30. September 2005

Irrenhaus, integrativer Kindergarten oder doch die C of E?

Peter Mullen verschafft uns einen Schnappschuß der Church of England. (September-Heft des New Criterion)

Wie viel von der deutsch-katholischen Kirche erkennen wir da wieder? Der Selbstprüfung anempfohlen.

As we prepare for our Harvest Festival Services, we see that what’s left of the English Church is indistinguishable from a lunatic asylum. Everywhere you peer inside this once refined and educated, lovely and lovable national institution, there is only a mania for self-destruction. How else can you account for church services that compete with pantomime for dramatized idiocy? For example, I recently attended a conference for clergy at a beautiful medieval church in Oxford. It was supposed to be a choral Eucharist but there was no organ music—only some plinky-plonky stuff on an out-of-tune piano and mindless choruses in the Jesus Goes to Toytown fashion: interminable glum repetition of what was not worth singing once.

Then the Bishop came on and told us that at the laughably misnamed riot called “The Peace” he didn’t want us merely to shake hands but to “hug one another”—and not just to hug one another, but to put our arms on our neighbor’s shoulders and say three times, “You are everlastingly loved.” When, with varying degrees of squeamishness, grown men fawned on one another in this way, the Bishop came on again in full pantomime mode and said, “Not loud enough! Again—louder!” Not one word from the Book of Common Prayer throughout the three-day conference or indeed from any source that might be identified as religious in the traditional sense. And that Bishop is now Archbishop of York.

29. September 2005

Doch heiliger Hans

"Hans Küng hat trotz der zugespitzten Schärfe mancher Äußerungen, worüber auch Freunde seiner Theologie den Kopf schüttelten, nie einen Zweifel daran gelassen, daß er ein Priester seiner Kirche war, ist und bleibt. Er hat sich trotz tiefster Verletzungen nicht in die Ecke des Sektierers abdrängen lassen, sondern sich bei aller Leidenschaftlichkeit in Freiheit, Freimut, Wahrhaftigkeit, aber genauso in Treue, Traditionsbewußtheit und Liebe zum Glauben in der Mitte der kirchlichen Gemeinschaft verankert, im Kern des eucharistischen Geheimnisses von Leben, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Das konnten die Nachdenklichen nicht nur lesen, das konnten viele spüren." (Christ in der Gegenwart)

Alles richtig, wenn man davon ausgeht, daß der Herr Professor mit "Priester", "Tradition", "kirchlicher Gemeinschaft", "Eucharistie", "Tod", "Auferstehung" dasselbe meint wie die Kirche, zu der er gehört. Die Kirche meint das jedenfalls nicht.
Motto

"... die Narrheit des Wahren heiteren Herzens ohne Abstriche zu wagen, scheint mir die Aufgabe für heute und morgen." (Joseph Ratzinger 1975)

Wäre das kein schöner Untertext für einen Blogozesenblog? Ich überlege schon, ob ich damit die geliebte Anselm-Passage ganz oben ersetze.
Horch!

Apocalypso hört die katholische Kirche lautstark schweigen und die Evangelische Filmjury lauthals loben, wo "Paradise Now" das letzte Abendmahl provokativ zitiert.

Aber gegen Mel Gibson machen alle, alle den Mund auf...
"My name is Jerry Lee Lewis, come from Lou-i-siana"

Happy Birthday, Jerry Lee!
Du bist Teutschland

Auf die "Du bist Deutschland"-Kampagne gibt die Universitätsbibliothek Innsbruck einen Kommentar auf ihre Art: Die Jahrgänge 1802 und 1805 der "National-Chronik der Teutschen" sind im Netz (via netbib).

"Mag uns der Britte an Gold und Reichthümern, der Gallier an Tapferkeit und Muth, der Italiener an seinem Trug, der Russe an körperlicher Kraft - übertreffen; wollen wir nach dem Siege über sie alle streben, nach dem Siege durch - Humanität. Wir waren eher auch reich, und tapfer, und kraftvoll; aber wir sind, im Kreislaufe der veränderlichen Dinge, arm und schwach geworden. Dafür wollen wir uns um alles die Ehrenstelle nicht nehmen lassen, die einem Volke gebührt, dem noch jetzt Wieland, Schiller, Herder, Kant, Fichte, Klopstock, Jean Paul, Dalberg, und so mancher andere von gleichem Sinne und von gleicher Kraft, angehören. (...)

Die Herrschaft der Weisheit sey der Triumph der Teutschen. Eine Herrschaft durch äussere Macht wird den Söhnen der Helden nicht mehr gelingen, weil ihre Kraft zersplittert ist. Dafür werde die Einheit des Geistes desto fester und inniger unter ihnen, und dadurch gründen sie sich ein Reich von unermeßlichem Gebiete." (National-Chronik der Teutschen, 1802, S. 2)

28. September 2005

Glauben heißt: es nicht besser wissen wollen

Paradebeispiele frei flottierender Religiosität haben es schon mehrfach in diesen Blog gebracht.

So soll auch dieses Zitat vor dem Vergessen bewahrt bleiben - denn bald wird sich niemand mehr daran erinnern wollen:

"SPD-Vorstandmitglied Sigmar Gabriel über Bundeskanzler Gerhard Schröder: 'Es gibt in der SPD ganz viele, die nun sicher sind, dass er auch über Wasser laufen kann. Ich bekenne freimütig: Ich gehöre dazu.'" (Quelle, gefunden bei der Gegenstimme)
Akute Eheprobleme

Was die Ehe von anderen Formen des Zusammenlebens unterscheidet und, warum die Zwei-Eltern-Familie kein gesellschaftliches Problem darstellt, die Ein-Eltern- und Wilde Variante aber doch - das beschreibt James Q. Wilson, Moralphilosoph und Politikwissenschaftler, in In Character.

"In fact, there is a tendency in American politics to shy away from any discussion of these matters because they lack the obvious pain of an airplane crash or the dramatic appeal of an isolated case. Since the Supreme Court struck down laws against homosexual conduct many people have been preoccupied with either encouraging or resisting homosexual marriage. Whatever your views about homosexual marriage, were it adopted nationally it would affect only about 2 or 3 percent of the population. Cohabitation, divorce, and single-parent families are problems that affect roughly half of the population. Still, we find it more interesting to discuss homosexual marriage than to discuss marriage itself.

But talking about marriage is essential to the future of our society. Marriage shapes our commitments and builds our character. No one is quite certain what will restore marriage to its once privileged position, but many private groups and some state governments are trying to find out. Our task ought to be to encourage and to evaluate these efforts.

