19. März 2008

Stammzellendebatte - den MdBs schreiben

P. Engelbert Recktenwald hat in seinem Portal zur katholischen Geisteswelt dankenswerterweise die im Bundestag zur Debatte stehenden vier Gesetzentwürfe zur Änderung des Stammzellengesetzes kurz referiert und ihre jeweiligen Unterstützer aufgelistet. (Wer detailliertere Info zu den Entwürfen sucht, findet sie hier.)

So hat jeder die Gelegenheit, seinem Abgeordneten seine vox populi mitzuteilen.

Wer die e-Mailadresse seines Abgeordneten noch nicht im Adressbuch hat, findet sie über den Deutschen Bundestag leicht heraus.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ach, leider, leider, scipio: Dieses "Schreiben Sie Ihrem Abgeordneten" funktioniert in Deutschland nicht so gut wie in den USA. :-(

Ich sage nicht, daß es gar nicht funktionierte... Aber richtig funktioniert es eben nur dort, wo es ein anständiges Mehrheitswahlrecht gibt.

Scipio hat gesagt…

Ja, Harki, das mag sein, aber ab und an kann man es wieder versuchen. Und wenn es nur klar macht, daß auch sichtbar ist - mehr als früher -, wie die Abgeordneten bei dem und jenem stimmen. Noch dazu wo sie es hier ohne Fraktionszwang tun können...

Anonym hat gesagt…

Kommt es mir nur so vor oder ist es so, dass unter den Unterstützern von c) die allermeisten Dr.s und Profs sind?

Scipio hat gesagt…

Ist mir jetzt, beim zweiten Blick, nicht so aufgefallen.

So viele Naturwissenschaftler hat es im Bundestag jedenfalls nicht; ich könnte mir vorstellen, daß die meisten der Dres. Juristen sind...

Anonym hat gesagt…

Anfang des Monats habe ich folgendes Schreiben verschickt:

Sehr geehrte Frau Rawert,

ich schreibe Ihnen als wahlberechtigter Bürger des Wahlkreises Tempelhof-Schöneberg, als dessen Abgeordnete Sie ein Mandat für die 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages innehaben, anlässlich der Debatte zur Änderung des Stammzellgesetzes.

Aus dem vom Deutschen Bundestag im Internet zur Verfügung stehenden Material erfuhr ich (Drucksache 16/7981), dass Sie einen Antrag unterstützen, der eine Änderung des Stammzellgesetzes beinhaltet, dahingegend, dass in § 4 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a die Angabe „1. Januar 2002“ durch die Angabe „1. Mai 2007“ ersetzt wird. Da das Stammzellgesetz grundsätzlich für die Einfuhr von embryonalen Stammzellen und für die Verwendung von embryonalen Stammzellen, die sich im Inland befinden, gilt, soll mit dieser Verschiebung des Stichtags die Zahl der für die Forschung zur Verfügung stehenden Embryonen erhöht werden. Ich darf daher annehmen, dass Sie grundsätzlich die Forschung mit embryonalen Stammzellen befürworten, denn wer mehr von einer Sache will, der will ja die Sache selbst überhaupt.

Ich bin sicher, dass Sie die Sachlage von allen Seiten erwogen haben und die Unterstützung des Antrag Ergebnis dieses Abwägungsprozesses ist. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass Sie die Argumentation hinter den anderen Anträgen kennen und sie für sich befriedigend widerlegen können, denn nur dann können Sie ja überhaupt eine eigene Position beziehen. Und schließlich bin ich mir sicher, dass für Sie als katholische Christin die Position der Kirche besonders schwer wiegt.

Freilich sind und bleiben Sie bei der Entscheidung in dieser Sache allein Ihrem Gewissen verpflichtet. Dabei kann Ihnen also letztlich niemand helfen. Ich bitte Sie jedoch, sich noch einmal die ein philosophisches und ein juristisches Argument zu vergegenwärtigen.

I.

Es gibt, philosophisch betrachtet, keinen sinnvolleren Ursprungszeitpunkt als den Ursprung selbst – und der liegt nun einmal in der Zeugung.

Alle anderen Zeitpunkte sind willkürliche Fristenlösungen, die auch anderes liegen könnten, ohne Verschlechterung der Argumentationslage. Das Problem ist nur, dass Fristenlösungen es leichter machen, über menschliches Leben zu verhandeln, da diesem die absolute Würde genommen und statt dessen ein relativer Wert beigemessen wird.

