Aus einem Interview mit Andreas Maier in der Literaturbeilage der Zeit (März 2005):
Zeit: Sobald in ihren Büchern ein Gedanke, eine These eine gewisse Leuchtkraft gewinnt, fällt der Schatten des Zweifels darüber.
Andreas Maier: Ein Freund von mir, ein Russe, ist kürzlich in ein orthodoxes Kloster eingetreten und sagte mir, sein Ziel sei es, sich für den Ärmsten und Niedrigsten zu halten. Zugleich bestehe darin die größte Gefahr, denn man könne aus diesem Gefühl einen mächtigen Stolz ziehen. Durch diesen Zwiespalt ehrlich hindurchzukommen ist das Problem. Ich kann mir nie sicher sein, ob ich jetzt gerade eitel oder wirklich bei der Sache bin. Das finden Sie auch in meinem Buch: Eine Person wirkt eben noch authentisch, hat eine Wahrheit für sich gefunden, und drei Seiten später ist alles ins Groteske verzerrt. Das Wahrheitsmoment wird ideologisch aufgeladen und führt zu monströsen Konsequenzen.
Zeit: Was bedeutet Eitelkeit: Anderen gefallen zu wollen?
Andreas Maier: Ich kann auch mir selber gefallen, ich kann sogar Gefallen an meiner Erniedrigung finden.
Zeit: Was spricht dagegen, dass ich mir gefalle?
Andreas Maier: Einige der Helden von Kirillow, die gegen den Castor-Transport demonstrieren, tun das nur zum Spaß, aus Selbstgefälligkeit, aus völlig eitlen,nichtigen Gründen. Neulich sah ich ein paar Atomkraftgegner in Uelzen, mit Gitarre, Wollmützen und nackten Füßen bei eisiger Kälte. Das war für mich ein Vexierbild, und ich frage mich: Sind diese nackten Füße jetzt etwas Authentisches, oder steckt dahinter bloß eine demonstrative, nur noch eitle Geste, die sagen will: 'Schaut her, ich bin besser'?
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