If we are successful in revitalizing marriage, we shall have dramatically improved loyalty and the benefits that flow from this commitment. Marriage, it is true, is a lasting restriction on human freedom; indeed, some young people resist marriage because by accepting it they lose some of their freedom. But every human freedom has its limits: we cannot falsely shout “fire” in a crowded theater nor knowingly print libelous stories about another person. In every aspect of our lives we accept limits to freedom, but in the case of the limits set by marriage we gain a great deal in return: longer, healthier lives; better sex; and decent children. Loyalty to spouse and children and relatives enhances our capacity to enjoy the freedom we have.
Ich auch!

Wenn der Raschke und der Weisner dürfen, dann will ich aber auch! Aber brauchen Kath-Blogger von der "Ich-bin-schon-immer-Kirche"-Sorte wirklich eine Aufwertung per Audienz? (SpOn)

27. September 2005

Revolution durch Einklammerung

Nach dem leisen Abschied vom Naturrecht wittert Christian Geyer in der Begegnung B16 - Küng eine weitere Revolution auf Katzenpfoten:

"Tatsächlich ist das Treffen des Papstes mit Küng ein historisches Ereignis, was immer daraus noch folgen wird. Revolutionen sind in der Kirche stets auf leisen Sohlen gekommen. Die stillschweigende Einklammerung, nicht der laute Widerruf ist die Art und Weise, wie dieses Traditionsunternehmen seine Tradition selektiert. In diesem Sinne könnte man aus der vatikanischen Erklärung noch eine weitere Botschaft heraushören.

Der Papst habe, so heißt es, das Bemühen Küngs gewürdigt, 'im Dialog der Religionen wie in der Begegnung mit der säkularen Vernunft zu einer erneuerten Anerkennung der wesentlichen moralischen Werte der Menschheit beizutragen'. Der Akzent liegt hier nicht länger darauf, daß erst der Glaube die Vernunft zu sich selbst bringt - sondern die Vernunft trägt viele Gesichter: Auch eine säkulare Vernunft ist für die kirchliche Orthodoxie vernünftig'. Das Faktum des Pluralismus wird nicht nur wissenssoziologisch anerkannt, sondern mit ihm kann offenbar auch theologisch argumentiert werden. Wenn es aber nicht mehr den einen Höchstbegriff von 'Vernunft' gibt, dann kann es auch einen solchen von 'Natur' nicht geben, einem weiteren Klassiker katholischer Argumentationsfiguren.

Die Einklammerung des Naturbegriffs liegt jedenfalls ganz auf der Linie dessen, was Kardinal Ratzinger schon bei seiner Begegnung mit Jürgen Habermas sagte: Das Naturrecht sei als Argumentationsfigur 'leider stumpf geworden, und ich möchte mich daher in diesem Gespräch nicht darauf stützen. Die Idee des Naturrechts setzte einen Begriff von Natur voraus, in dem Natur und Vernunft ineinander greifen, die Natur selbst vernünftig ist. Diese Sicht von Natur ist mit dem Sieg der Evolutionstheorie zu Bruch gegangen.' Nun ist die Evolution des Wissens auch in Castel Gandolfo angekommen und hat dort einiges zu Bruch gehen lassen. Ratzinger und Küng sind sich einig: Auf einer Wirklichkeit diesseits der Hermeneutik, einer Wirklichkeit, die mit Ausrufezeichen vom Himmel fällt, ruht heute kein päpstlicher Segen mehr. Der weite Magen der Kirche wird es verdauen." (FAZ von morgen)
"In a dramatic gesture of reconciliation ..."

John Allen, writing directly from Rome and putting into perspective:

Hans Küng and Pope Benedict, old friends and archrivals have a cordial meeting.
Ex-Tübinger unter sich

Um die Euphorie nicht allzu hoch schwappen zu lassen: Benedikt XVI. nimmt seinen Titel "Pontifex" so ernst, daß er das Gespräch mit allen (naja: nicht allen, aber mit sehr verschiedenen) Seiten sucht: Noch vor dem Treffen mit Hans Küng sprach er im August mit Bernard Fellay, dem Generaloberen der Pius-Bruderschaft. Er debattierte mit Jürgen Habermas, aber auch mit Marcello Pera, der italienischer Senatspräsident, Philosoph - und Mitglied der Berlusconi-Partei Forza Italia ist.

Vergessen wir auch nicht, daß über Jahre nicht Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger die Emotionen geschürt haben, sondern Hans Küng und seine Anhängerschaft. Was da an Frustration, Enttäuschung, Verbitterung, Wahrnehmungsstörungen (und gelegentlichem Haß) aufgebaut wurde, lässt sich in den einschlägigen Internet-Foren nachlesen.

Und halten wir fest: Benedikt XVI. mag durch diese Audienz zwar mit den diplomatischen Gepflogenheiten gebrochen haben - aber er ist keinen einzigen Zentimeter abgerückt von der Feststellung, daß theologische Thesen von Hans Küng schlicht und einfach nicht katholisch sind. Nicht die Person Hans Küng wurde ja verurteilt, sondern seine Theologie! Daran wird sich nichts ändern - bei aller Wertschätzung, die der Papst auf anderen Gebieten für Hans Küng vielleicht hat. Wenn eine Schöpfungstheologie orthodox ist, muß das noch lange nicht bedeuten, daß die Christologie oder die Ekklesiologie des gleichen Theologen es sind. Wer mit den besten Absichten für die Verständigung der Religionen untereinander oder für den Weltfrieden arbeitet - dessen Moraltheologie oder Reformvorschläge werden dadurch nicht katholisch.

Im Gegensatz zu Matthias Drobinski hoffe ich, daß dort, wo es um die Wahrheit geht, auch in Zukunft - je nach Lage der Dinge - auch einmal "die Verurteilung das letzte Wort" haben kann. Mindestens so lange wie nicht klar ist, wie eine Privattheologie zur kirchlichen Wahrheit passt. Mindestens hier auf Erden - denn drüben werden uns eh die Schleier von den Augen fallen, den einen luftig-transparente, den anderen dichte und schwere.

26. September 2005

Linkes Viagra

Im Spamfilter hängen geblieben: Ein gewisser "Gysi" fragt mich: "Need some love pi11s?"

- Nein, danke. Ich hatte mein "love bread" schon gestern.