Wir wissen, dass der gerade gezeugte Mensch alles hat, was es braucht, um ein Mensch zu werden, und der Mensch hat alles, um Person zu werden. Dabei sagt das nicht nur die katholische Kirche, die Genforschung hat den Nachweis erbracht, dass bereits zum Zeitpunkt der Zeugung das gesamte Genmaterial vorliegt und sich dieses danach lediglich phänotypisch entfaltet. Diese wissenschaftliche Erkenntnis gibt der Kirche in ihrer Vermutung Recht: Der Mensch/die Person ist von Beginn an in potentia angelegt.

Daher sollten wir das menschliche Lebewesen von Anfang an zuerst und vor allem als eine „potentielle Person“ betrachten, die im moraltheoretischen Kontext wie eine Person zu behandeln ist. Also steht die Tatsache, dass das Leben der embryonalen Person beendet wird, gegen die vage Hoffnung, aus dieser Tötung medizinischen Nutzen zu ziehen, um künftig anderen Personen ihr Leben zu erhalten oder zu verbessern.

Das Problem liegt mithin im Vergleich des aktualen Status eines Embryos (als potentiellem Todesopfer der Stammzellforschung) mit dem aktualen Status eines Kranken (als potentiellem Nutznießer der Stammzellforschung) bei gleichzeitiger Ausblendung des potentiellen Vermögens, das menschliches Leben von der Empfängnis an in sich trägt. Abgesehen davon, dass Leben-gegen-Leben-Dilemmata eine ganz eigene Problemstellung mit sich führen, die gesinnungsethisch (Kirche) oder deontologisch (Kant) Unterlassungen gegenüber Handlungen grundsätzlich favorisiert, ist hier selbst bei Einlassung auf das konsequentialistische Argument die Sache eindeutig: der Tod des Embryos ist sicher, der Forschungserfolg nicht.

Ganz konkret: Es werden Menschen zum Mittel gemacht und getötet, um durch ihren Tod einen vagen Zweck zu erfüllen. Da werden Sie sagen: „Das war doch immer so!“ Sie haben Recht. Fragt sich nur: „Warum war es so?“ Und: „Soll es künftig weiterhin so sein?“

II.

Es gibt weiterhin ein juristisches Argument, das gegen jede Verwendung von Menschenleben zur Erfüllung bestimmter Zwecke spricht: Art. 1 GG, Abs. 1, Satz 1 („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“).

a) Dass die Tötung eines Menschen zum Zweck möglicher Fortschritte in der Forschung dessen „Würde“ verletzt, dürfte i. A. unstrittig sein.

b) Handelt sich aber bei dem, was das getötet wird, aus juristischer Sicht um einen „Menschen“? Was bedeutet „Mensch“ im Zusammenhang mit Art. 1 GG, Abs. 1, Satz 1?

Hierzu sei an zwei Positionen des Bundesverfassungsgerichts erinnert:

1. „Das Recht auf Leben wird jedem gewährleistet, der ,lebt’; zwischen einzelnen Abschnitten des sich entwickelnden Lebens vor der Geburt oder zwischen ungeborenem und geborenem Leben kann hier kein Unterschied gemacht werden.“ (Urteil des BVerfG vom 25.02.1975, AZ 1 BvF 1/74 u.a. [BVerfGE 39, 1, veröffentlicht in: NJW 1975, 573]).

2. Das Grundgesetz enthält keine „dem Entwicklungsprozess der Schwangerschaft folgenden Abstufungen des Lebensrechts“ (Urteil des BVerfG vom 28.05.1993, AZ 2 BvF 2/90 u.a. [BVerfGE 88, 203, veröffentlicht in: NJW 1993, 1751]).

Art. 1, Abs. 1, Satz 1 GG muss demnach so gelesen werden: „Die Würde des menschlichen Lebens ist unantastbar.“ Danach stellt die Tötung (ein Fall von „Verletzung der Würde“) von Embryonen (als „menschliches Leben“) unabhängig von Zweck und Zusammenhang der Tötung einen Verstoß gegen Art. 1, Abs. 1, Satz 1 GG dar. Somit verstößt das Stammzellgesetz, das ja diese Tötung positiviert, gegen Art. 1, Abs. 1, Satz 1 GG.

Muss nicht, schon aufgrund der Rechtssicherheit für die Forscherinnen und Forscher, aber auch allein der Klarheit wegen, zunächst der Begriff „Mensch“ in Art. 1, Abs. 1, Satz 1 GG näher bestimmt werden? Etwa durch eine Ergänzung des Art. 1 GG um eine „Negativliste“ der Art: „Keine Menschen im Sinne von Abs. 1, Satz 1 GG sind 1.), 2.), 3.)... n.)“?


Ich wünsche Ihnen für Ihre Entscheidung die nötige Weisheit und für Ihre Arbeit alles Gute und Gottes Segen!

Herzliche Grüße,

Ihr
Josef Bordat


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