14. März 2007

Ideale und nicht-so-ideale Liturgien

Eine Rezension der neuen Hanser-Ausgabe von Mosebachs "Häresie der Formlosigkeit": Wer kichert da in meiner Liturgie?. Einiges Bedenkenswerte, aber leider zieht Michael Gassmann nicht in Betracht, daß der reale Martin Mosebach - der ja selbst aktiv an Liturgien teilnimmt (partizipiert) - sich der Differenz zwischen idealer und praktischer Liturgie bewusst ist. Für den real existierenden Martin Mosebach, der mittwochs abends in St. Leonhard ministriert, gilt eben gerade nicht, daß er "die liturgische Praxis nur vor dem Hintergrund einer idealen, aus der träumerischen Lektüre alter Messbücher gewonnenen Liturgie zu betrachten in der Lage ist."

Gassmann übersieht, daß es gerade die Vorgaben und Rubriken der idealen Liturgie sind, die die Praxis der Liturgie beeinflussen: Es hängt eben nicht "alles ... vom Priester ab", sondern bestimmte Vorgaben und Rubriken verschärfen die Abhängigkeit noch - oder schaffen sie erst. Die Zelebration "versus populum" birgt Risiken, die es "ad orientem" nicht gibt; wer mit dem Friedensgruß vor dem Agnus Dei die Kongregation in emotionalen Aufruhr und freundliches Anlächeln versetzt, muß sich nicht wundern, wenn die Konzentration auf das Knacksen des gebrochenen Brotes - i.e. des Leibes des gekreuzigten HErrn - verloren geht. Zum Beispiel mal so.

4 Kommentare:

FingO hat gesagt…

Stimme ich Dir eigentlich zu. Es muß ideale Vorstellungen der Liturgie geben, an denen sich die Realisation messen kann. Ich persönlich finde auch etwas albern, wenn man jeglichen Idealismus als unrealistisch einstuft; der Idealismus kann auch ein Maßstab für den Priester sein. Und wenn auch vieles vom Priester in der Feier der Liturgie abhängt, dann ist es gerade wichtig, daß es ein solches Ideal gibt, woran sich der Priester halten kann (bzw., wie ich finde, zu halten hat).
Nur daß ich die Risiken der Zelebration versus populum nicht sehe, aber na ja, ich bin halt ein zu eingefleischter Novus Ordo-Heini :)

Was jedoch den Freidensgruß betrifft, muß ich sagen, daß ich den vor einigen Jahren weitaus lieber gewonnen hab. Ich fand es bis dahin belastend und für meine "mystischen Erfahrungen" ( oh, sie belieben zu überteiben, Philipp) störend, irgendwelchen Leuten grinsend die Hand zu schütteln. Jedoch ist das Wesen des Christentums ja gerade nicht, daß wir allein um die Erlösung kämpfen. Wir sind Brüder und Schwestern im Glauben und gehen nicht allein in den Himmel! In der Hinsicht finde ich einen andächtigen Friedensgruß ein schönes, ja, sinnvolles Zeichen. Hier siehtm an dann ja auch die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität. Ideal wäre es, wenn man den beiden Personen, die in der Bank neben einem Stehen, die Hand reichen würde, Real beugen sich die Leute zu allen Personen drei Bänke vor und hinter einem selbst, so daß man sich dann schon denkt "TUMULT!". Da sollte man ein liturgisches Bewußtsein den Leuten anerziehen.

Ich persönlich finde aber ein Problem weitaus schwerwiegender als diese beiden, nämlich die Unsitte, zu Kindergottesdiensten immer wieder bei den Einsetzungsworten die Kinder um den Altar zu versammeln. Ja, klar, "Lasset die Kinder zu mir kommen" etc. pp., aber das sagte Jesus doch weder beim Abendmahl noch am Kreuz! Wenn, dann sollte man meinetwegen bei der Homilie die Kinder um die Kanzel versammeln, das würde diesem Herrenwort weitaus mehr gerecht. Wobei ich aber auch sagen muß, daß ich schon mal gehört habe, daß sich die Kinder dahingehend auch gezwungen fühlen können. Einige Kinder sind halt am Sonntag vormittags eher müde und finden es weitaus bequemer, hinten in der Bank zu sitzen, anderen ist es eher unangenehm, so weit vorne zu sein.

Anonym hat gesagt…

Was den Friedensgruß angeht: es war gut ihn wieder aus der versenkung zu holen, aber ob man ihn an die richtige Stelle gesetzt ist die Frage. Eine Freundin (auch Katholikin, aber ein gutes Stück liberaler) hat mir gegenüber den Friedensgruß mit dem Herrenwort "Versöhne dich mit deinem Bruder und dann bringe dein Opfer dar" begründet. Wenn dem so ist (und ich kann dem was abgewinnen), wäre er aber eben vor der Gabenbereitung besser plaziert.

Scipio hat gesagt…

@ Phils Friedensgruß: Ich denke, dieser "Tumult" liegt ganz zentral daran, daß keiner mehr symbolhaft denkt/lebt/feiert: In den zwei Händen, die ich Unbeteiligten schüttle, reiche ich, wenn ich es denn will, auch meinem Intimfeind oder Intimlangweiler oder Intimekel die Hand. Das muß ich nicht real tun, wenn es sich nicht ergibt.
Weil bei uns sich mal einer beklagte: "Wieso Frieden und Versöhnung? Ich hab doch gar nichts gegen meinen Banknachbarn!", hat sich der Pfarrer umgestellt: Gebt Euch ein Zeichen des Friedens, der Gemeinschaft, der Versöhnung, der Liebe, der Freundschaft - in freier Kombination.

@ fra-amb: Damit sind Du und Deine Freundschaft in guter Gesellschaft, denn es schreibt BXVI.: "(150) Unter Berücksichtigung der alten und ehrwürdigen Gepflogenheiten und der von den Synodenvätern ausgedrückten Wünsche habe ich die zuständigen Dikasterien aufgefordert, die Möglichkeit zu untersuchen, den Friedensgruß auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen, zum Beispiel vor den Gabengang. Eine solche Wahl wäre zudem mit Sicherheit ein bedeutungsvoller Hinweis auf die Mahnung des Herrn, daß jedem Opfer notwendig die Versöhnung vorausgehen muß (vgl. Mt 5,23f)" (Sacramentum Caritatis, Anm. 150)

FingO hat gesagt…

Und in dreißig, vierzig Jahren würde ein Mosebach der II. bedauern, daß willentlich in die Liturgie eingegriffen wurde und der (ihm) liebgewonne Friedensgruß vor dem Agnus Dei an eine andere Stelle verschoben wurde...


Meinetwegen kann man es machen. Aber ob dadurch viel gewonnen wäre? Ich weiß wirklich nicht. Das liturgische Bewußtsein mancher Leute muß mehr reifen, dann klappts auch mit dem Nachbarn (beim Händeschütteln)