25. September 2005

Macht

Passenderweise zitierte Kardinal Lehmann den Jesuitenpater Stefan Kiechle in seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (und der Pfarrer brachte die Sätze heute in seiner Predigt unter):

"Nehmen Sie Ihre Macht an und üben Sie sie aus. Sie ist ein gutes Mittel, um Gutes zu tun. Sagen Sie ja zur Welt. Je mehr Macht Sie haben, desto mehr haben Sie Verantwortung für das Gute. Üben Sie Ihre Macht mit Mut und Vertrauen aus, mit Freude und Dank, aber auch mit Achtsamkeit und Respekt, mit Sorge und Furcht. Nehmen Sie auch Ihre Ohnmacht an, in Geduld und Demut, und akzeptieren Sie das Leiden, das aus ihr folgt. Tun Sie, was nötig und möglich ist: nicht mehr – Sie würden sich und andere überfordern –, aber auch nicht weniger – Sie würden Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden."
Aber am letzten Dienstag war in Berlin wohl keinem nach Anerkennung der Ohnmacht.
Liturgische Passivität

Sich berieseln lassen.

Sich fordern lassen.

An sich geschehen lassen.

"Im Gottesdienst können wir nicht einfach als passive Empfänger sein, die sich mit schönen Gefühlen berieseln lassen und am Ende den Ertrag für das eigene psychische Wohlbefinden messen, um daran den Wert des Gottesdienstes zu taxieren. Im Gottesdienst geht es nicht darum, dass "es" etwas bringt, sondern dass wir uns bringen, in den Gehorsam des Glaubens und der Kirche hinein. Das wird nicht sofort im messbaren psychischen Gewinn greifbar, es kann zunächst eher mühsam sein.

Aber wer sich immer wieder durch den Gottesdienst fordern lässt, wer die Mühsal des gemeinschaftlichen Betens mit den uralten Gebeten des Glaubens aufnimmt, wer glaubend und betend in die Tiefe dieses Gebetsstroms eindringt, der erfährt, wie er allmählich über sich hinausgenommen wird; sein Denken und sein ganzes Leben vertieft sich, es wird gereinigt und frei. Es geht gar nicht mehr um das eigene kleine Ich; wer Sonntag um Sonntag die Eucharistie der Kirche feiert, nimmt an der Größe und Weite des welt- und zeitumspannenden Betens der Kirche teil und darin an der Weite Jesu Christi selbst, der in der Eucharistie seine Verheißung erfüllt: 'Wenn ich erhöht bin von der Erde, werde ich alle an mich ziehen' (Joh 12, 32).

Deswegen geht es auch nicht an, die Eucharistie zum Objekt beliebiger Gestaltungen zu machen, in denen das Große auf unseren Maßstab heruntergeschraubt wird: Nicht die Eucharistie müssen wir auf unser Maß bringen, sondern uns müssen wir auf ihr Maß, das Maß Jesu Christi bringen lassen." (Benedikt XVI.: Wer hilft uns leben, S. 153f)
Gethese

Die 95 Thesen des Matthew Fox ("Projekt Neue Reformation") sind kaum verdaut, da sollen die Schwestern und Brüder im Publik-Forum-Forum schon über die nächsten 20 diskutieren. Hans Küng hat vermutlich Altbekanntes wieder eingedickt - auch wenn das "kleine(s) Geschenk mit großem Inhalt"(H. Pawlowski) "das Lesen seines großen Buches »Christsein«" nicht ersetzt.

23. September 2005

Nachfolgen, um zu erkennen

"Gotteserkenntnis ist ein Weg, der heißt: Nachfolge. Sie erschließt sich nicht einem unbeteiligten, neutral bleibenden Zuschauen, sondern öffnet sich in dem Maß, in dem man sich auf den Weg begibt. Darin liegt noch einmal die Grenze alles bloßen Redens; Verkündigung, die nicht auch selbst Ausdruck eines Weges, Ausdruck von Nachfolge ist, bleibt letztlich stumm." (Joseph Ratzinger, 1973. Zit nach: Benedikt XVI: Wer hilft uns leben, S. 38)
73 %

Nicht daß es irgendwas ändern würde an seiner Autorität - weder so noch so. Aber daß 84 der 115 Kardinäle im Konklave für Josephus Ratzinger gestimmt haben (sollen), ist schon beeindruckend. (Spiegel Online)

Ergänzung: Heinz Joachim Fischer bietet in der FAZ eine noch genauere Rekonstruktion der Wahlgänge in der Sixtina.

Ergänzung Nr. 2: Armin Schwibach hinterfragt das Tagebuch eines geschwätzigen Kardinals in der Tagespost.

22. September 2005

Dame und König

Ein kluger und hoffnungsvoller Kommentar von Bernd Ulrich in der "Zeit". Eine swingende Variante des Post-Election Blues sozusagen.
Zurück zur Wirklichkeit

Kommt nach allen den anderen Kehren jetzt wieder ein "substantial turn" in der Philosophie? Hans Ulrich Gumbrecht hat sich "Diesseits des Sinns" umgetan und präsentiert seine Beobachtungen im Merkur:

"Nichts Schlimmeres konnte noch vor wenigen Jahren einen um sein Ansehen besorgten Intellektuellen treffen als der Vorwurf, »essentialistische« oder gar »substantialistische« Aussagen zu machen. Nicht auf den aristotelischen Substanzbegriff im Sinne einer »Einheit von Materie und Form« bezogen sie sich, sondern auf den Verdacht, man unterstelle die Existenz oder gar die Zugänglichkeit einer Wirklichkeit außerhalb des Bewußtseins. Mittlerweile ist es möglich geworden, höflich zurückzufragen, wie denn so ein Substanzvorwurf gemeint sei oder, etwas aggressiver, ob es nicht vielleicht gute Gründe geben könne, mit Wirklichkeiten außerhalb des Bewußtseins zu rechnen."

"Wenn man den Konvergenzpunkt der Sehnsucht in all diesen intellektuellen Bewegungen (tentativ und vergröbernd natürlich) »Substantialität« nennt, so ist hinzuzufügen, daß es um mehr und um anderes geht als um das abstrakte Postulat einer vom menschlichen Bewußtsein und seiner Perspektivik unabhängigen Wirklichkeit. (...) »Substantialität« steht auch und vor allem für eine (nicht nur psychische) Wärme, für eine Dichte und vielleicht auch für eine Unberechenbarkeit des Lebens, die sich nicht vollends auf Leistungen des Bewußtseins reduzieren lassen. So gesehen ragt die hier intendierte Referenz des Begriffs »Substantialität« in die Dimension des Phänomenalen, das heißt: des Gelebten und Erlebten, obwohl er innerhalb der Semantik philosophischer Tradition gerade außerhalb des Phänomenalen liegen soll."

