Kaffee hat Heilsbringerqualitäten - mindestens für manche von uns: "Ohne Kaffee bin ich nur ein halber Mensch", "Ohne Kaffee kann ich nicht leben", "Alles würde ich geben für eine gute Tasse Kaffee" oder "Jetzt, nach diesem Espresso fühle ich mich wie ein neuer Mensch."
Da ist es nur konsequent, wenn Kaffeefirmen unsere beiläufigen Äußerungen explizit aufgreifen:
Andere scheinen gar auf christliche Ikonographie zurückzugreifen:
Sage keiner, daß es "eigentlich" nicht um den Gekreuzigten handelt, sondern um die perfekte, tänzerische Balance:
Es brauchte nicht erst ein amerikanisches "Neues Geistliches Lied", um den Greuzigten als "Lord of the Dance" zu besingen. Schon im "Hymnus Christi", Kap. 94-97 der frühchristlichen Johannesakten, wird der HErr als Tanzmeister dargestellt, der die Seinen zum Tanz auffordert:
"Flöten will ich, und ihr sollt alle tanzen...
Wer nicht tanzt, weiß nicht, was geschieht ...
Wenn du meinem
Chortanz folgst,
dann sprichst du
mit mir, in meiner Kraft...
Wenn du tanzt,
dann schau, wie ich tanze."
(Übs. K. Berger/Chr. Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften.- Frankfurt: Insel, 2005, S. 1390-4))
Allerdings - und damit nehmen wir Abschied von Jacobs Balance wie auch von einer oberflächlichen Interpretation des göttlichen Tanzes: In den Johannes-Akten geht es nicht um entspannende Momente oder um innerseelisches Gleichgewicht oder um ganzheitliches Menschsein in der Nachahmung eines gottmenschlichen Archetyps, sondern um "Einsicht in das Leiden Christi und ... zugleich [um] Teilhabe an ihm"(Berger/Nord, S. 1389).
Ob da am Ende dieser imitatio Christi und zwar hienieden noch die Wiedergewinnung der in Eden zerbrochenen Einheit und Ganzheit steht?
Mindestens Flannery O'Connor, transatlantische Kirchenlehrerin ("I think she should be canonized. She is a bit rough around the edges, but what saint isn't?" schrieb mir ein ebenfalls transatlantischer, nicht-katholischer Mitchrist kürzlich), sieht das anders. "Jesus thrown everything off balance. - Er brachte alles aus dem Gleichgewicht" lässt sie den "Misfit" in der Kurzgeschichte "Ein guter Mensch ist schwer zu finden" sagen.
Menschen finden bei Ihm Heilung, sie gehen getröstet davon oder auch tausenderweise mit vollem Magen. Doch daß sie außer der Mitte ihres Lebens, der Mitte des Kosmos und des Heilands aller Welt auch ihre eigene Mitte oder psychische Balance finden - und zwar außerhalb des Moments der Hingabe, am besten noch im Stil der "17 Tipps zur seelischen Ausgeglichenheit"?
Ich bin mir da nicht so sicher. Nicht hienieden, wie gesagt.
2. August 2009
Randbemerkungen zum Gleichgewicht
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2 Kommentare:
Hm, das Bild auf der Verpackung zeigt ja eigentlich eine Figur des Hatha Yoga (Vrksasana). Auf den Gekreuzigten wäre ich ehrlich gesagt jetzt nicht gekommen...
Ich bin, was Yoga angeht, nicht vorbelastet. Vielleicht hatte ich deshalb nur die andere Assoziation.
Viele Grüße - ich hoffe, es geht Dir gut!
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