Ein lesenswerter Leitartikel in der FAZ: Patrick Bahners schreibt über die "Freiheit eines Christenmenschen", konkret die des Bischofs von Rom:
Heute wird der Papst wieder als Gefangener des Vatikans beschrieben - nun aber als Geisel des eigenen Apparats, gekettet an eine Institution, die die Zeichen der Zeit verkennt. Schon zu Lebzeiten Johannes Pauls II. schilderten Solidaritätsadressen aus dem Schatzkästlein der Absolutismuskritik den Mann guten Willens, dessen Vertrauen in finsterer Absicht mißbraucht wird. Beklagt wird die Isolation, in die sich die Kirche durch rigorose Moralpredigten manövriert habe - als sollten sich die Geister nicht scheiden und wäre nicht jedermann mit seinem Gewissen allein.
Ein verwandtes Trugbild ist die Weltfremdheit der römischen Zentrale - die Ausflucht lokaler Funktionäre, die ihre Usancen nicht auf dem Prüfstand sehen wollen. Der Visitator der Weltkirche mußte Anstoß erregen: als der Unbefangene des Vatikans. Johannes Paul II. wollte nicht einfach hinnehmen, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Abtreibung eine sozialstaatliche Leistung ist und die Kirche nur durch Mitwirkung am Scheinestempeln Schlimmeres verhüten könne. Anders hätte er womöglich gedacht, wäre Pius IX. 1870 aus Rom geflohen und hätte das Papsttum wie im Mittelalter bei den deutschen Kaisern Schutz suchen müssen.
Wozu hätte die Kirche ihre Freiheit vom Staat erkämpfen sollen, wenn sie das Geschlechtsleben und das Geschlechterverhältnis nicht anders ansehen dürfte als andere Institutionen? Die Ausreden des allgewaltigen Konformismus stehen dem Papst nicht zu Gebote. Ihn bindet weder Landessitte noch Zeitgeist. Der römische Weltbürger ist ein freier Herr und niemandem untertan, als freier Christenmensch ein Beispiel für alle anderen.
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