4. März 2008

Das C und ein bißchen kommunales Eschaton

Auf ein paar schöne Tage in Mittelmeernähe folgten am Wochenende die bayerischen Kommunalwahlen, die ich als Aktivist und als Wahlhelfer mittendrin erlebte - und die in G___bach leider enttäuschend endeten. Aber nun gut: Bei Wahlen gewinnt nicht der Beste, sondern der kumulierte Wählerwille. Und sichere Bänke gibt es auch für die C-Partei in Bayern nicht mehr.

Auf der anderen Seite: SPDler zu sein macht in G___bach noch weniger Spaß. Schon seit mehr als 20 Jahren keinen Bürgermeisterkandidaten zu stellen und nun auch noch auf 11% abzustürzen - gute Gründe für einen politischen Suizid in Form von heftigster Umarmung des Wahlgewinners...

Das alles rechtfertigt aber noch keinen Eintrag auf diesem Weblog, denn was interessiert die Lokalpolitik eines 10.000 Seelen-Dorfes in Nordwestbayern?

Interessant scheinen mir die Verwirrungen und Verwicklungen rund ums "C" zu sein, wie sie sich in einer traditionell katholisch/christlich geprägten Gemeinde am Rande von Rhein-Main darbieten: Offensichtliche katholische Konfessionszugehörigkeit ist immer noch ein sine qua non fürs Bürgermeisteramt, und auch für einen Gemeinderat nicht schädlich.

Wenn also die C-Partei eine Kandidatin aufstellt, die eher unregelmäßig praktiziert und die sich ehrlicherweise einem häufigeren sonntäglichen Kirchenbesuch zum Zwecke des Wahlerfolgs verweigert, dann kostet das Stimmen. (Und nein, hier und im folgenden sage ich kein Wort über die unsichtbare Gläubigkeit und Religiosität, sondern nur über öffentlich sichtbare Religionsausübung.) Wenn dagegen eine Gruppierung mit einem - zugespitzt gesagt - antiklerikalen Rasputin als strategischem Kopf einen zwar wenig bekannten, dafür aber regelmäßigen Kirchgänger aufstellt und dieser seinen Kirchgang in Wahlkampfzeiten auch noch verdoppelt - denn schließlich gibt es ja zwei Pfarreien! -, dann sind die Katholiken beeindruckt.

Streiten kann man sich über den Erfolg von Elementen säkularisierter Theologie, die - auf der nicht-C-Seite - in den Wahlkampf eingeflossen sind - nicht wie in God's own country als explizite Bezüge auf den Schöpfer aller Welten oder des novus ordo seclorum, sondern verdeckt, neu eingefärbt: Da gibt es eine Zeitenwende und eine neue Zeitrechnung: Seit 2002 soll die schöne Zukunft angebrochen sein, der alte Bund ans Ende gekommen - nicht ganz erfolglos, aber letztlich doch verblasst, ausgelaugt, in Erwartung des erglühenden Morgenrots, des Einzugs in die Moderne.

An der Spitze des Volkes im Aufbruch steht da ein neuer Mose, ein Heilsbringer: selbstlos im Dienst der Seinen, einladend, lockend, fordernd.

Und mit dieser neuen Heilszeit einher geht die Entstehung des neuen Israel: "Wir sind G___bach" - gleich, ob schwarz, rot, grün oder kürbisgelb. Keine Parteiungen mehr unter euch kenne ich (wie Paulus), sondern nur noch G___bacher, wie weiland der Kaiser nur noch Deutsche.

Vielleicht ist das die positive Kehrseite der "Lederhosen & Laptop"-Orientierung der CSU, die durchaus allen alles sein möchte, aber genau deswegen nicht mit utopischen, eschatologischen Motiven spielt. Wo diese - nennen wir's mal: lebenserfahrene Nüchternheit Christen in der Politik fehlt, ist die Verlockung groß, mit biblischen Bildern zu spielen und sie für die eigenen, sehr irdischen Zwecke einzusetzen. Wahlentscheidend vor Ort dürfte das nicht gewesen sein, aber eine Falle ist es doch.

