Ich gebe Dir die ganze Fußnote 74 (auf S. 229):
Pierre-Jean Jouve: Poèmes de la folie de Hölderlin, Gallimard, 1963, p. 130. Cité dans le très bel article de Jean-Michel Garrigues, "Du 'Dieu présent' à 'Dieu plus médiat d'un Apôtre'" in Hölderlin, Cahiers de l'Herne, op. cit., p. 373. Ce dernier article inspire en partie les présentes analyses.
Das Erscheinungsjahr des Hölderlinbuches mit dem Aufsatz von Garrigues ist 1989.
Die Konversion von Stevens hatte ich durch einen Merkur-Artikel entdeckt
Girard Anhänger der "alten" Messe? Wunderbar (wenn auch kaum erstaunlich... der Mann ist schließlich klug!).
Gibt es neues von Mosebach??
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