18. April 2005

Reformgegner

"Die wirklich Glaubenden messen dem Kampf um die Reorganisation kirchlicher Formen kein allzu großes Gewicht bei. Sie leben von dem, was die Kirche immer ist. Und wenn man wissen will, was Kirche eigentlich sei, muß man zu ihnen gehen. Denn die Kirche ist am meisten nicht dort, wo organisiert, reformiert, regiert wird, sondern in denen, die einfach glauben und in ihr das Geschenk des Glaubens empfangen, das ihnen zum Leben wird.

Nur wer erfahren hat, wie über den Wechsel ihrer Diener und ihrer Formen hinweg Kirche die Menschen aufrichtet, ihnen Heimat und Hoffnung gibt, eine Heimat, die Hoffnung ist: Weg zum ewigen Leben - nur wer dies erfahren hat, weiß, was Kirche ist, damals und heute."

So Joseph Ratzinger in der "Einführung in das Christentum" (München: dtv, 1977, S. 254)

[Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich halte Kardinal JR nicht für einen Reformgegner, sondern wollte das Bild, das unsere Öffentlichkeit von ihm hat, mit einem Originalzitat korrigieren, das ihn als "Reformskeptiker" ausweist, und zwar als einen mit sehr guten Gründen...; sc/19.4.]

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ratzinger ist wirklich wohl einer der am meisten missverstandenen Figuren der Kirche...

Scipio hat gesagt…

Da stimme ich Dir voll zu!

Ich habe gestern abend in B3 ein Portrait von ihm gesehen und bin immer wieder angetan von seiner Zurückhaltung - und von seiner Fähigkeit, klare, tiefe Sätze zu formulieren, und dabei auf Theologensprache ganz zu verzichten.

Daß er Papst werden möchte, glaube ich nicht: Er hat 20 Jahre lang aus der Nähe gesehen, was das bedeutet. Daß er den Auftrag annehmen würde, glaube ich aber schon. Er ist keiner, der sich entziehen würde.

Anonym hat gesagt…

Und seine Kreuzwegmeditationen waren ja auch so wunderbar und berührend, aber natürlich hat man sich nur über Sätze wie die folgenden aufgeregt - oder genauer gesagt darüber, was er *vielleicht* damit gemeint haben könnte oder welche "Geisteshaltung" er damit zum Ausdruck bringt:

"Herr, oft erscheint uns deine Kirche wie ein sinkendes Boot, das schon voll Wasser gelaufen und ganz und gar leck ist. Und auf deinem Ackerfeld sehen wir mehr Unkraut als Weizen. Das verschmutzte Gewand und Gesicht deiner Kirche erschüttert uns. Aber wir selber sind es doch, die sie verschmutzen." (IX. Station)

Ich glaube auch nicht, dass er Papst werden möchte - aber selbst, wenn ihn andere zum Papst machen möchten, glaube ich nicht, dass das durchgehen wird. (Das meint auch ein Kollege von mir, der gute Kontakte zu diesen Kreisen hat.) Es wird wahrscheinlich eher ein Kompromisskandidat werden - "Ratzinger mit menschlichem Antlitz" *g* sozusagen...

Auf jeden Fall gilt alle meine Verehrung dem Kardinal - vielleicht werde ich ihm ja nach dem Konklave einen Brief schreiben, um mich bei ihm zu bedanken?

Scipio hat gesagt…

Und was machst du jetzt, außer dich freuen?