2. August 2009

"Der Nationalsozialismus ist eine Pest"

Über einen Hinweis bei netbib und einige Zwischenstationen bin ich heute auf den "Geraden Weg" gestoßen, eine politische Wochenzeitung, die der Katholik (und Konvertit) Fritz Michael Gerlich von 1931 - 1933 in München herausgab und die nicht nur bei der Bayerischen Staatsbibliothek voll digitalisiert vorliegt, sondern auch auf einer Site, die ganz dem Andenken Fritz Gerlichs gewidmet ist.

"Sie publizierte mit die eindringlichsten, christlich begründeten Warnungen vor dem Nationalsozialismus", schreibt die BSB.

Am 1. Februar 1933, zwei Tage nach der Machtergreifung, schreibt Gerlich auf der Titelseite unter der Überschrift "Deutschland Leidensweg":



Fritz Gerlich wurde am 9. März 1933, jenem Tag, an dem Nazis auch in Bayern die Macht ergriffen, verhaftet, in "Schutzhaft" genommen, mißhandelt, verhört, gefoltert.

Manfred Berger schreibt in seinem Artikel für das "Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon" über Gerlichs letzte Monate:

Die Zeitschrift "Der gerade Weg", die zuletzt zweimal pro Woche ihre Leserschaft erreichte, wurde als eine der ersten sofort verboten. Die letzte Ausgabe erschien am 8. März 1933. Am darauf folgenden Tag, als die Nazis auch in Bayern die Macht ergriffen, stürmten Schläger der SA die Redaktion, zerstörten das gesamte Inventar und entrissen G.s letzte Enthüllungsgeschichte aus den Druckpressen: - "Der Inhalt der beabsichtigten Enthüllungen - einige meinten, sie habe die Umstände des Todes von Hitlers Halbnichte Geli Raubal (die am 18. September 1931 mit Adolf Hitlers Pistole ihrem Leben ein Ende setzte; M. B.) in seiner Wohnung betroffen, andere sagten, es sei um die wahren Hintergründe des Reichstagsbrandes vom Februar 1933 oder um ausländische Geldgeber der Nationalsozialisten gegangen - ist für die Geschichte verloren" (Rosenbaum 1999, S. 30). - Nach dem Überfall wurde G. gegen Mitternacht in das Polizeigefängnis an der Ettstraße gebracht und ohne Gerichtsprozeß in "Schutzhaft" genommen. Er war der erste Schutzhäftling Münchens. Als solcher mußte er schwerste Mißhandlungen über sich ergehen lassen, die ihn jedoch in seiner Integrität und Noblesse nicht erschütterten. Eine von den Nazis geforderte Selbsttötung lehnte G. entschieden mit den Worten ab: - "Ich erschieße mich nicht. Ich bin Katholik" (zit. n. Lorant 1985, S. 101). - Während seiner Gefangenschaft zeigte er wahre übermenschliche Größe: "Dr. Gerlich war in der kleinsten und unbequemsten Zelle, der Zelle 35, untergebracht. Diese Zelle war unter den Häftlingen als der 'Kerker' verrufen. Nummer 35 liegt auf der Nordseite und hat nur ein kleines, schmales Fenster unter der Decke. Kaum je dringt ein Lichtstrahl in dieses Verlies. Mindestens dreimal mußte der Sonderhäftling Gerlich schlimme Mißhandlungen, ja Folterungen über sich ergehen lassen... Viele Gefolterte tragen einen unheilbaren Schaden davon. Bei Gerlich merkte man diesbezüglich wenig. Er erholte sich immer wieder relativ rasch von den Mißhandlungen und fand bald zu seiner seelischen Ruhe zurück. Ein Mitgefangener sagte über ihn: 'Wer sich diesen Kämpfer für die katholischen Grundsätze in der Gefangenschaft trübselig oder wehleidig vorstellt, irrt sich gar sehr. Gewiß! Dr. Gerlich empfand seine Gefangenschaft sehr bitter. Aber wer sich als katholisch bekannte, mußte nach seiner Meinung auch den Mut finden, die Folgen seiner Lebensauffassung auf sich zu nehmen und mit freudigem Herzen die Leiden ertragen...'Gerlichs Gelassenheit, sein Gottvertrauen und sein Humor fielen den Mitgefangenen auf. Ein Zellennachbar erlebte ihn als 'Mann des Gebetes und der Betrachtung'... Nie in seinem Leben vorher hatte Dr. Gerlich soviel Zeit, sich in die Heilige Schrift zu vertiefen wie jetzt. Er las und meditierte. Er verstand es - soweit man ihn in Ruhe ließ - , im Gefängnis wie in einem Kloster zu leben. All die Jahre, von seiner Stettiner Kindheit bis herauf in die Zeit seiner publizistischen Kämpfe gegen den Nationalsozialismus zogen an ihm vorüber und er konnte vieles innerlich bereinigen. Selbst gegen seine Peiniger empfand er keinen Haß mehr" (Niedermeier 1995, S. 84 f). - In Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" wurde der tiefgläubige katholische Journalist am 30. Juni 1934, gegen Mitternacht, von der Gestapo in das KZ Dachau verschleppt. Dort wurde er von Hitlers Schergen grausam geschändet und schließlich meuchlings durch Kopfschuß getötet. Die Morde dieser Tage wurden bereits am 3. Juli 1934 als "Staatsnotwehr" für rechtens erklärt."

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