In puncto Joseph Ratzinger a.k.a. Benedikt XVI. gilt es für die Zentrallaien und ihren Oberlaien Meyer einiges aufzuholen - entsprechend empfiehlt Guido Horst in der Tagespost ein paar Nachhilfestunden.
Am besten lassen wir den ehemaligen Kardinal selbst zu Wort kommen - mit einer Passage aus dem Nachwort zur Neuauflage von "Demokratie in der Kirche":
"Während von der Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Zentralkomitee überwiegend gegen die herrschende politische Klasse stand und freilich katholischen Politikern Raum zu schaffen suchte, ist in der Nachkriegszeit eine immer stärkere Verschmelzung mit der Politik vor sich gegangen. Nahezu alle bekannteren Mitglieder des ZdK, die ihm sein Gesicht in der Öffentlichkeit geben, sind als Politiker tätig; die meisten Vorsitzenden des ZdK in den letzten dreißig Jahren waren bzw. sind aktive Länderminister. Obgleich man sich müht, auch SPD-Vertreter mit an Bord zu haben, ist damit eine Verschmelzung mit Parteiaspekten fast unvermeidlich. Vor allem aber verschwimmt die Grenze zwischen den spezifischen Formen politischen Handelns und dem Zeugnis des Glaubens. Natürlich versucht man, in der Politik das Bestmögliche aus der Sicht des Glaubens zu erreichen, aber da gibt es in einem Staat mit abnehmendem Gewicht christlichen Glaubens Grenzen.
Das politisch Erreichbare wird nun wie von selbst zum Maßstab; über dieses politisch Mögliche hinauszugehen, erscheint als eine Form von Fanatismus oder gar 'Fundamentalismus': Die Debatte um den Beratungsschein hat dies sehr deutlich gezeigt. Was politisch das äußerst Erreichbare war, darf von der Kirche nicht in Frage gestellt werden. Daß die Politiker nur mit einer Seele denken und nicht im ZdK gegen Lösungen auftreten können, die sie in der Politik durchsetzen halfen, ist klar. Aber daß hier eine gefährliche Vermischung von Glaube und Politik vor sich geht, ist ebenso offenkundig.
Damit hängt die zweite Änderung in der Aktionsrichtung des ZdK zusammen, auf die ich hier hinweisen möchte. Hatte man früher kritisch und auch kämpferisch in den Raum von Politik und Gesellschaft hineingesprochen, so besteht dazu jetzt kaum noch eine Notwendigkeit, weil man ja die entsprechenden Initiativen selber im politischen Raum ergreifen kann. So dominieren automatisch innerkirchliche Auseinandersetzungen. Man nimmt Stellung zu den seit dem Konzil beträchtlich vermehrten innerkirchlichen Streitigkeiten. Das bedeutet, daß die Kirche, soweit sie sich im ZdK darstellt, immer mehr um sich selber kreist, immer mehr mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt ihre Energien darauf zu verwenden, das Evangelium verständlich und wirksam zu den Menschen zu bringen - in einer Zeit, in der in verschiedenen Regionen Deutschlands die Mehrheit der Bürger ungetauft ist und auch viele Getaufte nur noch sehr vage Vorstellungen vom Glauben haben, eine wahrhaft dringliche Aufgabe. Aber das apostolische Element verschwindet fast hinter dem Strukturellen. Diese Stoßrichtung hat nahezu unvermeidlich zur Folge, daß sich das ZdK immer mehr als eine Art Gegenlehramt, weniger gegen die Bischöfe als gegen das Lehramt des Papstes darstellt. Es gibt wohl in den letzten zwanzig Jahren wenig römische Lehrentscheide, denen nicht prompt eine schroffe Gegenerklärung des ZdK folgte: Das gefällt dem deutschen Selbstbewußtsein und scheint ein Zeichen zunehmender demokratischer Erwachsenheit der Kirche in Deutschland zu sein." (S. 85-7)