"Ästhetische Erfahrung, könnte man sagen, sei Erfahrung an der Grenze zwischen Noumenalem und Phänomenalem (oder an der Grenze zwischen Phänomenalem und dem durch Sinn Erreichbaren), die Erfahrung des Seins als Substanz, wie sie das menschliche Bewußtsein immer nur streifen kann. Und eben weil es sich um Erfahrung an einer Grenze handelt, läßt sie sich nur im Rahmen extremer temporaler Bedingungen denken, zum Beispiel denen von Plötzlichkeit und unwiderruflichem Vergehen.

Doch die Sehnsucht, von der hier die Rede war, geht wohl dahin, Substantialität nicht allein unter Sonderbedingungen zu haben. Vielleicht wird es zunächst einmal – in Abwesenheit philosophischer Begriffe und in der Unmöglichkeit eines nächsten philosophischen Schritts – zu so etwas wie einer »philosophischen« Lebensform werden, Momente von Substantialität zu suchen, zu genießen und andere auf sie zu verweisen."

21. September 2005

Nach der Wahl ist vor der Wahl?

Bleibt wenigstens in der deutschen, der Lehmann-Kirche nach der Wiederwahl des Vorsitzenden alles beim Alten? Ludwig Ring-Eifel stellt in der Tagespost eine Kursänderung fest - oder wenigstens eine Reflexion über den bisherigen Reiseverlauf:

"In einem selbstkritisch-nachdenklichen und auch kämpferischen Grundsatzreferat hatte der Vorsitzende Positionen bezogen, die in ihrer Deutlichkeit überraschten ... 'Neue Zeichen der Zeit' hatte er seinen zweieinhalbstündigen Vortrag betitelt - und darin Gedanken formuliert, die man noch vor wenigen Jahren als 'eher konservativ' etikettiert hätte. 'Wir leben oft auch in der Kirche viel zu heutig', lautete eine seiner Diagnosen, eine andere: 'Uns fehlt der lange Atem.' Streckenweise benutzte Lehmann in seiner Analyse Bilder, wie sie fast wortgleich Kardinal Joseph Ratzinger in seiner inzwischen schon historischen Predigt vor seiner Wahl zum Papst gebraucht hatte. Lehmann befand, die Kirche in der pluralistischen Gesellschaft sei 'in hohem Maße den gesellschaftlichen Strömungen ausgeliefert'. Und weiter: 'Wir verlieren uns an Trends... Wir treiben im Meer der Welt und haben oft keine eigene Steuerung mehr.'"
Guido Horst erkennt ebendort ähnliche Signale, aber noch keinen Aufbruch:

"Und das muss man sagen: Die katholische Kirche in Deutschland lebt nicht von missionierenden Bewegungen oder Zungenreden und Segnungsritualen, sondern von der Kirchensteuer. Abgesehen von einem Meisterwerk der theologischen Wissenschaft ist Kardinal Lehmann ein ausgeglichener Kirchenhaushalt sicherlich eine größere Freude als ein Trupp von Wanderpredigern. Auch der Kardinal auf dem Mainzer Bischofsstuhl weiß, dass es der 'Lehmann-Kirche' im Grunde nicht gut geht: Der Gottesdienstbesuch nimmt ab, die Berufungen werden immer spärlicher, Finanznot und Priestermangel zwingen zu Einschnitten in das pastorale Netz. Immer seltener gelingt es der Kirche, ihrer Stimme im Land maßgeblichen Einfluss zu sichern. Noch ringen die Bischöfe um diesen Einfluss. Darum haben sie Kardinal Lehmann wiedergewählt. Doch eine Zeit des Aufbruchs ist das jetzt nicht."
Fürs eigene Urteil ist das Eröffnungsreferat von Kardinal Lehmann hier nachzulesen.
Buch des Jahres: The Bad Catholic's Guide to Good Living

Jede Wette, daß diese Site mit ihrer Flash-Animation Euren gerade beginnenden Tag mit viel Sonnenschein aufladen wird. Vielleicht ein bißchen starker Tobak für die De- und Sanftmütigen unter uns, aber: Hey, wenn wir nicht lachen können, die wir allen Grund dazu haben - wer denn dann?

Das zugehörige Buch ist ein weiteres Muß für uns alle: Go, get it! (Gefunden im Shrine of the Holy Whapping)

20. September 2005

Pieper-Link

Wenn der Josef Pieper-Blog noch aktiv wäre, könnte er den Link zum Artikel von Bertold Wald über den »"linken" Pieper und das Dritte Reich« posten. (Die Neue Ordnung)
The Centre Cannot Hold

Weil wir es heute schon von den Wahlen, von New Orleans und der Wiederkunft des HErrn hatten, passt dieses sehr apokalyptische Gedicht von William Butler Yeats als Schlußstein ideal ;-) :

The Second Coming

Turning and turning in the widening gyre
The falcon cannot hear the falconer;
Things fall apart; the centre cannot hold;
Mere anarchy is loosed upon the world,
The blood-dimmed tide is loosed, and everywhere
The ceremony of innocence is drowned;
The best lack all convictions, while the worst
Are full of passionate intensity.

Surely some revelation is at hand;
Surely the Second Coming is at hand.
The Second Coming! Hardly are those words out
When a vast image out of Spiritus Mundi
Troubles my sight: somewhere in sands of the desert
A shape with lion body and the head of a man,
A gaze blank and pitiless as the sun,
Is moving its slow thighs, while all about it
Reel shadows of the indignant desert birds.
The darkness drops again; but now I know
That twenty centuries of stony sleep
Were vexed to nightmare by a rocking cradle,
And what rough beast, its hour come round at last,
Slouches towards Bethlehem to be born?
What would Kierkegaard say?

Die lutherische Volkskirche Dänemarks muss künftig zulassen, dass ihre Mitglieder nicht nur an die christliche Lehre von der Auferstehung der Toten, sondern auch an eine Wiedergeburt nach dem Tod glauben, wie sie etwa fernöstlichen Inkarnationslehren vertreten. Das hat das höchste Gericht Dänemarks entschieden.

Wie das Christliche Tagblatt (Kopenhagen) berichtet, habe damit zum ersten Mal in der dänischen Geschichte ein weltliches Gericht in die Glaubenslehren der Volkskirche eingegriffen. Anlass für das von Kirchenvertretern mit Entsetzen aufgenommene Urteil war das seit 1994 anhängige Verfahren um die Kirchenmitgliedschaft des Kopenhagener Kirchendieners Steen Ribers.