Bei uns gilt eher: "Der König ist tot - es lebe der König!". Oder wie es eine 90jährige Altwählerin ausgedrückt haben soll: "O weh, vor sechs Jahren haben sie [die Wähler] den X als 'Borschemeestä' abgewählt - hoffentlich wählen sie diesmal den Y nicht wieder ab!" (Y ist natürlich der Usurpator von 2002...)

Abgewählt wurde Y nicht, aber wer weiß, wie die Welt 2014 aussieht. Nach Plutarch: "Philippis nos videbis."

[Leicht überarbeitete Version]

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sind die FW in G. so geschlossen, das man tatsächlich von einer Partei sprechen kann? Aber das Wahlergebnis von Y war ja bei weit über 2/3, wenn ich mich an die Grafik erinnere, dich ich heute Vormittag noch bei mir in der Redaktion angefertigt habe. Insofern ist die Umarmung von der SPD verständlich und zumindest bei der Personenwahl die Frustration der CSU auch. Das ist halt so in Bayern und seinen FWs.

Scipio hat gesagt…

Sind die FW in G. so geschlossen, das man tatsächlich von einer Partei sprechen kann?

Wenn eine Gruppierung so geschlossen ist wie die Ortsverbände der Parteien, wenn diese Gruppierung über Jahre hin gemeinsame Ziele verfolgt hat und wenn ihr übergeordneter Zusammenschluß diskutiert, ob er bei den Landtagswahlen kandidieren soll, dann ist das für mich keine Frage. Und das dauernde Betonen der "Unabhängigkeit" ein running PR gag.

Aber das Wahlergebnis von Y war ja bei weit über 2/3, wenn ich mich an die Grafik erinnere, dich ich heute Vormittag noch bei mir in der Redaktion angefertigt habe. Insofern ist die Umarmung von der SPD verständlich

Verständlich wohl, aber es ist ein bißchen so wie bei der Rückkehr-Ökumene: Übrig bleibt der größere Partner, und wer braucht schon einen Kropf oder einen Blinddarm?

... und zumindest bei der Personenwahl die Frustration der CSU auch.

Eine gewisse Frustration ist da - aber nach meiner Beobachtung am Wahlabend gepaart mit der durchaus zufriedenen Erschöpfung derer, die professional, gemeinsam und aus ganzem Herzen das anscheinend Unmögliche versucht haben.

Das ist halt so in Bayern und seinen FWs.

Auch FWs machen keine andere Politik als die lokalen SPDs oder CSUs. Für Gegenbeispiele bin ich dankbar. Sie reiten nur leichter auf der Parteimüdigkeitswelle. Wie gesagt: Marketing. Dahinter ist auch nicht mehr als anderswo. Es sind die gleichen Menschen - homo sapiens postlapsarius.

Achso: Ich hoffe, ich habe nicht selber auch zu enttäuscht geklungen. War nicht meine Absicht.

Anonym hat gesagt…

Herrlich - sowas findet man eben nur bei dir!

Resident hat gesagt…

Wer ist denn dieser Rasputin?

Scipio hat gesagt…

Das wäre nur interessant, wenn Du Dich hier bei uns ein bißchen auskennst. Tust Du's?

Anonym hat gesagt…

"Auch FWs machen keine andere Politik als die lokalen SPDs oder CSUs. Für Gegenbeispiele bin ich dankbar. Sie reiten nur leichter auf der Parteimüdigkeitswelle. Wie gesagt: Marketing. Dahinter ist auch nicht mehr als anderswo. Es sind die gleichen Menschen - homo sapiens postlapsarius."

Nee, mit einem Gegenbeispiel kann ich nicht dienen. Ich war da auch eher fatalistisch, als argumentativ. Das FWs mehr oder weniger Parteien sind, die behaupten keine zu sein, zeigt sich ja schon in vielen Gemeinden, wenn mehrerer FWs gegeneinander antreten.