16. Dezember 2006

Something fishy going on

"Kompromiss in neuem Kruzifix-Streit" schreibt meine Lokalzeitung gestern, und weiter: Die "Kruzifixe mit der Darstellung des gekreuzigten Jesus" in der Schule in Baldham werden nun "entfernt" und durch "bunte Kreuze aus Tansania mit Fischen oder Regenbögen" ersetzt.

Der Münchner Merkur hat ein paar "Experten" gefragt. Interessant sind die Antworten nicht in Bezug auf den Streitfall, ob nämlich die Darstellung des leidenden Jesus am Kreuz nicht-christlichen (oder nicht-katholischen) Kindern zuzumuten sei, sondern wegen dem, was sie in Kurzformeln, in dem, was an Wesentlichem übrig bleibt, wenn man sich auf Soundbites beschränken muß, sagen.

Johannes Schroeter, der Vorsitzende des Familienbunds der Katholiken sagt laut Zeitung:

"Das Symbol des Christentums sei das Kreuz, nicht der leidende Christus. Mit schlichten Schulkreuzen werde die christliche Symbolik erhalten, 'ohne die Grausamkeit der Todesstrafe so drastisch zu zeigen'."

Nun wissen wir nicht, wie drastisch die Baldhamer Kruzifixe aussahen, aber Herr Schroeter: Go, tell that to Saint Paul! Dessen Antwort kennen wir nämlich: "Wir aber verkündigen Christus, und diesen als Gekreuzigten". (1 Kor 1, 23)

Peter Steiner, Direktor des Freisinger Diözesanmuseums,

"plädiert dafür, Kreuze, nicht Kruzifixe in Schulklassen aufzuhängen. Das Kreuz sei ein Ordnungssymbol, das zeige, dass alles bei Gott seine Ordnung finde. 'Es ist als Triumphzeichen erfunden worden, das den Sieg über den Tod demonstriert. Der leidende Korpus birgt immer die Gefahr, aus der christlichen Religion eine reine Leidenslehre zu machen, die ein depressives Bild vermittelt.' Wenn man immer nur Leidensszenen zeige, dann verkürze man die christliche Botschaft sträflich."

Meiner unmaßgeblichen Erfahrung als 1960 geborenes Konzilskind und Vater dreier zeitgenössisch-katholisch aufgewachsener Kinder nach kann von "immer nur" schon mal keine Rede sein. Bunte Regenbogen- und Fischkreuze in den Schulen dürften die Infantilisierung der katholischen Religion nun auch in Oberbayern endgültig abrunden. Eine Frage der Zeit und des öffentlichen Säckels ist es wohl, bis auch in anderen bayerischen Grundschulen gerade gutkatholische Mütter und Väter den Ersatz der Kruzifixe und der schlichten, wenig aussagekräftigen Holzkreuze durch kindgemäße, lebensfrohe, broad church-fähige, kreuzförmige Gebilde anregen.

Das ist wohl Teil des Preises, den die katholische Kirche in Bayern und die christlichen Kirchen in Deutschland dafür zahlen, daß sie bei der deutschen civil religion vornedran mitmischen dürfen. There's more to come.

2 Kommentare:

Yon hat gesagt…

Bei uns im Allgäu jedenfalls gehören Kruzifixe einfach zum Gesamtbild: Am Wegrand, im Herrgottswinkel bei meinen Großeltern und in Gasthäusern, an jeder Kapelle sowieso,... Verstört hat mich das nie, im Gegenteil, für mich gehört das in meine Vorstellung von Heimat, es würde einfach fehlen.
Ich vermute, es ist außerdem noch gerade dieser fein säuberlich von allem Leiden befreite Glaube, der ganz fix an seine Grenzen kommt, wenn einem selbst Leid geschieht. Wenn Gott dann nämlich nur bunte Kreuze und fröhliche Symbole anbieten kann, ...naja. Wie soll man das denn bitte wieder rückübersetzen?

Scipio hat gesagt…

Ja, Yon, diesen letzten ABsatz wollte ich jetzt sinngemäß noch nachschieben:

Wo gehen die Sechsjährigen von heute hin, wenn sie Mitte dreißig sind, geschieden, chronisch krank, allein erziehend - oder auch nur mit einer normalen Mischung von Glück und Unglück? Zum Regenbogenkreuz? No way.