Er hatte in mehreren Leserbriefen erklärt, dass er an Reinkarnation glaube. Daraufhin war er 1994 von seinem Gemeindepfarrer mit Zustimmung des Kopenhagener Bischofs Erik Norman Svendsen aus der rund 4,9 Millionen Mitglieder zählenden Volkskirche ausgeschlossen worden. Einen daraufhin angestrengten Prozess hatte Ribers bislang in allen Instanzen verloren.

Dem Gerichtsurteil zufolge gibt es in Dänemark nur zwei gültige Gründe für einen Ausschluss aus der Volkskirche - den Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft und die Bildung einer neuen Religionsgemeinschaft. Der Lektor für Verwaltungsrecht an der Universität Kopenhagen, Henrik Palmer Olsen, sagte dem Christlichen Tagblatt, das Gericht habe aufgezeigt, dass sich eine Volkskirche in verschiedene Richtungen entwickeln könne: „Die Pfarrer haben nicht das letzte Wort, vielmehr müssen auch alternative Glaubensrichtungen möglich sein.“ (kath.net)
Früher hätte man das "Babylonische Gefangenschaft" genannt.
Entrückungsindex

Beim Rapture Index stehen die Zeichen auf Anschnallen.

"The Rapture Index has two functions: one is to factor together a number of related end time components into a cohesive indicator, and the other is to standardize those components to eliminate the wide variance that currently exists with prophecy reporting.

The Rapture Index is by no means meant to predict the rapture, however, the index is designed to measure the type of activity that could act as a precursor to the rapture.

You could say the Rapture index is a Dow Jones Industrial Average of end time activity, but I think it would be better if you viewed it as prophetic speedometer. The higher the number, the faster we're moving towards the occurrence of pre-tribulation rapture."
Nur-noch-Maske

Und da dachte ich, ich sei mit meinen Bemerkungen zum Außenkanzler zu hart gewesen und stellte mich innerlich schon zum Ablaß an...

Arno Widmann in der BZ:

"Man hat Schröder immer wieder 'Medienkanzler' genannt. Gestern Abend konnte man für ein paar Minuten erleben, welchen Preis der Mensch Schröder dafür gezahlt hat. Er ist verschwunden in einer Maske und als er gestern die Maske nicht fand, da war er einfach nur noch irre und als er sie wieder fand, da konnten wir sie als Maske erkennen. Das war der Moment, da der Medienkanzler Gerhard Schröder starb. Wenn er Freunde haben sollte, so sollten sie ihn nehmen und in ein Sanatorium stecken, ihn rausholen aus seinem Rausch.

Es war auch ein Machtrausch. Auch darum war diese Sendung schrecklich. Sie zeigte, dass es Schröder nicht um den Sieg, geschweige denn um das eine oder die Deutschen quälende Problem ging. Es ging ihm einzig und allein darum, den Gegner zu schlagen. Es war ihm gleichgültig, dass er weniger Stimmen bekommen hatte als Angela Merkel. Er feierte, dass es ihm gelungen war zu verhindern, dass sie ihr Projekt hatte durchziehen können. In der Psychologie nannte man das, als man noch in solchen Kategorien dachte, einen destruktiven Charakter."
Das Problem seiner unsterblichen Seele bleibt. Irgendwo muß er doch noch sein, der kleine, getaufte Gerhard. (Ich sage das nicht überheblich, sondern aus eigener Sucherfahrung.)
Zeit für den Post-Election-Blues



Bei mir rotiert Tift Merritt mit "Tambourine".

Any other recommendations for a Listmania! list on amazon.de?

(Music To Get You Through the Post-Election Blues bei amazon.com)
Louisiana in Ruinen

Nicht daß das Wall Street Journal wegen mir draufgekommen wäre, das Naturdesaster in Louisiana und die nachfolgenden Offenbarungen dessen, was "im Menschen ist", mit Walker Percys "Liebe in Ruinen" in Verbindung zu setzen...

Cynthia Crossen: 'Love in the Ruins' Recalls Destruction in Gulf Coast : In Walker Percy's 1971 Novel, Louisiana's Havoc Is Man-Made (Für ein paar Tage frei zugänglich)

19. September 2005

"Wahl ist völlig offen"

Im Vorfeld demoskopiefrei, im Vollzug ohne Absprachen und im Kreis der Wahlberechtigten "nur verhalten" besprochen: die Wahl des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz.

Ein Artikel in der Tagespost.
Katechismus für Haußmann?

"Wenn Leute wie ich, die eigentlich links denken, die eigentlich links wählen, plötzlich für schwarz-gelb stimmen, dann ist etwas nicht in Ordnung. Wenn es einen Ablass gäbe, würde ich mich freikaufen. Aber ich kann diesen Mann mit den zwei erhobenen Daumen nicht mehr sehen." (Leander Haußmann, Regisseur, 46 Jahre zum Wahlausgang in spiegel.de)

Es gibt den Ablaß immer noch. Aber Schwarz-gelb wählen ist keine Sünde und entsprechend ein Freikauf per Ablaß nicht nötig.
Sonntag mittags in Deutschland

Es mag ja sein, daß ich meinen gestrigen Sonntag nachmittag lediglich dafür opferte, "irgendwelche Machtansprüche aus formalen Gründen"(G. Schröder) zu ermöglichen, vulgo die Zeit von 14.30 - 19.00 als Beisitzer in einem Wahllokal zu verbringen.

Meine Frau hätte mich lieber zuhause gesehen und hört daher nicht gern, daß diese Stunden für mich nicht nur amüsant und fröhlich waren, sondern auch nutzbringend verbracht.

Das Wahllokal ist ein Ort, zu dem sich die Wähler aufmachen, in dem sie einander "Hallo" sagen, sich für den Stimmzettel anstellen, schüchtern lächeln und höflich grüßen, förmlich werden, ihre politische Meinung und ihre Zweifel nicht mehr auf den Lippen tragen, sondern in die zwei Kreuzchen konzentrieren, die sie - der eine schnell, die andere langsam und zögerlich, der nächste gewissenhaft, der vierte nonchalant - auf den Stimmzettel setzen. Die Förmlichkeit, die Nüchternheit der Demokratie wird für den Normalbürger selten so erlebbar wie in den Minuten, die er in seinem Wahllokal verbringt.

"Playing by the rules" in Reinessenz - umso schlimmer, wenn sich am Ende einer hinstellt und genau diese Formalität denunziert. Umso schlimmer, wenn es der Bundeskanzler selber ist. Umso schlimmer für ihn selbst.
Außenkanzler

Ich habe "den Kanzler" nie gemocht, aber seit seinem unseligen Auftritt gestern abend weiß ich warum: Er ist für mich einer, der nur ein Außen hat. So viel Außen, daß ich ganz zu fragen vergesse, wie es da innen wohl aussieht. Und wenn doch, hoffe ich, daß er wenigstens innen nicht aussieht wie ein balzender Gockel oder aufgeblasener Kampfhahn. Daß in ihm irgendwas einfach ist, wie es ist, und nicht alles nur so, wie er es gerne fürs Publikum aussehen lassen möchte.

18. September 2005

Buch der Entscheidung

Nein, kein Wort zur Wahl. Nicht heute. Die Arroganz des Mannes der Frau Köpf hat mir die Sprache verschlagen.

Dafür hole ich jetzt erst mal die Rückstände auf. Z.B. mit diesem Zitat eines ganz ungewohnt harten Artikels von Daniel Deckers in der FAZ (bei Martin nachgelesen):

In den katholischen Bistümern des deutschen Sprachraums hat vor kurzem die Arbeit an einem neuen Gebet- und Gesangbuch begonnen. Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts soll es das "Gotteslob" ablösen, das dann annähernd vierzig Jahre alt sein wird. An der Zusammenstellung des künftigen Liedteils wird sich entscheiden, wie die Kirche zu ihrer musikalischen Tradition steht - und zu ihrem Glauben schlechthin. Eine Überhöhung der Tradition wäre fatal. Aber noch fataler wäre es, das überkommene Liedgut noch stärker als bisher zurückzudrängen. Wenn die "neue" Kirchenmusik nicht an dem Zeugnis der Bibel und der Überlieferung der Kirche Maß nimmt und diesen Glauben nicht zum Klingen bringt, dann hat sie in der Liturgie nichts verloren. Jede Musik steht unter dem Primat des "Geistlichen": daß die Herzen der Singenden - um mit dem großen Barockdichter Friedrich von Spee zu sprechen - "in Gott und in göttlichen Sachen ein Genügen und ein Frohlocken schöpfen".

13. September 2005

Ohne mich

Da ich den Rest der Woche wieder einmal im befreundeten Ausland verbringe, muß ich Blog Blog und Wahlkampf Wahlkampf sein lassen. Bis Samstag! Adieu!
Päpstlicher Pickup

Na, so weit ist es noch nicht, daß das Papamobil von vier Protestanten geschoben werden müsste. So weit mit der "Benzin-Wut" (Harald Schmidt), meine ich natürlich, nicht mit der Rückkehrökumene.

Da seien die US-Blogger vor, wie z.B. Zach Brissett aus Athens, GA (via the SotHW):

12. September 2005

Sola Inclusiva Scriptura

Mit dem "Sola Scriptura" ist es nicht so weit her, als daß man nicht doch immer noch etwas an ihr verbessern könnte. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung stellte gestern "Die Bibel in gerechter Sprache" vor - eine Bibelübersetzung in einer inklusive, alle gleichermaßen positiv-einschließenden, niemanden diskriminierend ausschließenden Sprache. Sogar Pharisäer und Pharisäerinnen werden posthum rehabilitiert, folgt mandem Artikel von Reinhard Markner.

Von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau finanziell großteils getragen und von "namhaften" Christinnen und Christen gefördert, soll die Übersetzung im nächsten Jahr veröffentlicht werden. Kostproben gibt es bereits online und auf Papier - zur "Erprobung". Gedacht ist die Übersetzung nicht nur für den Eigen-, sondern auch
für den gottesdienstlichen Gebrauch.

An der Einheitsübersetzung mag sich die EKD nicht mehr beteiligen - dafür haben einige ihrer Organisationen und wenigstens eine Gliedkirche (sagt man so?) keine Probleme, das "Sola Scriptura" etwas freier zu interpretieren und die Schrift durch den Filter zeitgenössischer Sensibilitäten laufen zu lassen.

Was hätten wir für einen Jesus gehabt, wenn er 2000 Jahre später geboren worden wäre...
Flache Riten

"Ein gutes Ritual erkennt man daran, dass alle auf Anhieb verstehen, was gemeint ist, und möglichst wenig erklärt werden muss. Zeichen können beredter sprechen als Worte - wenn es die richtigen sind" (Lutz Lemhöfer in "Zeitschrift und Programm der Katholischen Akademie Rabanus Maurus", 3/2005, S. 4)
Kein Wunder, daß unsere Riten so flach geworden sind, dachte ich mir beim Lesen. Kann mich ein Ritus, den ich auf Anhieb durchschaue, fesseln? Werde ich ihn, wie manche Riten und Rituale der Kirche, oft, regelmäßig, dauernd wiederholen wollen? Gibt es da noch etwas zu entdecken - oder besser: Enthüllt sich mir dabei, darin etwas? Werde ich mir nicht selbst immer neu, immer tiefer, immer anders enthüllt?

Sicherlich ist an einem "guten Ritual" "auf Anhieb" etwas verständlich - aber eben nur ein Teil, ein Aspekt. Anderes, was ebenfalls gemeint ist, bleibt verborgen, entschließt sich erst im immer neuen Vollzug und Mitvollzug. Es entschließt sich, wenn ich mich selbst im Vollzug und Mitvollzug verändere, ein anderer werde, mehr und anders und anderes sehe.

Zeichen und Worte - beide sind beredter als sie "auf Anhieb" scheinen. Nicht "alle" sollen sie "auf Anhieb" verstehen. Aber "alle" sollen sie verstehen können, wenn sie sich mit den Riten und Ritualen auf die Reise machen.

11. September 2005

"zu Dir zurückkehre..."

Im Sinne des letzten Postings in der nächsten Woche zu beten:

O Du ewiger, barmherziger Gott,
Du bist ein Gott des Friedens, der Liebe und der Einigkeit,
nicht aber des Zwiespalts.
Weil aber Deine Christenheit Dich verlassen hat
und von Deiner Wahrheit gewichen ist,
hast Du sie sich teilen und trennen lassen,
auf daß sie mit ihrer vermeintlichen Weisheit
in der Uneinigkeit zuschanden würde
und zu Dir zurückkehre,
der Du allein Einigkeit gibst.
Wir armen Sünder bitten Dich:
Du wollest durch den Heiligen Geist
alles Zerstreute zusammenbringen,
das Geteilte vereinigen und ganz machen,
auch uns geben,
daß wir Deine einige, ewige Wahrheit suchen,
von allem Zwiespalt abweichen,
daß wir eines Sinnes und Verstandes werden,
der da gerichtet sei auf Jesum Christum, unsern Herrn,
damit wir Dich, unsern himmlischen Vater,
mit einem Munde preisen und loben mögen
durch unsern Herrn Jesum Christum im Heiligen Geist.
Amen. (Martin Luther)
Nummer 163

