30. März 2008

Erbarmen

Johannes Paul II. in "Dives in Misericordia" (1980):

"An den gekreuzigten Sohn glauben, heißt »den Vater sehen«, heißt glauben, daß die Liebe in der Welt gegenwärtig ist und daß sie mächtiger ist als jedwedes Übel, in das der Mensch, die Menschheit, die Welt verstrickt sind. An diese Liebe glauben, heißt, an das Erbarmen glauben." (Nr. 7)

"Das Kreuz Christi auf Golgota bezeugt auch die Kraft des Bösen dem Sohn Gottes gegenüber, also dem gegenüber, der als einziger unter den Menschenkindern von Natur aus absolut unschuldig und frei von Sünde war und auf dessen Kommen in die Welt nicht der Ungehorsam Adams und die Erbschuld lasteten. Und gerade in diesem Christus wird nun um den Preis seines Opfers, seines Gehorsams »bis zum Tod« die Sünde gerichtet. Er, der ohne Sünde war, wurde »für uns zur Sünde gemacht«. Gerichtet wird auch der Tod, der sich seit den Anfängen der Menschheitsgeschichte mit der Sünde verbündet hat. Er wird gerichtet im Tod dessen, der ohne Sünde war und als einziger - durch seinen Tod - dem Tod den Todesstreich versetzen konnte. Auf diese Weise ist das Kreuz Christi, an welchem der dem Vater wesensgleiche Sohn Gott die gerechte Sühne darbringt, auch eine radikale Offenbarung des Erbarmens, das heißt der Liebe, die gegen die Wurzel allen Übels in der Geschichte des Menschen angeht - gegen Sünde und Tod.

Im Kreuz neigt sich Gott am tiefsten zum Menschen herab und zu allem, was der Mensch insbesondere in schwierigen und schmerzlichen Augenblicken als sein unglückliches Schicksal bezeichnet. Im Kreuz werden gleichsam von einem heilenden Hauch der ewigen Liebe die schmerzlichsten Wunden der irdischen Existenz des Menschen berührt; es ist die letzte Vollendung des messianischen Programmes, das Christus einst in der Synagoge von Nazaret formulierte und dann vor den Abgesandten Johannes' des Täufers wiederholte. Dieses Programm bestand - wie von Jesaja prophezeit - in der Offenbarung der barmherzigen Liebe zu den Armen, den Leidenden und Gefangenen, zu den Blinden, den Unterdrückten und den Sündern. Im Paschageheimnis wird die Schranke des vielfachen Übels, in das der Mensch in seiner irdischen Existenz verstrickt ist, überschritten: das Kreuz Christi läßt uns die tiefsten Wurzeln des Übels verstehen, die in die Sünde und den Tod hinabreichen, und wird so auch zu einem eschatologischen Zeichen. Erst in der endzeitlichen Erfüllung und in der endgültigen Erneuerung der Welt wird die Liebe in allen Auserwählten die tiefsten Quellen des Übels besiegen und als vollreife Frucht das Reich des Lebens, der Heiligkeit und der seligen Unsterblichkeit hervorbringen. Das Fundament dieser endzeitlichen Vollendung ist bereits im Kreuz Christi und in seinem Tod gelegt. Die Tatsache, daß »Christus am dritten Tag auferweckt worden ist«, stellt das endgültige Zeichen der messianischen Mission dar, die Krönung der ganzen Offenbarung der erbarmenden Liebe in einer vom Übel geprägten Welt. Sie ist auch ein Zeichen, das »einen neuen Himmel und eine neue Erde« ankündigt, wo Gott »alle Tränen von ihren Augen abwischen wird; der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn das, was früher war, ist vergangen«." (Nr. 8)

Keine Kommentare: