30. April 2005

Nachhilfeunterricht fürs Zentralkomitee

In puncto Joseph Ratzinger a.k.a. Benedikt XVI. gilt es für die Zentrallaien und ihren Oberlaien Meyer einiges aufzuholen - entsprechend empfiehlt Guido Horst in der Tagespost ein paar Nachhilfestunden.

Am besten lassen wir den ehemaligen Kardinal selbst zu Wort kommen - mit einer Passage aus dem Nachwort zur Neuauflage von "Demokratie in der Kirche":

"Während von der Gründung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Zentralkomitee überwiegend gegen die herrschende politische Klasse stand und freilich katholischen Politikern Raum zu schaffen suchte, ist in der Nachkriegszeit eine immer stärkere Verschmelzung mit der Politik vor sich gegangen. Nahezu alle bekannteren Mitglieder des ZdK, die ihm sein Gesicht in der Öffentlichkeit geben, sind als Politiker tätig; die meisten Vorsitzenden des ZdK in den letzten dreißig Jahren waren bzw. sind aktive Länderminister. Obgleich man sich müht, auch SPD-Vertreter mit an Bord zu haben, ist damit eine Verschmelzung mit Parteiaspekten fast unvermeidlich. Vor allem aber verschwimmt die Grenze zwischen den spezifischen Formen politischen Handelns und dem Zeugnis des Glaubens. Natürlich versucht man, in der Politik das Bestmögliche aus der Sicht des Glaubens zu erreichen, aber da gibt es in einem Staat mit abnehmendem Gewicht christlichen Glaubens Grenzen.

Das politisch Erreichbare wird nun wie von selbst zum Maßstab; über dieses politisch Mögliche hinauszugehen, erscheint als eine Form von Fanatismus oder gar 'Fundamentalismus': Die Debatte um den Beratungsschein hat dies sehr deutlich gezeigt. Was politisch das äußerst Erreichbare war, darf von der Kirche nicht in Frage gestellt werden. Daß die Politiker nur mit einer Seele denken und nicht im ZdK gegen Lösungen auftreten können, die sie in der Politik durchsetzen halfen, ist klar. Aber daß hier eine gefährliche Vermischung von Glaube und Politik vor sich geht, ist ebenso offenkundig.

Damit hängt die zweite Änderung in der Aktionsrichtung des ZdK zusammen, auf die ich hier hinweisen möchte. Hatte man früher kritisch und auch kämpferisch in den Raum von Politik und Gesellschaft hineingesprochen, so besteht dazu jetzt kaum noch eine Notwendigkeit, weil man ja die entsprechenden Initiativen selber im politischen Raum ergreifen kann. So dominieren automatisch innerkirchliche Auseinandersetzungen. Man nimmt Stellung zu den seit dem Konzil beträchtlich vermehrten innerkirchlichen Streitigkeiten. Das bedeutet, daß die Kirche, soweit sie sich im ZdK darstellt, immer mehr um sich selber kreist, immer mehr mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt ihre Energien darauf zu verwenden, das Evangelium verständlich und wirksam zu den Menschen zu bringen - in einer Zeit, in der in verschiedenen Regionen Deutschlands die Mehrheit der Bürger ungetauft ist und auch viele Getaufte nur noch sehr vage Vorstellungen vom Glauben haben, eine wahrhaft dringliche Aufgabe. Aber das apostolische Element verschwindet fast hinter dem Strukturellen. Diese Stoßrichtung hat nahezu unvermeidlich zur Folge, daß sich das ZdK immer mehr als eine Art Gegenlehramt, weniger gegen die Bischöfe als gegen das Lehramt des Papstes darstellt. Es gibt wohl in den letzten zwanzig Jahren wenig römische Lehrentscheide, denen nicht prompt eine schroffe Gegenerklärung des ZdK folgte: Das gefällt dem deutschen Selbstbewußtsein und scheint ein Zeichen zunehmender demokratischer Erwachsenheit der Kirche in Deutschland zu sein." (S. 85-7)

28. April 2005

Witzigkeitliches

"Why are there so many Catholic jokes? I have a couple of theories. Catholicism, even post-Vatican II, is otherworldly, sublime — and juxtaposing the sublime and the ridiculous is the essence of a certain kind of humor. The late Johnny Carson joked about a Catholic church in Beverly Hills that was so trendy there was a salad bar next to the communion rail.

Moreover, Catholicism with its vestments and candles is rich with resources for a prop comic. Father Guido Sarducci with his broad-brimmed Vatican cleric's hat wouldn't have been nearly as funny if he had been dressed like Billy Graham.

Writer Hilaire Belloc once wrote: 'Wherever the Catholic sun doth shine / There's always laughter and good red wine.'

Or a stein of Bavarian beer." (The Pope and a Rabbi Walk Into a Bar - LA Times)
Wenn der Papst bloggte -

aber vielleicht tut er's ja schon? Hier zum Beispiel.

Bless You

I love having a job where I get paid to make people feel happy and blessed. I can literally walk into a room and some people start crying because they feel so happy to see me. If I merely smile at them and whisper a blessing, I've made their year--maybe even their lifetime.

Some people feel inclined to kneel at my feet and kiss my hand. It was strange at first, but I'm starting to get used to it. I now carry those disinfecting wipes to clean my hands when they leave. You never know where those lips have been.

posted by Pope Benedict XVI | 5:46 AM | 3 comments


RCLite - die Generikafirma der Sancta Romana

Wie wäre es mit einem Spin Off, fragt sich Scott Ott(zitiert bei der
Gegenstimme). Ließe sich leichter mit anderen Christianity-Lite-Anbietern "mergen" und würde auf bestimmten Märkten den Umsatz erhöhen. Und gleichzeitig die Spezialisierung der Mutterfirma auf die Zukunftsmärkte erleichtern.
Noch'n Äkschn Aitem

"The pope could stand there before the [United Nations] and say, 'Vobiscum loquar lingua Latina! Haec mihi videntur facienda esse!' ('I am speaking with you in the Latin language! It seems to me that these things need to be done!'),' (...) He could speak to them in Latin and tell them that if they don't like it, they can just go home!"

So hat halt jeder seine eigenen, höchst persönlichen Wünsche und dieser hier von P. Reginald Foster, des Vatikans Lateinspezialist scheint mir nicht von vornherein, nein: a priori, an-den-Haaren-herbeigezogener als manche anderen. (USA Today)

27. April 2005

Les Murray: Poetry and Religion

Religions are poems. They concert
our daylight and dreaming mind, our
emotions, instinct, breath and native gesture

into the only whole thinking: poetry.
Nothing’s said till it’s dreamed out in words
and nothing’s true that figures in words only.

A poem, compared with an arrayed religion,
may be like a soldier’s one short marriage night
to die and live by. But that is a small religion.

Full religion is the large poem in loving repetition;
like any poem, it must be inexhaustible and complete
with turns where we ask Now why did the poet do that?

You can’t pray a lie, said Huckleberry Finn;
you can’t poe one either. It is the same mirror:
mobile, glancing, we call it poetry,

fixed centrally, we call it religion,
and God is the poetry caught in any religion,
caught, not imprisoned. Caught as in a mirror

that he attracted, being in the world as poetry
is in the poem, a law against its closure.
There’ll always be religion around while there is poetry

or a lack of it. Both are given, and intermittent,
as the action of those birds – crested pigeon, rosella parrot –
who fly with wings shut, then beating, and again shut.

[Religionen sind Gedichte. Sie bringen
unseren Tages- und Traumgeist in Einklang,
unsere Gefühle, Instinkte, den Atem und die uns angeborene Gestik

in das einzig vollkommene Denken: Dichtung.
Nichts ist gesagt, bis es in Worten hinausgeträumt ist
und nichts ist wahr, was nur in Worten wahr ist.

Ein Gedicht kann, verglichen mit einer geordneten Religion,
wie die kurze Hochzeitsnacht eines Soldaten sein
nach der man sterben und leben kann. Doch das ist eine kleine Religion.

Volle Religion ist das große Gedicht in liebevoller Wiederholung;
wie jedes Gedicht muß sie unerschöpflich und vollkommen sein
mit Wendungen, wo man sich fragt Warum hat der Dichter das wohl
getan?

Man kann eine Lüge nicht beten, hat Huckleberry Finn gesagt;
man kann sie auch nicht dichten. Es ist derselbe Spiegel:
beweglich, aufblitzend nennen wir es Dichtung,

um eine Mitte verankert nennen wir es eine Religion,
und Gott ist die Dichtung, die in jeder Religion gefangen wird,
gefangen, nicht eingesperrt. Gefangen wie in einem Spiegel,

den er anzog, da er in der Welt ist, wie die Poesie
im Gedicht ist, ein Gesetz gegen jeden Abschluß.
Es wird immer Religion geben, solange es Dichtung gibt

oder einen Mangel an ihr. Beide sind gegeben, und periodisch,
wie der Flug jener Vögel - Haubentaube, Rosellapapagei -
die so fliegen: die Flügel zu, dann schlagend und wieder zu.
Übs.: Margitt Lehbert]

Quelle
Manichäischer Journalismus

In einem früheren Posting ließ ich ja leichte Vorbehalte gegenüber John L. Allens Ratzingerbiographie anklingen. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft: in der des Autors selber.

Der nämlich zitiert in seinem "Word from Rome"(26. April 2005) aus einem eigenen Vortrag von 2004:

"My 'conversion' to dialogue originated in a sort of 'bottoming out.' It came with the publication of my biography of Cardinal Joseph Ratzinger, issued by Continuum in 2000 and titled The Vatican's Enforcer of the Faith. The first major review appeared in Commonweal, authored by another of my distinguished predecessors in this lecture series, Fr. Joseph Komonchak. It was not, let me be candid, a positive review. Fr. Komonchak pointed out a number of shortcomings and a few errors, but the line that truly stung came when he accused me of "Manichean journalism." He meant that I was locked in a dualistic mentality in which Ratzinger was consistently wrong and his critics consistently right. I was initially crushed, then furious. I re-read the book with Fr. Komonchak's criticism in mind, however, and reached the sobering conclusion that he was correct. The book - which I modestly believe is not without its merits - is nevertheless too often written in a "good guys and bad guys" style that vilifies the cardinal. It took Fr. Komonchak pointing this out, publicly and bluntly, for me to ask myself, 'Is this the kind of journalist I want to be'? My answer was no, and I hope that in the years since I have come to appreciate more of those shades of gray that Fr. Komonchak rightly insists are always part of the story."
Allen hat anscheinend ein neues Buch über BXVI in Arbeit, und das ist dann auf dem aktuellen Stand seiner Selbst- und Fremderkenntnis. Da bin ich gespannt.
"Ehrwürdige Institutionen müssen sich unterstützen" (Kai Diekmann)

Wieder einmal: Miserere nobis. (FAZ.NET)
Der Bär des Hl. Korbinian



(via The Curt Jester; zum Hintergrund vgl. kath.net)
Ratzinger-Fanclub-Uniform



Und warum gibt es die nur für "Girlies" (whatever a girly may be...)? (im Catholicism Wow-Shop)
Geheimagentin des Guten, Wahren und Schönen

Ein Nachruf auf Erika Fuchs, die Deutschlehrerin von Donald, Dagobert und den anderen allen: Korrekter Dativ (Welt)
Libertatis nuntius - Botschafter der Freiheit

Der "Mythos der Revolution" ist in der r.-k. Kirche mittlerweile um den "Mythos der Unterdrückung der Befreiungstheologie" ergänzt.

Für alle, die die Geschehnisse in den 80ern geburtsjahrbasiert nicht erlebt oder längst vergessen haben, gibt es eine Zusammenfassung, ebenfalls von Stephan Baier, ebenfalls in der Tagespost: Die Wahrheit macht den Menschen frei: Als Hüter des Glaubensschatzes musste Kardinal Joseph Ratzinger dem Mythos politischer Erlösung eine Grenze ziehen

26. April 2005

Die Zeit läuft

"Es kommt darauf an, dem neuen Papst jetzt Zeit zu lassen", so Karl Kardinal Lehmann vor der Presse und der interessierten Öffentlichkeit.

Ich höre da neben der Bitte um eine angemessene Einarbeitungsphase noch etwas anderes heraus - wenn schon nicht aus dem Munde des Kardinals, so bei etlichen anderen Statements ähnlichen Inhalts. Ich höre die Erwartung eines "nachvollziehenden Gehorsams" von Seiten B16s, der dem aufgeklärt-vorauseilenden seiner deutschen Herde hinterläuft - eine Erwartung, die für die nächsten 100 Tage aufgeschoben, sich aber anschließend wieder lautstark Bahn brechen wird.

Fortschritt in der Kirche scheint, wenn mich mein Ohr nicht trügt, darin zu bestehen, daß die Hirten den davonstürmenden Schafen hinterherhinken. Wenn sie angekommen sind, wo wir längst grasen - dann ist die Kirche uptodate, zeitgemäß, fortschrittlich, modern.

Mag auch in der Evolution des Lebens auf der Erde nur ein blinder Uhrmacher zuschauen statt lenkend einzugreifen: In der Kirche hat der Fortschritt noch eine klare Richtung, ist geplant, gelenkt und: erkennbar! Die Lösungen liegen bereit, der Papst muß nur zugreifen - und alles wird gut. Oder mindestens vieles besser!

Wer das nicht nicht glaubt, findet bei Stephan Baier in der Tagespost einen Verbündeten:

»Nach katholischem Maßstab kann nur progressiv sein, wer konservativ ist. Nur wer den Glaubensschatz vollständig und unversehrt bewahrt (lateinisch „conservare“) kann einen Fortschritt (lateinisch „progressus“) für die Kirche erzielen. Der bewahrte Glaube ist zugleich der Kompass, der dem pilgernden Gottesvolk das Ziel weist: Christus. Wer keine Orientierung und kein Ziel hat, kann gar nicht fortschreiten, kann keine Fortschritte machen, sondern allenfalls herumirren. Aber keine Bange: Joseph Ratzinger ist so konservativ, dass Papst Benedikt XVI. wirklich progressiv sein kann! Er wird dem pilgernden Gottesvolk schon Beine machen!«

25. April 2005

Frühlingslektüre

Passend zu Jahreszeit und historischem Geschehen:



Macht allerdings einsam, u.U. jedenfalls: "Was lachst du denn schon wieder? Kannst du nicht woanders hingehen zum Lesen?"
Klaus "Kassandra" Berger

Im Interview bei Sinfonia Sacra

24. April 2005

Meine Bilder der Woche









Quellen: diverse
Sind Sie ein Christ, Herr Papst?

Ah ja, richtig, Matthew Fox. Irgendwann in den frühen Neunzigern, oder war's noch früher. Mein Gott, was mag aus dem wohl geworden sein?

"Kritisch" ist er jedenfalls geblieben, nur die Peinlichkeit hat zugenommen und seine Neugier:

»6. According to a serious study done on the death of Pope John Paul I, cardinals were part of the plot that killed him. Do you know which cardinals were involved in his murder and have they ever been brought to justice?

11. How do you sleep at night knowing that your theology of no birth control is contributing to the destruction of 25,000 other species annually as well as to the degradation of life among human beings?

18. Are you a Christian? (A canon lawyer who spent years in Rome told me that to understand you I had to first realize that you are not a Christian.) Can you prove it to us please.«(Welcome: 22 Questions for Cardinal Ratzinger and the Silver Lining in the Election of this first Grand Inquisitor as Pope)
Es geht auch anders

Traugott Giesen gratuliert im Gegensatz zu den Jepsens und Käßmännerinnen mit viel Stil und Esprit!

Giesen for Kirchenpräsident, Superintendent oder Landesbischof oder wie das heißt!!
Slow down

Thomas Kielinger plädiert für die "Entschleunigung der Prognosen" und gegen Timothy Garton Ash:

»Timothy Garton Ash etwa, der hochangesehene britische Zeithistoriker, "weiß" in einem Aufsatz im "Guardian", "daß dieser alternde, gelehrte, konservative, uncharismatische bayerische Theologe mit Sicherheit genau jene Entchristlichung Europas beschleunigen wird, die er sich vorgenommen hat aufzuhalten." Garton Ash ist wenigstens ehrlich, indem er voranstellt, woher er sozusagen kommt: "Atheisten sollten die Wahl Benedikts XVI. begrüßen. (...)

Der Westen hat sein Problem mit den positiven Revolutionären in seiner Mitte. Er begrüßt sie mit Mißtrauen oder Abwehr, um ihnen nachträglich den Lorbeer zu winden. Vielleicht muß das so sein, muß die sittliche Kraft ihr Veränderungspotential erst demonstrieren können. Um so wichtiger ist es, vorschnelle Urteile zurückzuhalten. Man muß ja nicht gleich dem chinesischen Rat folgen: "Was die Französische Revolution bedeutet, das zu sagen, ist vorerst noch zu früh." («Das konservative Paradox)
Es gibt sie noch, die Skeptiker
(und das ist auch gut so!)

Nils Minkmar hinterfragt den BXVI-Jubel auf allen Seiten und konstatiert bei sich einen grundlegenden Papstdefekt. (Ich hoffe, daß er sich damit den Neusympathisanten und Altfans von BXVI auch überlegen fühlt - denn warum sollten wir uns sonst mit seinem Text abgeben. ;-)):

"Der Raum des Ästhetischen, des Symbolischen und Moralischen, der ist heute hell erleuchtet und viel besucht. Das eigentliche, ernste Geschäft der religiösen Praxis wird woanders betrieben, und da ist es leer, dunkel und still. (...)

Vom Vatikan geht keine Gefahr mehr aus. Den Papst gut zu finden, weil er das Ende der Beliebigkeit ankündigt - das ist eine beliebte und beliebig revidierbare Haltung. Der unbefangene Jubel so vieler hat auch damit zu tun, daß die katholische Kirche für sie harmlos ist." (FAZ.NET)

23. April 2005

Rüttgers ist seinen Kritikern richtig überlegen!

Nachdem ein dafür auch noch bezahlter Idiot in meiner Lokalzeitung schon einen "Kreuzzug" befürchtet und die politisch-korrekten Hysteriker und Meinungskastrierer loslegen, sei das Interview Friedman - Rüttgers auch hier 1. dokumentiert und 2. kommentiert:

Friedman: Zum gleichberechtigten Respekt aller Kirchen sagt Benedikt XVI: "Die katholische Kirche ist allen anderen Kirchen überlegen." Hat er Recht?

Rüttgers: Er sagt, dass das, was er glaubt, und das, was seine Kirche glaubt, das Richtige ist. Und ich finde, das darf er auch.

Friedman: Ich sage noch einmal: Die katholische Kirche sei allen anderen Kirchen überlegen.

Rüttgers: Ich hab das schon verstanden. Er sagt, das ist das Richtige, und wenn's das Richtige ist, dann muss er zwangsläufig sagen, dass das andere nicht richtig ist.

Friedman: Und was sagen Sie?

Rüttgers: Ich glaube, dass wir wieder lernen müssen, dazu zu stehen, dass wir wieder etwas für wahr und etwas für unwahr halten. Ich bin Katholik und ich glaube, dass unser christliches Menschenbild das Richtige ist und nicht vergleichbar ist mit den anderen Menschenbildern, die es anderswo auf der Welt gibt.

Friedman: Aber wir sprechen von dem Begriff "überlegen". Ist die katholische Kirche und ihr Menschenbild anderen Religionen überlegen?

Rüttgers: Ich glaube, dass es das Richtige ist, wenn Sie wollen auch "überlegen".

Friedman: Was bedeutet das denn eigentlich für einen Protestanten, einen Juden oder einen Moslem, wenn Sie sagen, die katholische Religion ist den anderen überlegen?

Rüttgers: Das bedeutet, dass er von seiner genauso überzeugt sein kann und dass man auf der Basis dann anfängt miteinander zu reden. (übernommen von Martins Katholischem Notizbuch)
Zuerst einmal müsste doch eigentlich Michel Friedman eins auf die Mütze kriegen - dafür daß er einen differenziert denkenden und argumentierenden Theologen wie Benedikt XVI. (B16) auf einen Knüppelsatz zusammenschnurren läßt.

In seiner ersten Antwort meint Jürgen Rüttgers, daß B16 das Recht zustehe, diese Meinung zu haben und sie auch sagen zu dürfen. Nichts verwerflich daran, oder?

Friedman will natürlich, daß Rüttgers den Satz inhaltlich verwirft oder korrigiert (und damit direkt oder indirekt B16 an den Karren geht: die CDU contra den Papst - heißa!) oder ihm inhaltlich zustimmt - die Berufung von Rüttgers auf die päpstliche Meinungs- und Redefreiheit reicht ihm nicht.

Rüttgers versucht es mit Logik - umsonst: Wenn die Feststellung A ("die katholische Kirche ist anderen christlichen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften aus bestimmten Gründen") nicht das gleiche meint wie die Feststellung B ("die katholische Kirche ist anderen christlichen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften nicht überlegen, sondern gleichwertig oder unterlegen"), dann ist B16, wenn er Feststellung A zustimmt, gezwungen, er kann und darf gar nicht anders, ja er wäre ein Lügner, wenn er öffentlich Feststellung A ablehnen und Feststellung B zustimmen würde.

Friedman lässt nicht locker und stellt die ultimative Frage: "Du aber, was glaubst Du? Nicht ausweichen, Jürgen: Sag mir, wo Du stehst?"

Und jetzt beginnt Rüttgers mit einem einschränkenden "Ich glaube", an das er dann eine allgemeine Forderung anschließt: daß wir nämlich für das einstehen sollten, das wir für wahr oder richtig (oder wenigstens, ergänze ich: für wahrer oder richtiger im Vergleich zu anderem) halten. Und praktiziert genau das selbst: Er steht für das ein, was er glaubt. (Selten genug bei Politikern, und zwar ganz unabhängig von dem was sie glauben...)

Friedman macht aus dem "richtig" ein "überlegen" - "Ist das, was Du für richtig hältst, auch dem, was Du für falsch oder für teilrichtig hältst, überlegen?" - Erst das komparative überlegen riecht nach Skandal, und Friedman säße auf dem verkehrten Stuhl, würde er jetzt nicht weiterfragen.

Rüttgers scheint es egal zu sein, ob er "anbeißt", und praktiziert weiter simple Logik: Wenn es richtig ist, ist es dem Falschen oder Teilrichtigen in puncto Wahrheit überlegen. "2 + 2 = 4" ist "2 + 2 = 3,9" überlegen - weil es richtig ist und die andere Rechnung zwar nahe dran, aber eben doch nur das. Würde Rüttgers "2 +2 = 3,9" für richtig halten, sollte er uns auf jeden Fall seine Lösung als die richtige Lösung präsentieren - mindestens so lange, als er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Wir anderen könnten dann feststellen, ob er rechnen kann oder nicht.

Und wir können dann, wenn Rüttgers uns seine Rechnung mitsamt Begründung vorstellt, auch die verschiedenen Ergebnisse und Rechenwege vergleichen, uns gegenseitig überzeugen, vielleicht auch im Dissens auseinandergehen. Genau das also, was Rüttgers (und Ratzinger a.k. Benedikt XVI.) als die Voraussetzung eines sinnvollen Gesprächs definieren.

Was die Rüttgers-Kritiker fordern, ist der Verzicht, irgendetwas öffentlich für wahr zu halten, und Wahrheitsüberzeugungen stattdessen auf einen privaten Raum zu begrenzen - den es in Wahrheit (halt, das darf ich ja jetzt nicht mehr sagen...) nicht gibt. Es ist die Forderung, Religion nicht mehr als Weg der Wahrheitserkenntnis zu sehen und zu praktizieren, sondern alle indikativen Sätze einer Religion zu relativieren, menschheits-, gesellschafts- oder individualgeschichtlich zu historisieren. Es ist die Forderung nach dem Tod von Religion, wie wir sie kennen, und nach ihrer Auferstehung als Therapeutikum - "Hauptsache, es hilft und ich fühl' mich besser"-, als Meinung mit dem Radius Null, als neuronale Abläufe ohne Bezug zur Außenwelt: Denn der liesse sich ja schon wieder als richtig oder falsch, als adäquat oder "daneben", als wahr oder unwahr qualifizieren...

Die Liste derer, die Jürgen Rüttgers laut Spiegel kritisieren, sollte man sich merken: Es sind entweder Feiglinge, Kurzdenker oder Narren.

[Mit kleinen Ergänzungen und Korrekturen versehen am 24.4.05 - scipio]

22. April 2005

Der mutigste Politiker des Jahres -

wenn es diesen Titel gäbe, dann hätte ihn sich Jürgen Rüttgers verdient. Er ist anscheinend einer, der einsteht für das, was glaubt, und der anderen genau das auch zugesteht und zutraut! Nachzulesen ist die bestandene Mutprobe im Katholischen Notizbuch.
Sein Wunschzettel

Was erwartet, ja fordert eigentlich Joseph Ratzinger vom Papst? Man kann das heute in der FAZ (S. 8; gibt's für €1,50 an jedem Kiosk) nachlesen.

Der Text mit dem Titel "Der Stellvertreter Christi" ist zwar schon älter, aus dem Jahr 1977 nämlich, aber der Name "Ratzinger" steht ja für Kontinuität...

Ein paar Sätze:

"Diese persönliche Haftbarkeit, die den Kern der Primatslehre bildet, steht also nicht gegen die Kreuzestheologie und nicht gegen die 'humilitas christiana', sondern folgt aus ihr und ist der Punkt ihrer letzten Konkretheit, zugleich der öffentliche Widerspruch gegen die Macht der Welt als einziger Macht und das Aufrichten der Macht des Gehorsams gegen die Weltmacht. Vicarius Christi ist ein zutiefst kreuzestheologischer Titel und darin eine Auslegung von Mt 16, 16-19 und von Joh 21, 15-19 auf ihre innere Einheit hin.

Zur Bindung, die von Joh 21 her als definierendes Kennzeichen des Papstamtes zu bezeichnen ist, wird es ohne Zweifel auch gehören, daß dieses Hineingebundensein in den Willen Gottes, der im Wort Gottes ausgesagt ist, Hineingebundensein in das Wir der ganzen Kirche bedeutet: Kollegialität und Primat sind aufeinander verwiesen. Aber sie lösen sich nicht so ineinander auf, daß die persönliche Verantwortung in anonymen Gremien verschwindet. (...)

So hat denn Pole auch die These vertreten, daß derjenige am meisten zum Papst geeignet sei, der von den Gesichtspunkten menschlicher Kandidatenauswahl, von den Idealen politischer Klugheit und Durchsetzungskraft her, am wenigsten in Frge komme: Je mehr einer dem Herrn ähnlich ist uns sich somit (objektiv) als Kandidat empfiehlt, um so weniger wird er von der menschlichen Vernunft für regierungsfähig gehalten, weil die Vernunft nicht die Erniedrigung, das Kreuz einsehen kann."
Fragen über Fragen

Was nun? / FAZ.NET

21. April 2005

Das Lied der häßlichen Zwiebel

Ich habe ja angekündigt,daß ich mich wieder stärker anderen Themen zuwenden werde. In diesem Sinne:

"I was an onion before Christ set me free.
Layers upon layers of iniquity.
An ugly old onion whose fragrance was strong;
That my Jesus bought and loved all along.

Unknown to me what He was going to do.
Of what He was planning, I had not a clue.
Pulling each layer off one by one.
In order to make me more like Jesus the Son."

Die anderen 11 Strophen aus der Feder oder der Tastatur des unbekannten Dichters finden sich hier.
Mach' hinne!

Nicht nur ich, auch die Großkritiker sind müde. Oder wie soll man es sonst erklären, daß noch keiner gefordert hat, daß bis morgen um 12.00 Uhr die folgenden Punkte abgehakt sind:
  • Neubesetzung der wichtigsten Posten (Privatsekretär, CdF-Chef, Ökumene-Kardinal)
  • Roadmap zur vollständigen Abendmahlgemeinschaft mit allen christlichen Gemeinschaften
  • Widerruf aller nach 1850 erlassenen Dogmen ("Äh, sind nur drei? Das müssen doch mehr sein!")
  • Einleitung der dringlichsten Reformschritte zur Kirchenliberalisierung
  • Termin des nächsten Assisi-Treffens sowie - noch wichtiger - des 3. Vatikanischen Konzils
  • Rehabilitation von H. Küng, L. Boff, C. Curran, G. Hasenhüttl et al.
  • Ernennung von E. Drewermann zum Leiter der neu errichteten Kongregation für "integrative Spiritualität" (congregatio ad integrationem psychoanalyticam ascesis mysticaeque catholicae - CAIPAMC)
(Nur sehr matte Ansätze bei: Zeit für Personalentscheidungen im Vatikan | tagesschau.de)
Ad multos annos!

"Es wird da sehr hämisch oder leichtfertig vom Übergangspapst gesprochen. Was soll das heißen? Zwei drei Jährchen und dann kommt der Neue? Was ist, wenn Kardinal Ratzinger uns irgendwann die Meldung schenkt 'Papst Benedikt XVI. feiert morgen den 102. Geburtstag'. Da machen aber manche ganz schön lange Gesichter. Würd' mich nicht wundern, wenn heute ein bisschen im kleinen Kreis gefeiert wird im Petersdom und die CD aufgelegt wird 'In the year 2525, 2525...'." (Harald Schmidt)
Indeed



(via Heart, Mind & Strength - Blog Admin Panel)
Zurück zum Wesentlichen - Fortsetzung



Maria erscheint in Chicago. (Spiegel Online)

Zurück zum Wesentlichen!

Erst zwei Tage, und mir reicht es eigentlich schon, permanent das "Geheimnis des Bösen", das sich zur Zeit als "Geheimnis der vorsätzlichen und lautstarken Dummheit" offenbart, zu bekämpfen. Es ist langweilig, allen Schlichtdenkern mit dem "Salz der Erde", der "Einführung in das Christentum" oder gar dem "Geist der Liturgie" aufs Hirn klopfen zu müssen...

Vor allem aber: Es bringt die Gefahr mit sich, "seinen Katechismus gegen jemanden zu lernen" (Henri de Lubac ) und damit selber in einen einseitigen Glauben abzugleiten. "Die Schönheit des Glaubens als Lebensgrundlage" - wie Heinz-Joachim Fischer heute in der FAZ den Werdegang von B16 zusammenfasst - darum muß es gehen. Nicht um die Idioten bei der dpa, die "Ratzinger für Dummies"-Listen zusammenstellen, sondern:

um den EInen, "den DRei", wie IHn ein lateinamerikanischer Theologe nennt,

um SEine Liebe zu uns, die in den drei Tagen zwischen Donnerstag abend und Sonntag morgen ihren Höhepunkt erreicht,

um SEine Fremdheit in der Welt,

um SEine Gegenwart in der Kirche, in ihren Sakramenten und Heiligen, in ihren alltäglichen Vollzügen und in ihrem, meinem Scheitern,

um SEine Spuren und Zeichen in unserem Leben,

um Glaube, Hoffnung Liebe,

um Wahrheit, Güte, Schönheit.

um den GRößeren, vor dem meine und unsere Sprache stockt und verstummt.

Auch B16 wird sich bald wieder genau diesen Dingen zuwenden. Nicht: wieder. Er hat ja gar nicht damit aufgehört:

"Wir aber haben ein anderes Maß: Den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist das Maß des wahren Humanismus. 'Reif' ist nicht ein Glaube, der den Wellen der Mode und des letzten Schreis folgt; erwachsen und reif ist ein Glaube, der tief in der Freundschaft mit Christus verwurzelt ist. Es ist diese Freundschaft, die uns all dem gegenüber öffnet, was gut ist und uns das Kriterium liefert, zwischen Wahr und Falsch zu unterscheiden, zwischen Betrug und Wahrheit. Diesen erwachsenen Glauben müssen wir reifen lassen, zu diesem müssen wir die Herde Christi führen. Und es ist dieser Glaube – nur der Glaube –, der Einheit stiftet und sich in der Liebe verwirklicht." (JKR am 18. April 2005)

20. April 2005

Amazon-Topseller am 20.4.05

7 x B16 unter den ersten Zehn, und der Katechismus der Katholischen Kirche auf Platz 12.

Nun: Gekauft ist nicht gelesen, und gelesen ist nicht geglaubt... Aber immerhin ein erster Schritt zu einem fairen Urteil... (Hinweis von Petra, die jetzt auch bloggt.)
Imagine: 80 Million German Popes mit "deutschem Wesen"

Es kann immer noch schlimmer kommen als man denkt:

"Wir sind Kirche!" ist ja lange vorbei. Doch heute ruft die B**D-Zeitung laut und unübersehbar nach Rom und in die Welt: "Wir sind Papst!"

Miserere nobis.
Für die Schnellmerker

Weil es immer noch deutsche Journalisten gibt, die ernsthaft von einem Kardinal Ratzinger Fanclub faseln:



Einer von diesen netten jungen Männern ist der Fanclub. Einfach ein bißchen recherchieren und weniger abschreiben hätte echt genügt...

19. April 2005

How many roads?

"Einmal fragte ich ihn, wie viele Wege zu Gott es denn insgesamt gäbe. Ich wußte wirklich nicht, was er antworten würde. Er hätte sagen können: einen einzigen; oder: mehrere. Der Kardinal brauchte nicht lange für seine Antwort: So viele, sagte er, wie es Menschen gibt." (Peter Seewald im Vorwort zu: Joseph Kardinal Ratzinger: Salz der Erde)

Jetzt aber Schluß mit ernsthaft. Jetzt wird gefeiert. Das Erdinger wartet.
Papa Germanicus

Matthias Matussek im Spiegel Online:

"Der Heilige Geist hat sich da tatsächlich eine mächtige Pointe geleistet, den Papst ausgerechnet bei denen zu rekrutieren, die ihn am nötigsten haben: bei den Deutschen. Das Drama der Modernität begann schließlich in Deutschland, und es sind die Deutschen, die es am weitesten getrieben haben. (...)

Lange, das lässt sich getrost sagen, ist der Welt nicht mehr soviel Hoffnung gebracht worden von einem Deutschen wie an diesem Tag, als über der Sixtinischen Kapelle der weiße Rauch aufstieg und der Purpur-Vorhang zu Seite gezogen wurde."
Typisch deutsch

Der lieben Elisabeth ist das Tagesereignis wirklich in die Tastatur gefahren, aber da war sie im "Heimatland" garantiert nicht die einzige:

"Das aus JR nun Benedikt XVI. am heutigen Dienstag wurde, ist nicht nur für uns Deutsche ein ziemlicher Schock, auch andere Nationen, insbesondere unsere Glaubensgeschwister in Südamerika ,Afica und Asien dürften sehr getroffen sein!"

Die Weltkirche freut sich, und wir deutschen Christen scharen uns um unser Trauermücken Küng, Drewermann und Hasenhüttl. Alles wie gehabt. Jetzt bloß nicht ultramontan werden.

(Ich sehe schon, meinereins wird demnächst ganz schön viel Spaß haben. ;-))

Die Wahrheit, nichts als die schmutzige Wahrheit...

Die ersten Google-Suchen nach "Ratzinger NS-Vergangenheit" oder "Ratzinger Liebesverhältnis" sind schon auf meinen Seiten gelandet...

Liebe Leute, lest doch einfach seine Autobiographie, da steht ein bißchen was. Oder John L. Allen, solange dessen Buch noch nicht vergriffen ist. Garantiert mehr, als ihr jemals wissen wolltet. Und Allen ist sogar einigermaßen kritisch...
Welcher Benedikt?

Nun, vielleicht der des Alasdair McIntyre?

"Diesmal [in Abhebung zur Spätantike und dem Untergang des Römischen Reiches, zu der AM gewisse Parallelen in der Gegenwart sieht; scipio] warten die Barbaren allerdings nicht jenseits der Grenzen; sie beherrschen uns schon seit einer ganzen Weile. Und gerade das mangelnde Bewußtsein dessen macht einen Teil unser mißlichen Lage aus. Wir warten nicht auf einen Godot, sondern auf einen anderen, zweifelsohne völlig anderen heiligen Benedikt." (Der Verlust der Tugend.- Frankfurt: Suhrkamp, 1995, S. 350)
Il Papa nuovo

Der neue Papst ist eine öffentliche Person, einer, der allen gehört.

Lassen wir Joseph Ratzinger doch noch einmal selbst zu Wort kommen, und helfen damit vielleicht sogar, Vorurteile abzubauen. ("Was, das soll er gesagt haben?"):

"Wenn die Kirche vor allem Gott verkündet, spricht sie nicht von einem unbekannten Gott, sondern von dem Gott, der in seinem Sohn Fleisch angenommen und uns sein Herz offenbart hat, das uns liebt bis zum Ende, bis zum Tod am Kreuz. In der christlichen Verkündigung läßt sich alles auf Gott zurückführen, aber Gott ist in Christus der wahre Immanuel.

Die Kirche verkündet nicht eine Anhäufung von Dogmen und Geboten, deren Joch zu schwer für die Menschen ist, sondern sie verkündet ein 'süßes und leichtes Joch': Gott, der in Christus bei uns ist, der uns führt und uns mit seiner Liebe trägt." (Sondersynode zu Europa, 30Tage, Januar 1992, S. 19)

"Mit demselben Realismus, mit dem wir heute die Sünden der Päpste aussagen, ihre Disproportion zur Größe ihres Auftrags, müssen wir auch anerkennen, daß immer wieder Petrus der Fels gegen die Ideologien war; gegen das Auflösen des Wortes in die Plausibilitäten einer Zeit; gegen die Unterwerfung unter die Mächtigen dieser Welt.

Indem wir dies in den Fakten der Geschichte sehen, feiern wir nicht Menschen, sondern preisen wir den Herrn, der die Kirche nicht verläßt und der sein Felssein durch Petrus, den kleinen Stolperstein, ausüben wollte: Nicht 'Fleisch und Blut' retten, aber der Herr rettet durch die, die aus Fleisch und Blut sind, hindurch. Das zu leugnen ist nicht ein Mehr an Glaube, nicht ein Mehr an Demut, sondern es ist das Zurückweichen vor der Demut, die Gottes Willen so anerkennt, wie er ist.

Daher bleibt die Petrusverheißung und ihre geschichtliche Verwirklichung zu Rom im tiefsten immer neu Grund zur Freude: Die Mächte der Hölle werden sie nicht überwältigen." (Zur Gemeinschaft gerufen.- Freiburg: Herder, 1991, S. 69)

"Die grundlegende Befreiung, die die Kirche uns geben kann, ist das Stehen im Horizont des Ewigen, der Ausbruch aus den Grenzen unseres Wissens und Könnens. Der Glaube selbst in seiner ganzen Größe und Weite ist daher immer wieder die wesentliche Reform, die wir brauchen; von ihm her müssen wir die selbstgemachten Ordnungen in der Kirche immer wieder überprüfen. (...)

Es gibt heute auch in höheren kirchlichen Kreisen da und dort die Meinung, ein Mensch sei um so mehr ein Christ, je mehr er in kirchliche Aktivitäten eingebunden ist. Man treibt eine Art kirchliche Beschäftigungstherapie; für jeden wird ein Gremium oder jedenfalls irgendeine Tätigkeit in der Kirche gesucht. Irgendwie - so denkt man - müsse immer kirchlicher Betrieb sein, müsse irgendwie über Kirche geredet oder etwas an oder in ihr gemacht werden. Aber ein Spiegel, der nur sich selber zeigt, ist kein Spiegel mehr; ein Fenster, das nicht den Blick ins Weite freigibt, sondern sich dazwischenstellt, hat seinen Sinn verloren." (ebd., S. 135)

Ich kann mir denken, daß dieser Theologenpapst vielleicht sogar Karl Rahner posthum glücklich machen wird, indem er die bislang vermißte Enzyklika über den Atheismus schreibt...
Gaudium maximum

Aus gutem Anlaß: I'm gonna get personal.

Da saß ich in einem Vorstadtstau fest und höre im Radio Kardinal Medina Estevez den "dominum Josephum" nennen. Ich habe gleichzeitig den Kopf geschüttelt, gelacht und geweint. Nein, ich hätte es nicht gedacht. Nie im Leben. Trotz des Geredes von den "50 Stimmen", die er schon im Vorfeld gesammelt habe. Als Favorit rein, als Papst raus. Ein Deutscher, ein Bayer noch dazu. Ein weltbekannter Intellektueller, ein Kontrapol zu JPII. Einer, bei dem es mir leicht fällt, auch weiterhin an der pästlichen Unfehlbarkeit festzuhalten. Ein Vielschreiber und Vielverleumdeter. Lover and Fighter. Ein geistlicher Mensch und einer, der ganz gewiß nicht umsonst den Namen Benedikt gewählt hat. (Immerhin hat der österreichische Standard schon den 15. Benedikt entdeckt... Kompliment!)

Gott segne ihn, den Benedikt, den Gesegneten! Ihn und die "ganze heilige Kirche" und all die, denen er begegnen wird!

"Liebe Brüder und Schwestern, nach dem großen Papst Johannes Paul II. haben die Kardinäle mich, einen einfachen und schlichten Arbeiter im Weinberg des Herrn, erwählt. Mich tröstet, dass Gott durch unzureichende Werkzeuge zu arbeiten weiß, und ich vertraue mich eurem Gebet an. In der Freude des Herrn und mit seiner beständigen Hilfe, arbeiten wir mit Maria, seiner Mutter, die an unserer Seite ist."
Es gibt sie noch, die echten Protestanten...



Aus dem amerikanischen Heartland: Controversy continues over pope reference on church sign.
Ein Romtagebuch

- diesmal von Richard John Neuhaus.
"Möglicherweise gab es dafür schon Anzeichen - in den beiden weiteren Wahlgängen heute vormittag"

Wortwahl der armen Teufel, die etwas sagen müssen, ohne etwas sagen zu können:

"die Unterschiede ... waren wohl zu groß", "Bis zuletzt war unklar gewesen", "wird spekuliert", "Dort geht man davon aus", "in dem Ratzingers Anhänger erst mal ihre Stimmen in die Waagschale geworfen hätten", "Damit hätten sie die absolute Mehrheit zumindest gestreift", "Das könnte die zögerlichen Kandidaten überzeugen", "denn aktuelle oder bestätigte Informationen gibt es keine" (tagesschau.de)
"Dauerbrenner auf niedrigem Niveau"

"Sie werden lachen - die Bibel." (B. Brecht)

Ich würde nicht sagen, daß mich das wundert.

"Zeitgemäßer ist für viele Menschen jedoch religiöse Literatur, die sich konkret auf ihre Lebensphase und Probleme bezieht." (Wolfgang Neumann, Lembeck-Verlag)

Aha: zeitgemäßer; konkret; Lebensphase; Probleme. Um den 1968 33jährigen Theologieprofessor sinngemäß zu zitieren, der weiter unten schon einmal zu Wort kam: Gottes Wort ist nicht die Antwort auf alle Fragen, sondern die Frage hinter allen Antworten.

18. April 2005

Reformgegner

"Die wirklich Glaubenden messen dem Kampf um die Reorganisation kirchlicher Formen kein allzu großes Gewicht bei. Sie leben von dem, was die Kirche immer ist. Und wenn man wissen will, was Kirche eigentlich sei, muß man zu ihnen gehen. Denn die Kirche ist am meisten nicht dort, wo organisiert, reformiert, regiert wird, sondern in denen, die einfach glauben und in ihr das Geschenk des Glaubens empfangen, das ihnen zum Leben wird.

Nur wer erfahren hat, wie über den Wechsel ihrer Diener und ihrer Formen hinweg Kirche die Menschen aufrichtet, ihnen Heimat und Hoffnung gibt, eine Heimat, die Hoffnung ist: Weg zum ewigen Leben - nur wer dies erfahren hat, weiß, was Kirche ist, damals und heute."

So Joseph Ratzinger in der "Einführung in das Christentum" (München: dtv, 1977, S. 254)

[Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich halte Kardinal JR nicht für einen Reformgegner, sondern wollte das Bild, das unsere Öffentlichkeit von ihm hat, mit einem Originalzitat korrigieren, das ihn als "Reformskeptiker" ausweist, und zwar als einen mit sehr guten Gründen...; sc/19.4.]
Was bleibt

Ganz und gar nicht panzerkardinale Sätze aus der heutigen "Missa pro eligendo papa":

"Alle Menschen wollen eine Spur hinterlassen, die bleibt. Aber was bleibt? Das Geld nicht. Auch die Gebäude bleiben nicht; ebenso wenig die Bücher. Nach einer gewissen, mehr oder weniger langen Zeit verschwinden all diese Dinge.

Das einzige, was ewig bleibt, ist die menschliche Seele, der von Gott für die Ewigkeit erschaffene Mensch. Die Frucht, die bleibt, ist deshalb diejenige, die wir in den menschlichen Seelen gesät haben - die Liebe, die Erkenntnis; die Geste, die es schafft, das Herz zu berühren; das Wort, das die Seele öffnet, hin zur Freude des Herrn. (...) Nur so wird sich die Erde vom Tal der Tränen in den Garten Gottes verwandeln." (Quelle)

17. April 2005

Sixtina

"'Alles ist vor den Augen Gottes nackt und offen!' hat ihnen Johannes Paul II. vor zwei Jahren eigens zu dieser Stunde geschrieben. Die Wahl seines Nachfolgers ist nicht nur urdemokratisch; es ist vor allem ein liturgischer Akt: ein Gottesdienst." (Paul Badde)
Wir haben etwas mitzuteilen

„Wir wollen kein Reich der Macht gründen, aber wir haben etwas mitzuteilen, dem eine Erwartung unserer Vernunft begegnet. Es ist mitteilbar, weil es zu unserer gemeinsamen menschlichen Natur gehört, und es gibt die Pflicht der Mitteilung für den, der einen Schatz der Wahrheit und der Liebe gefunden hat. Die Vernünftigkeit war also Postulat und Bedingung des Christentums, und es bleibt ein europäisches Erbe, mit dem wir uns friedlich und positiv sowohl mit dem Islam als auch mit den großen asiatischen Religionen konfrontieren. Diese Vernünftigkeit wird gefährlich und zerstörend für den Menschen, wenn sie positivistisch wird und die großen Werte unseres Seins auf die Subjektivität reduziert. Sie wird so zu einer Amputation des Menschen.“ „Ich will betonen“, fuhr Ratzinger fort, „Europa muss die Vernünftigkeit verteidigen. An diesem Punkt müssen auch wir Gläubigen dem Beitrag der säkularen Gesellschaft, der Aufklärung dankbar sein. Sie muss ein Dorn in unserem Fleisch bleiben. Aber auch die säkulare Gesellschaft muss den Dorn in ihrem Fleisch akzeptieren, das heißt die gründende Kraft der christlichen Religion für Europa.“ (Tagespost )
"Dich führen, wohin du nicht willst"

Was mag in den Männern vorgehen, die sich morgen zur Papstwahl in die Klausur zurückziehen? Erinnern sie sich an den 16. Oktober 1978? An den Moment, von dem George Weigel schreibt:

"At a certain point in the tally [Auszählung], Wojtyla put his head in his hands. Cardinal Hume remembered feeling 'desperately sad for the man.' Jerzy Turowicz later wrote that, at the moment of his election, Karol Wojtyla was as alone as a man can be. For to be elected Pope meant 'a clear cut off from one's previous life, with no possible return. (...)" (Witness of Hope, p. 254)
Vor über zwanzig Jahren habe ich einen der heutigen Kardinäle näher kennen gelernt, einen Mann, der sich ganz in den Dienst GOttes gestellt hatte (und hat), einen unbestechlichen, bescheidenen, liebenswürdigen, stillen, frohen, geistlichen, betenden, dynamischen, klugen Mann, auch damals schon mit dem Zeug zu Großem und gleichzeitig einer, auf den in puncto Karriere die Maxime des hl. Franz von Sales passte (und passt, nach allem, was ich höre): "Nichts verlangen, nichts verweigern".

Ich kann ihn mir als Papst vorstellen, aber es ihm "wünschen", für seine Wahl - die wahrscheinlich eine gute wäre - beten? Welche Verantwortung, die per Wahl dem einen Mann aufgebürdet wird, welche Verantwortung, im Namen GOttes über das Leben eines anderen zu verfügen! Und gleichzeitig: welches Zeichen für den fordernden, überfordernden Ruf GOttes, dem es nicht um Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung geht, sondern um das Hingeben des Lebens für die Freunde, für die Brüder und Schwestern, um das Einstehen für die ganze Wahrheit über GOtt und den Menschen!

Es wäre nicht schlecht, wenn sich wenigstens die Katholiken klar machen würden - denn von "den anderen" können wir es nicht erwarten -, daß es nicht um Macht geht, nicht um Reformen, um meine und unsere Erwartungen, sondern um Gehorsam: gegenüber dem Ruf, der in der Wahl ergeht, gegenüber dem wählenden GOtt, der SEin Volk mit Hilfe von sündigen, brüchigen Menschen durch die Jahrhunderte führt, gegenüber Jesus Christus, der kein Mythos, keine Idee, kein Prinzip ist, sondern GOtt und Mensch, lebendig und gegenwärtig.

Wer auch immer unser nächster Papst sein wird: er wird den Titel "servus servorum DEi" nicht stolz, sondern demütig tragen. Und er wird ihn mit größerem Zittern annehmen, als wir es uns vorstellen können. (Glaube ich jedenfalls.)
Vanitas Vanitatum

Wenn Blogger - gleich von wem - bemerkt werden, freuen sie sich. Heute erwähnt uns der österreichische "Kurier": "Katholische Weblogger im Internet".

"Im deutschen Sprachraum gibt es bei weitem weniger engagierte katholische Weblogs als in den USA, doch auch hier findet man Seiten wie etwa 'Catholicism Wow!', einen Blog, der sich insbesondere der Kultivierung von Comics und Musik mit katholischem Hintergrund verschrieben hat. Der Weblog zählt eine ganze Reihe katholischer Bands quer durch alle Sparten auf - von Rock über Heavy Metal bis Hip Hop."
Selbstreferenziell

Der "Guy who maintains the RatzingerFanClub" ist seinen Beobachtern immer einen Schritt voraus.
Kirchenjournalisten bei der Arbeit

Wieder daheim, bringe ich mich auf den Stand der laufenden Debatten...

Mir kam gestern der Gedanke, ob nicht die (bis dato) übliche Vernachlässigung religiöser, christlicher und kirchlich-katholischer Themen im deutschen Journalismus eine eher lässliche Unterlassungssünde der Verantwortlichen ist, die sie vor schwererer Schuld wie übler Nachrede und Stolz bewahrt...

Fällt doch schon einem hauptamtlichen Kirchenjournalisten wie Daniel Deckers (auf der Titelseite der gestrigen FAZ) nicht viel mehr zu Joseph Kardinal Ratzinger , als Walter Kasper zu zitieren. Nein, nicht den Kardinal, sondern einen eher unbekannten 33jährigen deutschen Theologieprofessor, der 1968 schrieb:

"Dem theologisch nicht Informierten ist es deshalb wohl nicht immer deutlich, was sichere These und was bloße Hypothese, was gemeinsame kirchliche und theologische Lehre und was persönliche Theologie des Verfassers ist."
Was soll das? Hat Walter K. 1968 schon gesehen, was Daniel D. uns als auch 2005 noch gültig suggeriert: Ratzingersche Privattheologie unter dem Deckmantel der Glaubenskongregation?

C'mon, gimme a break.

12. April 2005

Pause

Wenn hier die nächsten drei Tage wenig oder nichts passiert, dann nur, weil ich einen kleinen Trip nach Südfrankreich machen darf. Nein, kein Urlaub. Beruflich.

Der christlichen Leserschaft empfehle ich, die gewonnene Zeit im Sinne des Novendiale und des nächsten Konklave zu verbringen. Die nicht-gläubigen Leser machen nichts verkehrt, wenn sie wieder mal ein gescheites Gedicht lesen.
Mein Beitrag zur päpstlichen "To Do-List"

Wie alle meine deutschen Mitbürgerinnen und -bürger überlege ich schon die ganze Zeit, was der nächste Papst Sinnvolles tun könnte.

Eine Idee wäre auf jeden Fall, daß er "Themenhefte" wie dieses aus der Kolpingjugend verbieten könnte.

"Mit unserer vom Heiligen Geist verliehenen Autorität verkünden wir, Johannes Paulus III., daß jeder mit dem Bann belegt (anathema) sei, der Themenhefte schreibt, zusammenstellt, druckt, vertreibt und verbreitet,
  • in denen "religiöse Elemente" und "religiöse Erlebnisräume" propagiert werden;
  • in denen das Brot der Heiligen Eucharistie nur als 'ein Symbol für Wandlung (vom Korn zur Ähre, zum Weizen, zum Teig, zum Brot, zum Zeichen der Nähe Gottes), (...), für Gemeinschaft (Brot teilen), [und] für Leben' beschrieben wird und der Wein nicht das Allerheiligste Blut unseres Herrn ist, sondern nur 'das Symbol für das Fest, für Freude, für Heiterkeit und Erlösung' darstellt;
  • in denen junge Katholiken angeleitet und aufgefordert werden, 'mit dem Wald [zu] schmusen';
  • in denen mehr als 10 Wege der Bibelarbeit beschrieben werden, nur nicht die persönliche oder gemeinsame Lektüre der Heiligen Schrift;
  • in denen die Mehrzahl von Tip 'Tip's' lautet und somit die Apostrophenkatastrophe befördert wird."
So oder so ähnlich könnte er einschreiten; Feinheiten überlasse ich der Kurie...

11. April 2005

Entscheidung

"Der neue Papst wird sich zu entscheiden haben, wo er seine Prioritäten setzt: bei den reichen Kirchen des Nordens - oder in der vitalen Not der Katholiken Afrikas oder Südamerikas." (Otto Kallscheuer in der FAZ)

Vielleicht keine ganz schwere Entscheidung, wenn man z.B. bedenkt, daß es in Manila mehr Katholiken gibt als in den Niederlanden, und daß in den Philippinen jährlich mehr Kinder getauft werden als in Frankreich, Polen, Italien und Spanien zusammen.
"Here comes everybody"

Gestern abend fand ich diese Bezeichnung, die James Joyce (oder doch "nur" Richard John Neuhaus) der katholischen Kirche gegeben haben soll, wieder einmal besonders passend: Immerhin outeten sich bei Sabine C. die Herren Hans Christian Ströbele und Klaus Wowereit als Katholiken, wenn auch eher vom Typ "katholisch getauft, immer katholisch".

Aber wer weiß, vielleicht sitzen sie am eschatologischen Hochzeitstisch ein ganzes Stück weiter oben als ich - wenn bei mir nicht gerade nach der Beichte ein sudden cardiac death zuschlägt.
"Die Erinnerung an die Kraft einer authentischen Religion"

Martin hat auf das Interview von Rüdiger Safranski im Spiegel (hier der Link zur kostenlosen englischen Version) hingewiesen - es ist tatsächlich höchst bemerkenswert:

"Hier versuchte ein Mensch die Verkörperung der Transzendenz über alle Schwierigkeiten hinweg durchzuhalten. Die Botschaft ist die Spiritualität. Die Botschaft ist nicht, eine Moralinstitution zu sein, nicht ein Kraftwerk zur Herstellung von Werten. Das kommt alles danach. Johannes Pauls Botschaft ist: Wir sind nicht ganz und gar von dieser Welt. Wir sind hiesig, aber wir glauben, auch noch in einer anderen Welt zu stehen."
"Dogma ist kein schmutziges Wort"

"Es gibt zwei Sorten Menschen in der Welt: die einen, die wahrnehmen, daß sie Dogmatiker sind, und die Hornochsen."

John da Fiesole verteidigt fröhlich das Recht der katholischen Kirche auf ihre Dogmen.

"If the Church weren't dogmatic, she would be nothing.

(...) John Paul II didn't introduce dogmatism to the Church. It may be true that he reminded some that, without dogma, there is no Church; it may be true that some weren't happy to be told that. But their unhappiness wasn't with dogmatism as such, it was with the specific Catholic dogmas the Pope reminded them of, the same dogmas they've been dogmatically denying."

10. April 2005

Novene

Nachdem - wie soll man sagen? - aus unserer Pfarrgemeinde der Papst spurlos verschwunden und irgendeine Erwähnung Johannes Pauls II. und der baldigen Wahl seines Nachfolgers in den Sonntagsgottesdiensten völlig unterblieben ist, werde ich mich wohl der Novene anschließen, zu der die Schönstattfamilie einlädt.
Die Alten ruhig stellen:

Der Kissenroboter
Der Unbefangene der Weltkirche

Ein lesenswerter Leitartikel in der FAZ: Patrick Bahners schreibt über die "Freiheit eines Christenmenschen", konkret die des Bischofs von Rom:

Heute wird der Papst wieder als Gefangener des Vatikans beschrieben - nun aber als Geisel des eigenen Apparats, gekettet an eine Institution, die die Zeichen der Zeit verkennt. Schon zu Lebzeiten Johannes Pauls II. schilderten Solidaritätsadressen aus dem Schatzkästlein der Absolutismuskritik den Mann guten Willens, dessen Vertrauen in finsterer Absicht mißbraucht wird. Beklagt wird die Isolation, in die sich die Kirche durch rigorose Moralpredigten manövriert habe - als sollten sich die Geister nicht scheiden und wäre nicht jedermann mit seinem Gewissen allein.

Ein verwandtes Trugbild ist die Weltfremdheit der römischen Zentrale - die Ausflucht lokaler Funktionäre, die ihre Usancen nicht auf dem Prüfstand sehen wollen. Der Visitator der Weltkirche mußte Anstoß erregen: als der Unbefangene des Vatikans. Johannes Paul II. wollte nicht einfach hinnehmen, daß in der Bundesrepublik Deutschland die Abtreibung eine sozialstaatliche Leistung ist und die Kirche nur durch Mitwirkung am Scheinestempeln Schlimmeres verhüten könne. Anders hätte er womöglich gedacht, wäre Pius IX. 1870 aus Rom geflohen und hätte das Papsttum wie im Mittelalter bei den deutschen Kaisern Schutz suchen müssen.

Wozu hätte die Kirche ihre Freiheit vom Staat erkämpfen sollen, wenn sie das Geschlechtsleben und das Geschlechterverhältnis nicht anders ansehen dürfte als andere Institutionen? Die Ausreden des allgewaltigen Konformismus stehen dem Papst nicht zu Gebote. Ihn bindet weder Landessitte noch Zeitgeist. Der römische Weltbürger ist ein freier Herr und niemandem untertan, als freier Christenmensch ein Beispiel für alle anderen.
Der gute Kerl

Ulrich Greiner fragt im gleichen Interview später:

"Was bedeutet Gott für Sie?"
Und Andreas Maier:

"Irgendwann habe ich damit angefangen, mir die Verwendung des Wortes Gott zu gönnen. Wenn man sich dieses Wort verbietet, hat man extreme Schwierigkeiten, bestimmte Dinge zu sagen. Aber dass uns der liebe Gott als ein guter Kerl vorgestellt wird, das verüble ich den heutigen Priestern und ihren Predigten in höchstem Maße. Es darf nicht sein, dass wir das Wort Gott nur verwenden, um uns gegenseitig zu versichern,dass wir alle schon irgendwie gut und richtig seien. Ich komme aber als Gläubiger schon deshalb nicht infrage, weil ich die versammelte Kirchengemeinde immer ganz grässlich finde."
Der liebe Gott als guter Kerl - wenn er denn wenigsten ein "Kerl" wäre, dann hätte er noch Kontur! Stattdessen sagen wir leichthin: "Er liebt dich, er nimmt dich an, wie du bist" und begnügen uns damit. Dieses ganze dicke Buch, in dem die Gestalt und die Geschichte dieser Liebe beschrieben ist, das lassen wir im Bücherregal stehen, und geben die dünne Essenz weiter, die uns selbst aus "Kommion"-Unterricht und Religionsstunden hängen geblieben ist.

Feuerbach ist modern: noch nie war der Gott der Christen so selbstgemacht wie heute.

Daß die Gräßlichkeit einer Kirchengemeinde als Grund des Fernhaltens dient, ist allerdings schon wieder ein Aspekt dieser Zähmung: Kann er mir zumuten, mich zwischen diese Langweiler, Heuchler, Gutbürger, Egoisten, Gotteszähmer zu setzen?

Klar kann ER, und ich merke gelegentlich, daß ER SIch "ex negativo", trotz der langweiligen Predigt, den schläfrigen Gesichtern, den stolpernden Ministranten, trotz meiner schlechten Laune, "blicken lässt", und dann: daß ER mir in diesem kleinen, runden Brotstück noch mehr schenkt als ein kurzes Aufblitzen: SIch selbst.
Auch eine geistliche Einsicht

Aus einem Interview mit Andreas Maier in der Literaturbeilage der Zeit (März 2005):

Zeit: Sobald in ihren Büchern ein Gedanke, eine These eine gewisse Leuchtkraft gewinnt, fällt der Schatten des Zweifels darüber.

Andreas Maier: Ein Freund von mir, ein Russe, ist kürzlich in ein orthodoxes Kloster eingetreten und sagte mir, sein Ziel sei es, sich für den Ärmsten und Niedrigsten zu halten. Zugleich bestehe darin die größte Gefahr, denn man könne aus diesem Gefühl einen mächtigen Stolz ziehen. Durch diesen Zwiespalt ehrlich hindurchzukommen ist das Problem. Ich kann mir nie sicher sein, ob ich jetzt gerade eitel oder wirklich bei der Sache bin. Das finden Sie auch in meinem Buch: Eine Person wirkt eben noch authentisch, hat eine Wahrheit für sich gefunden, und drei Seiten später ist alles ins Groteske verzerrt. Das Wahrheitsmoment wird ideologisch aufgeladen und führt zu monströsen Konsequenzen.

Zeit: Was bedeutet Eitelkeit: Anderen gefallen zu wollen?

Andreas Maier: Ich kann auch mir selber gefallen, ich kann sogar Gefallen an meiner Erniedrigung finden.

Zeit: Was spricht dagegen, dass ich mir gefalle?

Andreas Maier: Einige der Helden von Kirillow, die gegen den Castor-Transport demonstrieren, tun das nur zum Spaß, aus Selbstgefälligkeit, aus völlig eitlen,nichtigen Gründen. Neulich sah ich ein paar Atomkraftgegner in Uelzen, mit Gitarre, Wollmützen und nackten Füßen bei eisiger Kälte. Das war für mich ein Vexierbild, und ich frage mich: Sind diese nackten Füße jetzt etwas Authentisches, oder steckt dahinter bloß eine demonstrative, nur noch eitle Geste, die sagen will: 'Schaut her, ich bin besser'?

8. April 2005

Autonome Kunst und kirchlicher Auftrag

Eine Erinnerung an Johannes Paul II.
- in den katoptrizomena.
O-Ton Wojtyla

Papstbücher vergriffen? - Hier gibt es jede Menge kostenlos!!
Metaspekulationsblog

Papabile
Ökumenischer Fortschritt (Fortsetzung)

"(kathpress.at) Sydneys anglikanischer Erzbischof Peter Jensen hat die Idee des klassischen Protestantismus für 'weitgehend tot'
erklärt. Der Erzbischof rief in einer Rede vor dem Kirchenrat von New South Wales 'alle Christen' auf, sich mit der römisch-katholischen Kirche in einem 'Protestantismus des Gewissens' gegen den 'säkularistischen Humanismus' als 'gemeinsamen Feind' zusammenzutun. Das Etikett 'Protestantismus' sei passend, so Jensen, solange es für ein 'durch die Bibel geformtes Gewissen' stehe. Der letzte Beweis für das Ende des Protestantismus alter Prägung sei die Hochzeit zwischen dem britischen Thronfolger Prinz Charles und Camilla Parker-Bowles, sagte der anglikanische Erzbischof. Jetzt werde eine königliche Hochzeit wegen eines Papstbegräbnisses verschoben: 'Eine unausweichliche Entscheidung, aber sie markiert das Ende des protestantischen England'. Für Papst Johannes Paul II. fand Jensen nur lobende Worte. Der Papst habe sich gegen jene Kräfte gestellt, vor denen der Protestantismus kapituliert habe: Relativismus, Individualismus und Materialismus. Als 'vornehmste Aufgabe' für Christen nannte er eine gemeinsame Evangelisierung zur 'Füllung des spirituellen Vakuums'. Die Christen seien 'theologisch schwächer und konfessionell gespaltener, als wir es eigentlich sein sollten'." (Newsletter St. Josef)

"Feind" hätte Johannes Paul II. vermutlich nicht gesagt.
Ökumenischer Fortschritt

Da, wo einmal die Westminster Confession den Antichrist entdeckte ("There is no other head of the Church but the Lord Jesus Christ: nor can the Pope of Rome in any sense be head thereof; but is that Antichrist, that man of sin and son of perdition, that exalteth himself in the Church against Christ, and all that is called God."), ist nur reines, lauteres Lob zu hören. "The harshest criticism of Pope John Paul II", schreibt Christianity Today, "is coming from American Catholics like Andrew Greeley, Thomas Cahill, and John Cornwall."

7. April 2005

Coole Brille



"Bono discovered another facet.

'He had mischief in his eyes as well as godliness,' he says. 'If the Catholic Church is the glam rock of religion, this guy was just the most vivid of performers.'

While they were seated together, Bono noticed the pope staring at him. Concerned that his powder-blue 'fly shades' were an offensive accessory, Bono removed them. When Bono approached to receive the rosary beads, the pope continued eyeing the sunglasses.

'So I asked if he wanted them,' Bono said. 'He not only nodded, but he put them on and made the wickedest smile. It was a great moment for a lot of reasons, and one of them was, I thought, 'We'll be on the front page of every newspaper.' I don't mean me, but our issues. I knew what a picture of the pope in sunglasses was going to do.'

Many photos were taken. None surfaced. 'The Vatican courtiers didn't have the same sense of humor as the pontiff,' Bono said. 'They could imagine the T-shirts. We'll never see those photos.'" (USATODAY.com - Bono recalls pontiff's affection for the poor and cool sunglasses)
Der Papst und die Pop-Kultur

Bob Dylan, Bono und U2, B.B. King, Ricky Martin, Jewel, Cleopatra, Eurythmics, Lou Reed und Andrea Bocelli - eine imposante Liste von Popstars, die alle vor JPII spielten. (Quelle: mtv)

"In 1997, John Paul II invited Dylan to perform for him at the World Eucharistic Congress in Bologna, Italy ... After the concert, the pope referenced the singer/songwriter's famous song 'Blowin' in the Wind,' describing Christ as 'the road a man must walk down before they call him a man.'"

Das Herz vom Papst

Manche machen dieser Tage genauso wenig wie vor dem 2. April aus ihren Herzen keine Mördergrube und lassen uns an ihren antirömischen und antipäpstlichen Komplexen teilhaben.

Andere enthüllen nur sprachliche Schwächen, die aber gründlich. Bastian Sick kompiliert einiges im Zwiebelfisch.

6. April 2005

Haben Sie ihren schon geschrieben?

"Frage nicht, was du, sondern was der Papst..." - oder wie war das noch?

Es ist Wunschzettelzeit in der Kirche, und alle dürfen mitmachen. Aber bitte nicht mehr als zwanzig Zeilen."Was wünsche ich mir vom neuen Papst?"
Kleinbürgerlicher Rächer der Verfolgten und Enterbten

Jetzt schlagen sogar noch die eigenen Landsleute auf ihn ein: Ludwig Hasler rechnet mit dem Kirchencontroller Hans Küng ab.
Reine Höflichkeit

Ja nee is klar, daß man geladene Gäste nicht brüskieren oder verlegen machen will, schon gar nicht in einem Pontifikalrequiem. Da nimmt auch ein Kardinal in Kauf, daß er vor den gesammelten Trauermienen unserer Politikerklasse nur politisch korrekte Beispiele für den Heldenmut unseres verstorbenen Papstes aufzählt: Der Supermacht USA ins Angesicht widerstehen, wenn sie den Irakkrieg beginnt; Israelis und Palästinenser zu einem gerechten und friedlichen Frieden aufrufen; den Nord-Süd-Konflikt entschärfen und auf eine gerechte Verteilung von Geld und Ressourcen drängen.

Ja nee is klar, daß man bei einem solchen Anlaß nicht unbedingt aus Evangelium Vitae (Nr. 62) zitiert:

"Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen - die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben -, daß die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen.

Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Handlung für die Welt statthaft machen können, die in sich unerlaubt ist, weil sie dem Gesetz Gottes widerspricht, das jedem Menschen ins Herz geschrieben, mit Hilfe der Vernunft selbst erkennbar und von der Kirche verkündet worden ist."
Ja nee is klar, daß man auch mal schweigen muß.
Pontifex

That's why they call him Pontifex, maker of bridges:

"The chairs already laid out in St. Peter's Square will seat President Bush near President Mohammad Khatami of Iran, one of the countries Bush included in his 'axis of evil.'" (Reuters.com)
Ausgegähnt

Der Soziologe Hans Joas in einem Interview des Tagesspiegels aus gegebenen Anlaß:

"Es gibt ein wesentlich höheres Wissensinteresse an Religion. Das Thema löst kein Gähnen mehr aus. Die Medien sind voll mit glaubensbezogenen Themen. Hand in Hand damit geht eine zunehmende gesellschaftliche Skepsis, ob der Abbruch religiöser Traditionen wirklich ein eindeutiger Fortschritt ist oder möglicherweise auch ein Verlust. In diese Situation hinein hat der Papst die Überzeugung verfochten, dass den Menschen ohne Bezug zu Gott etwas fehlt, und dies in einer imponierenden Weise in Bildern, Handlungen und Bewegungen umgesetzt."

5. April 2005

Der nahe Papst aus dem fernen Land

Mein Papst und ich - eine Beziehung über die Ferne, 26 Jahre lang.

1978 war ich 18 Jahre und hatte während des Pontifikats Pauls VI. in nicht wenigen Religionsstunden freiwillig meinen Kopf "für Papst und Kirche" hingehalten. Mit Johannes Paul II. fiel das leichter: der Papst aus dem fernen Land war anfangs tabu, und im Windschatten des attraktiven, dynamischen Mannes in weiß machte das Katholischsein auch öffentlich durchaus Spaß. Spätestens im Dezember 1979 änderte sich das, als Hans Küng seine Lehrerlaubnis entzogen bekam. Aber da war die Schulzeit schon vorbei.

Mit Freunden einer "neuen geistlichen Gemeinschaft" (die man damals noch nicht so nannte) fuhr ich 1979 nach Rom - ohne den Papst zu sehen. Denn der war in Polen.

Seine erste Enzyklika und seine Fastenexerzitien "Zeichen des Widerspruchs" legte ich mir bald nach Erscheinen zu - und habe beide bis heute nicht gelesen. Es waren ästhetische, stilistische Gründe, nicht inhaltliche. Hans Urs von Balthasar - einer der Lieblingstheologen von Johannes Paul - hatte mich tief beeindruckt - und er war der intellektuell bei weitem reizvollere, fand ich.

Vor ein paar Tagen brachte HR3 Bilder vom Besuch des Papstes in Fulda am 17. November 1980 - meine einzige Begegnung mit JPII. Jung war er damals - das hatte ich vergessen. Bei aller Begeisterung ging es würdig zu, schließlich waren es Priester, Theologen und Seminaristen, die an diesem Tag eingeladen waren.

Nicht vergessen habe ich den Bericht eines Priesters über eine persönliche Begegnung mit dem Papst in diesen Jahren. Selber ein vorbildlicher Priester, war er tief beeindruckt von der Menschlichkeit und der Offenheit des Papstes für seine Besucher, von der Einfachheit seines Lebens und von seiner tiefen Frömmigkeit.

Die 80er Jahre wurden eher ungemütlich. Ich verbrachte sie anfangs im Exil mitten unter jungen, aufgeschlossenen, zeitgemäßen Christen, und dort war JPII absolut uncool. Einer, der Leonardo Boff stillschweigen lässt, die Befreiungstheologie verbietet, die Ökumene sabotiert und in puncto Feminismus auf der misogynen Pauluslinie liegt.

Später dann fand ich mich an der deutsch-katholischen Normalbasis: Prinzipiell war man gut-katholisch, aber mit der Zeit wurde der Papst immer peinlicher. Denn er hatte die vielen alltäglichen Fortschritte nicht mitvollzogen, die das Christenleben inzwischen leichter machten. Pilgerfahrten nach Rom standen trotzdem auf dem Programm, aber daß der Papst ein eigenes Programm der Erneuerung und Reform hatte, daß er zu motivieren und zu mobilisieren versuchte - das interessierte keinen, den Ortspfarrer noch am wenigsten.

Eher erstaunt stellte ich in den 90ern fest, daß sich in einer jüngeren Generation eine neue, unbefangene Begeisterung für den Papst entwickelte, die den "Kirchentreuen" meines Alters unmöglich war.

Meine persönliche Wiederentdeckung von Johannes Paul II. kam mit seinen großen Enzykliken Fides et Ratio, Veritatis Splendor und Evangelium Vitae, mit dem Weltkatechismus - und mit den Biographien von George Weigel und Jan Roß. Die Welt hatte sich 1989 verändert, nur einer stand nach dem Ende der Geschichte immer noch unerschüttert und unverändert. Die Wahrheit hatte ein Gesicht und eine Stimme - nicht zuerst eine unfehlbare, immer aber eine unüberhörbare.

Und als sie schwächer, brüchiger, stockender wurde, wurde sie auch für mich umso lauter. Das neue Millenium hatte begonnen und JPII hatte es uns als Heilszeit vorgestellt. Ein Endzeitprophet war er gut katholisch nur in dem Sinn, daß mit jedem Eintreten Gottes ins menschliche Leben die letzten, die entscheidenden Stunden anbrechen.

Über seinen Satz "Der Mensch ist der Weg der Kirche" habe ich oft nachgedacht - aber die Millionen, die unterwegs nach Rom sind, interpretieren ihn auf ihre Art. Diese so verschiedenen Pilger haben nämlich entdeckt, daß in Menschen wie ihm das Geheimnis der Kirche und das Geheimnis des Christseins sichtbar wird. Der Weg der Kirche wird durch Menschen abgesteckt, die wie er ganze Sache machen im Glauben. Und wir anderen fühlen uns wohl in ihrer Nähe - wohl und herausgefordert, vielleicht doch endlich einmal ernst zu machen.
GodPod
Literatur-DNA

Über 300 Schriftstellerinterviews aus den letzten 50 Jahren bei The Paris Review.
Römisch-catholic

Ist das schon globalisiert oder noch katholisch? Ist das nicht die verkehrte Einheit in der Vielfalt: Rupert Mayer Lectures in Aachen und Familyfeste bei den Focolare.

Demnächst erleben wir dann die Monthly Atonement Night in Marienfried und die Divine Mercy Novena der "Wuerzburg Franciscans".

Wahrscheinlich hat der World Youth Day im August, jenes große Faith Event, diesen Trend bei den Catholic Conservatives gesettet, oder?

4. April 2005

Die Papstwünscher

Nehmen wir mal an, daß sich viele aus den Reihen der katholischen Nichtkardinäle, der nichtkatholischen Christen sowie der Nichtchristen, die genaue Vorstellungen zum Idealprofil von Johannes Paul III. haben, aus Respekt vor dem verstorbenen Papst aktuell noch zurückhalten und sich erst am Freitag, 8. April nach etwa 14.00 Uhr äußern werden - dann sind das jetzt nur die Taktlosen oder die besonders von ihrer Geistgeführtheit oder sonstigen Einsicht Überzeugten, die den anreisenden Papstwählern ihre Botschaft mit auf den Weg geben - oder sich vorauseilend die Option zum Ungehorsam offen halten: "Wir haben es ja damals gleich gesagt - aber ihr habt nicht auf uns gehört. Statt einen sympathischen, weltoffenen, toleranten Reformpapst zu wählen, mußtet ihr euch ja unbedingt für einen Wojtyla-Klon entscheiden..."

Am Artikel von Christian Geyer über die Schnellverlautbarer Wolfgang Thierse, Heiner "Was-würde-Jesus-sagen" Geißler und Walter Kardinal Kasper habe ich nur eines zu bemängeln: das frühe Erscheinungsdatum. Ab Freitag würde er noch besser passen.
Tragischer Griesgram

Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen! Schon wieder habe ich mich über Hans Küng lustig gemacht - und dabei ist er doch auch ein Bruder, ein getaufter und gefirmter Bruder, Mitglied am Leib Christi, über den man schmunzeln, aber vielleicht doch nicht höhnen sollte...

Zum Ausgleich verlinke ich auf einen Kommentar des Pontificator zu Hans' kürzlichem Spiegel-Stück.

"Die wesentliche Schwäche von Küngs Diagnose ist, daß er versagt zu beobachten, daß seine Reformvorschläge von den Kirchen der Reformation in der Tat übernommen worden sind, und doch stehen diese Kirchen jetz am Punkt ihrer Auslöschung. "Modern" und "fortschrittlich" zu werden, hat sich nicht als Quelle der Erneuerung und des kirchlichen Wachstums erwiesen - im Gegenteil. Je mehr die Grenzen zwischen Kirche und Kultur verschwimmen, umso irrelavanter wird die Kirche für die Kultur. Je mehr die Kirche ihren Halt in der Heiligen Tradition und die Integrität des katholischen Glaubens verliert, umso weniger hat sie der Kultur [im Original steht: the Church, aber das ergibt keinen Sinn; scipio] und der Gesellschaft zu sagen. Je offener die Kirche für die Welt wird, umso kraftloser wird sie, Jünger Jesu Christi zu gewinnen. Es ist eine Schande, daß Küng anscheinend nie dazu gekommen ist, Stanley Hauerwas und John Henry Newman zu lesen.

Hans Küng ist eine tragische, pathetische Figur. Unfähig, seine Kämpfe mit den Autoritätsstrukturen der Katholischen Kirche zu überschreiten, ist er unfähig zu sehen, daß es genau seine Version von Christsein und Kirche ist, die zum Großteil verantwortlich für die gegenwärtigen Probleme der Katholischen Kirche ist. Küng hätte ein ausgezeichneter Theologe werden und viel Gutes vollbringen können. Stattdessen wurde er ein theologischer Ackergaul und Griesgram." (Eigene, unautorisierte Übersetzung)
Beleidigte Fossiliensammlung

Zurück in die alltäglichen Niederungen des Kirchenkampfes (oder sollte man sagen: -bürgerkriegs?) - Deutschland hat offensichtlich eine der kürzesten Trauerzeiten weltweit.

Matthias Matussek beobachtete bei Sabine Christiansen & Friends neue Frontverläufe:

"Er war es dann auch vor allem und der junge Theologe, die den Papst über die abgestandene Kritik hinaushoben und eine Ahnung davon vermittelten, was das wahrhaft Revolutionäre dieses Papstes gewesen ist: sein weltumspannender Humanismus, sein soziales Kämpfertum, seine pazifistische Unbeirrbarkeit, seine religiöse Tiefe, sein Humor, sein Mystizismus, das Beharren auf den Kirchengeboten, seine ökumenische Glut.

Und: In diesem stetig verblödenden Zirkus der ständigen Quoten und politischen Beliebtheitsumfragen und hedonistischen Anpassungen immer öfter nein gesagt zu haben.

Dieser Papst hat, unter Umgehung aller Gremien, an den inneren Menschen appelliert. Die Millionen auf dem Weg nach Rom und rund um den Erdball haben ihn verstanden. Die "Sabine Christiansen"-Show eher nicht.
Sedisvakanz

Ein Vorabauszug aus einem 2005 erscheinenden Werk von Ulrich Nersinger - von Nova et Vetera dankenswerterweise ins Netz gestellt. (Ich konnte das pdf mit Acrobat Reader 5.0 nicht öffnen, erst mit dem Acrobat 6.0.)

Auch in der Tagespost ein Artikel von ihm.
Totus suus



"Denn keiner von uns lebt sich selber,
und keiner stirbt sich selber.

Leben wir, so leben wir dem HErrn.
Sterben wir, so sterben wir dem HErrn.

Ob wir aber leben oder sterben:
Wir sind des HErrn." (Röm 14, 7-8)

2. April 2005

Hoffnung

Viel Dummes wird in diesen Tagen wieder gesagt und geschrieben. Aber auch daraus kann uns Gutes erwachsen.

Wenn zum Beispiel eine Tageszeitung heute titelt: "Keine Hoffnung mehr für den Papst", dann soll uns das nicht so sehr die Ahnungslosigkeit oder das Heidentum des Redakteurs bezeugen, sondern zum Nachdenken über die christliche Hoffnung auffordern.

Josef Pieper schreibt in "Über die Hoffnung":

"Die natürliche Hoffnung entspringt der jugendlichen Kraft des Menschen und versiegt mit ihr. 'Jungsein nämlich hat viel Zukunft und wenig Vergangenheit'. So wird anderseits mit dem sinkenden Leben vor allem die Hoffnung müde; das 'Noch nicht' verkehrt sich in das Gewesene, und das Alter wendet sich, statt dem 'Noch nicht' erinnernd dem 'Nicht mehr' zu.

Für die übernatürliche Hoffnung aber gilt das Umgekehrte: sie ist nicht nur nicht gebunden an das natürliche Jungsein, sondern sie begründet gerade eine viel wesenhaftere Jugendlichkeit. Sie schenkt dem Menschen ein 'Noch nicht', das dem Sinken der natürlichen Hoffnungskräfte schlechthin überlegen und entrückt ist. Sie gibt dem Menschen so 'viel Zukunft', daß die Vergangenheit eines noch so langen und reichen Lebens dagegen als 'wenig Vergangenheit' erscheint. Die theologische Tugend der Hoffnung ist die Kraft des Auslangens nach einem 'Noch nicht', das um so unausmeßbarer sich weitet, je näher wir ihm sind. (...)

Die übernatürliche Jugendlichkeit nämlich strömt aus der Teilnahme am Leben Gottes, der uns innerlicher und näher ist als wir selbst.

Darum ist die Jugendlichkeit des auf das Ewige Leben sich spannenden Menschen wesentlich unzerstörbar. Sie ist dem Altern wie der Enttäuschung unerreichbar; sie bewährt sich gerade im Vergehen der natürlichen Jugend und in den Versuchungen zur Verzweiflung. Paulus sagt: 'Wenn auch unser äußerer Mensch vergeht, der innere verjüngt sich von Tag zu Tag' (2 Kor. 4,16). Kein Wort aber gibt es in der Heiligen Schrift und in der Menschensprache überhaupt, das die aller Vernichtung standhaltende Jugend des hoffenden Menschen, durch einen Vorhang von Tränen hindurch, so triumphal laut werden läßt wie der Satz des Dulders Hiob: 'Wenn ER mich auch tötet, ich werde auf IHn hoffen' (13, 15)." (lieben - hoffen - glauben.- München: Kösel, 217 - 219)
Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt, sondern sie stirbt gar nicht, sie erfüllt sich in der Begegnung mit dem Auferstandenen und Erbarmenden HErrn! Mit dieser frohen Hoffnung also beten wir weiter für den sterbenden Johannes Paul den Großen.

1. April 2005



"Gott, du Hirt und Lenker aller, die an dich glauben, sieh gnädig auf deinen Diener, unseren Papst Johannes Paul II., den du zum Hirten deiner Kirche berufen hast. Gib, dass er durch Wort und Beispiel das Heil deines Volkes fördert, und führe ihn mit der ihm anvertrauten Herde zum ewigen Leben. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn."
Bloggerglück und Netdesaster

Da bekomme ich ein dickes, fettes, lange ausgebrütetes Osterei und merke es nicht mal. Das 2. Kompliment des Tages geht also an das einzige deutsche Antimodernisten-Blog!

Woanders geht es demgegenüber ziemlich desaströs zu, z.B. hier oder gar dort... ;-)
Die Strenge der Dichterin

Gabriele Wohmann läßt sich im RheinischenMerkur interviewen:

"RM: Wenn der Zugang zum einfachen Glauben von vielen Zweifeln verstellt ist – wie wäre denn die neue, wissende und glaubende Naivität wieder zu gewinnen? Was können die Kirchen dazu beitragen? Und was die Dichter?

Wohmann: Die Kirchen drücken sich davor, über den Tod zu reden und das Wort „Gott“ in den Mund zu nehmen! Sie sind vom Glauben eher entfernt und machen lieber Weltliches. Viele Pfarrer sind eher Sozialpädagogen.

RM: Und die Dichter?

Wohmann: Die können nicht beim Glauben helfen. Die meisten kümmern sich ja überhaupt nicht darum. Hierzulande hat die Religion einen komischen Beigeschmack. In Amerika ist das völlig anders. Ein Schriftsteller wie John Updike bekennt sich klar und eindeutig dazu, dass er ein gläubiger Mensch ist, wenn auch immer hin- und hergerissen von Zweifeln. Aber das gehört dazu. (...)

RM: Wünschen Sie sich mehr lyrikbewanderte Pfarrer, die die Entdeckungen der Dichter in ihre Predigten aufnehmen?

Wohmann: Nein. Obwohl – mein Vater hat so etwas gemacht und Dichter zitiert. Aber ich habe es am liebsten, wenn nur von der Frohen Botschaft die Rede ist. Keine Abschweifungen. Ich bin streng, oder?"
"Karol und Christus"



Vatican: Pope Has Suffered Heart Failure (Yahoo / AP)
Deutsche Civil Religion

"Ohne Wort-Gottes-Feiern würde in ländlichen Gebieten die Dorfgemeinschaft zerfallen" - bei allem Verständnis: ein theologisches Argument ist das ja nicht, was Wortgottesdienstleiter aus der Rhön und das
Würzburger Katholische Sonntagsblatt da formulieren.
Krankensalbung

Pope given last rites, sagt CNN. (via Sinfonia Sacra)

Oremus.
Kompliment!

Ich hole momentan mein "vacation lag" auf und lese gerade die Blogs der Kollegen. Fasziniert und begeistert bin ich dabei bei Martin Reckes Notizbuch hängen geblieben: Da stimmt ja einfach alles - Layout, Postings, Bilder.
Standardantwort



Das erinnert mich an jenen Priester meiner Jugend (wie man so schön sagt), der einmal behauptete, daß er seinen Nonnen in der 6.00 Uhr-Messe auch aus der Mao-Bibel vorlesen könne, ohne daß sie es merkten.
Theologen bei der Arbeit.
Heute: Ostern


Hans Kessler mit - gelinde gesagt - bemerkenswerten Einsichten im Organ für aufgeklärte Christen, z.B.:

"Was in diesem Katechismus der katholischen Kirche steht, ist nicht einfach der Glaube der Kirche."