Und das meint der 4K zur Aktion "Katechismus für Käßmann":

164. Wie kann man sich für die Einheit der Christen einsetzen?

Das Verlangen, die Einheit aller Christen wiederherzustellen, ist eine Gabe Christi und ein Ruf des Geistes. Dieses Verlangen betrifft die ganze Kirche und verwirklicht sich durch die Bekehrung des Herzens, das Gebet, die gegenseitige brüderliche Kenntnis und den theologischen Dialog.
Ihr wisst, was Ihr zu tun habt, Schwestern und Brüder. (Ich auch.)
Für alle außer einer

Bei Fono findet sich der Hinweis in den Kommentaren: Es gibt das neue (inhaltlich natürlich uralte!) Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche jetzt beim Bonifatiuswerk geschenkt. Einmal pro Haushalt, mit einer Versandkostenpauschale von 1,75 €.

10. September 2005

Inflation des Charisma

Wochenendlektüre in der NZZ: Uwe Justus Wenzel versucht, das echte vom falschen Charisma abzugrenzen, das Wahre vom Schein zu trennen, das Wesen jener Geistesgabe, mit der sich Menschen fesseln lassen. Wer hat Charisma? Papst Benedikt? Der Dalai Lama? Oder gar Schröder?

Der Widerspruch, das "Ich aber sage euch", die Zumutung - darin liegt für Wenzel ein Prüfstein. Dort scheidet sich das Charisma vom Scheincharisma, von erlernten Techniken der Kommunikation und Selbstdarstellung.
"Ein Neoliberaler sieht anders aus"

In defense of Paul Kirchhof:

"Mit dem heute 62 Jahre alten Staatsrechtler Paul Kirchhof haben diese öffentlichen Bilder kaum etwas gemein. Kirchhof ist ein Konservativer, dessen Denken aus dem Geist der katholischen Romantik stammt. 'Das Recht hat die Aufgabe, für Friedlichkeit zu sorgen', hat sein Vater (auch er Jurist) ihn gelehrt. Kirchhof geht es um Freiheit, Gerechtigkeit und um die Stärkung der Familien: Nicht von ungefähr galt er in seinen Jahren als Richter am Bundesverfassungsgericht als "Deutschlands teuerster Richter". Auf seinen Einfluß gehen maßgeblich Entscheidungen zurück, das Existenzminimum freizustellen und Ehepaare mit Kindern deutlich besserzustellen." (FAZ)


Aber es hat ja keiner gesagt, daß es im Wahlkampf um die Wahrheit geht. Und schon gar nicht geht es den Wahlbürgern darum, die das Mantra nachbeten: "Die Politiker lügen ja doch alle." Denen geht es meistens um den Geldbeutel.
Facing Reality

Jan-Heiner Tück zeichnet im aktuellen Heft der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio die "poetische Theologie" des Hymnus "Adoro te devote" nach - ein gelungenes Stück Eucharistietheologie, wie ich finde.

Natürlich gibt es Theologensprache - die aber bringt die Dinge auf den Punkt: "Empirisches Verifikationsdefizit der Realpräsenz Christi in den Gestalten von Brot und Wein" - so bringt er den Vers "Visus, tactus, gustus in te fallitur" ("Gesicht, Tastsinn, Geschmack täuschen sich in dir") auf den Punkt.

In einer Fußnote zitiert er Botho Strauß, der sich "gegen ein an der Alltagskommunikation abgelesenes Verständnis von Liturgie" wendet, mit dem Satz: "Ein Katholik, der meint, er kommuniziere mit Gott, gehört auf der Stelle exkommuniziert. Zu Gott betet man, und man unterhält nicht, sondern man empfängt die Heilige Kommunion." (Der Untenstehende auf Zehenspitzen, 2004, S. 41)

Zur Eucharistischen Anbetung schreibt Tück:
"'Je Le vise et Il me vise.' [Ich schaue Ihn an und Er schaut mich an] In diesem Wort findet sich das Wesen der eucharistischen Betrachtung auf den Punkt gebracht, das heute vielen Gläubigen fremd geworden zu sein scheint. Dabei konfrontiert uns die Anwesenheit des Allerheiligsten mit einer Wirklichkeit, die unsere immer begrenzte interimistische Aufmerksamkeit überschreitet. Der in der Gestalt des Brotes anwesende Christus ist es, der uns zum Verweilen einlädt; er ist es, der unser vagabundierendes Bewusstsein sammelt und zentriert; er ist es, der unser Leben ändern will.

Kontemplative Eucharistiefrömmigkeit reagiert damit immer auch auf die Tatsache, dass im Augenblick des Empfangs der Hostie (und in den wenigen Minuten danach) das Unermessliche kaum zu ermessen ist, dass Jesus Christus, der in seinem Leben und Sterben alles für uns gegeben hat, sich hier in sakramentaler Gestalt neu schenkt. Die Tatsache, dass wir die eucharistische Gabe, das corpus Christi, immer nur unzureichend würdigen können, versucht das betrachtende Verweilen vor der verborgenen Gegenwart Christi auszugleichen. Eucharistische Anbetung sollte daher nicht einfach als Konkurrenz, sondern als komplementäre Entsprechung zur liturgischen Feier der Eucharistie verstanden werden. Gerade in unserer von Hektik und Aktionismus geprägten Lebenswelt kann das Innehalten eine heilsame Unterbrechung sein.

Im meditierenden Nachvollzug des unbedingten Selbsteinsatzes Jesu ist die eucharistische Anbetung darüber hinaus Anstoß, sich im eigenen Handeln von der Aufmerksamkeit für die anderen bestimmen zu lassen. Mit Christus kommunizieren, vor der Gabe seiner Gegenwart verweilen heißt deshalb immer auch, sich hineinnehmen zu lassen in seine zuvorkommende Haltung den anderen gegenüber. Denn wer 'Gottes Antlitz nicht aus der Kontemplation kennt, wird es in der Aktion nicht wiedererkennen, selbst dann nicht, wenn es ihm aus dem Antlitz der Erniedrigten und Beleidigten entgegenleuchtet.'"

Robert Spaemann über die Schönheit der Liturgie

"Was uns auf eine begrifflich unaussprechliche Weise von innen anzieht, nennen wir das Schöne. Die heilige Messe, die 'göttliche Liturgie', wie die Ostkirche sagt, ist - gerade weil sie Anbetung und Opfer, also ganz dem Vater zugewandt ist - der Ort einer himmlischen Schönheit. In Europa war sie über tausend Jahre lang die Mitte aller Künste. Weil sie gewissermaßen der Prototyp des Kunstwerks ist, darf es in ihr nichts Beliebiges geben. Jedes Detail ist wichtig.

Deshalb hat die Messe immer wieder große Dichter und Musiker inspiriert, und deshalb sind es gerade Künstler, die die Liturgiereform der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil weitgehend für mißglückt halten - schon deshalb, weil mit ihr die Beliebigkeit und damit die Banalität in die Liturgie eingezogen ist.

Unsere Spontaneität ist nicht, wie die der ersten Christengenerationen, so durchformt von einem 'Leben im Geist', daß Priester oder Liturgieausschüsse spontan formulieren können, wozu jeder andere Christ 'Amen' sagen kann. Beliebigkeit ist das Gegenteil von der jedem Kunstwerk innewohnenden Gesetzmäßigkeit. Erst als Konsequenz jener Gesetzmäßigkeit wird die geheime Anziehungskraft des Schönen erspürt. Wenn man beginnt, die Liturgie unter dem Gesichtspunkt des Abwechselnden, des Neuen und Interessanten zu "gestalten", dann wird sie unvermeidlich langweilig werden. Eine solche Erwartungshaltung kann am Ende doch nur enttäuscht werden. So interessant kann es in der Messe auch auf Dauer gar nicht sein. In einer Welt sich jagender Informationen und permanenter Berieselung durch Worte wird dagegen eine Feier der Anbetung, des Opfers und des Mahles in immer gleicher sakraler Form von Jahr zu Jahr faszinierender. Es wird heute oft geklagt über den Verlust des Zusammenhangs von Glaube, Kirche und Kultur. Dieser Zusammenhang wird nicht durch Tagungen und Veranstaltungen wiederhergestellt, sondern dadurch, daß dasjenige in seiner Strahlkraft wiederhergestellt wird, was die Mitte jeder christlichen Kultur bildet: der christliche Kult." (Quelle: Sinfonia Sacra - Aktuelles)

9. September 2005

She wrote upon it: Return to sender

Landesbischöfin Dr. Dr. h.c. Käßmann lässt antworten.

Wir hätten es uns denken können: Wer mit 25 Jahren schon im Zentralausschuß des ÖRK aktiv sein durfte, hat keine Nachhilfe nötig, schon gar nicht aus unserer Ecke. Wir sind nun mal nicht vox populi sui, die Stimme ihres Volkes...

Das Antwortschreiben von Frau Pastorin Ute Neveling-Wienkamp als her mistress' voice hat einigen Leuten jedenfalls schon richtig viel Spaß gebracht - was doch eigentlich wieder ganz im Käßmannschen Sinne sein müsste: Was wäre "mehr Spaß an Glauben, Feier und Liturgie" ohne mehr Spaß am Leben?

In diesem Sinne: Katechismus für Kermit, Angela, für alle, bei denen wir noch Hoffnung haben, daß er was nützt. Und vorab: "Duden für Neveling-Wienkamp"! Tolle, lege.

8. September 2005

Nach einem Jahr in Würzburg

Mein Bischof ist ein höflicher und hartnäckiger Mensch, wenn er immer wieder Dinge sagt wie die folgenden:

"Ich bedauere, dass kirchliche Vorgaben, die zum Wesentlichen der Kirche gehören, nicht immer genügend wahrgenommen werden; dass das Gemeindeleben vor Ort möglicherweise einen zu hohen Stellenwert gegenüber der Anbindung an die Gesamtkirche bekommt."
An der Wahrnehmung hängt es nicht, sondern an der Übernahme und Umsetzung. Sein höflicher Satz ist gleichwohl deutlich.

"Eucharistiefeiern müssen regelmäßig stattfinden. In den kleinen Gemeinden, wo das nicht mehr möglich ist – das ist ja nicht deren Schuld –, gilt es, den Eucharistiehunger zu bewahren und sich nicht etwa mit einem Wortgottesdienst zufrieden zu geben. Ansonsten würden sie sich abschneiden vom sakramentalen Leben der Kirche. Die Gläubigen der kleinen Gemeinde müssen bereit sein, ein paar Kilometer weiter in die Kirche zu fahren und dort die Heilige Messe mitzufeiern. Dazu gehört auch, dass diejenigen, die dankenswerterweise einen Wortgottesdienst am Sonntag leiten, das nicht tun, ohne selber eine Heilige Messe besucht zu haben."
Wenn in den guten Zeiten schon ohne den Eucharistiehunger gegessen wurde, dann stellt er sich jetzt nicht plötzlich massenhaft ein. Vielleicht lässt er sich durch die Beispiele am besten wecken: durch den Wortgottesdienstleiter z.B., der selber mit seinem eigenen Werk nicht satt wird.

"Die Laienräte sind gewünscht und gewollt. Es darf nur nicht so sein, dass Einzelne in Laienräten sich eine Position zusprechen, die sie nicht haben. Dagegen muss vorgegangen werden. Aber das große Engagement dieser Räte ist doch etwas, worauf wir gar nicht verzichten können und wollen. Im Bistum Würzburg erlebe ich den Einsatz der Räte sehr positiv: Sie sind lebendig und stärken die Kirche vor Ort. Ich wünsche mir, dass diese Organisationen ihr kirchliches Engagement in der Struktur der Kirche akzeptieren und nicht eine neue oder andere Kirche aufbauen wollen."
Der mündige Laie zeigt sich nicht, indem er - in angemaßter Stellvertretung der weniger lauten "Unmündigen" - den Mund weit aufreißt, sondern indem er sein Ja zur Kirche, der real-existierenden, die zugleich die hiesige wie die drüben, die sündigende wie die geheilt-erlöste, die irrende wie die in den Heiligen und dem verheißen-gegenwärtigen Geist schon angekommene ist, indem er also sein Ja zu dieser Kirche jeden Tag neu sagt, praktiziert und aus ihm lebt. (Zitate aus dem Würzburger Katholischen Sonntagsblatt)
Uneinheitsübersetzung

Die EKD steigt aus dem Projekt "Überarbeitung der Einheitsübersetzung" aus - unter Berufung auf die Instruktion "Liturgiam authenticam" (2001).
Mariä Geburt

Aus der Großen Vesper:

"Heute hat Gott, der auf seinem ewigen Thron ruht,
sich auf Erden einen heiligen Thron bereitet.
Er, der in Weisheit die Himmel gegründet hat,
machte in seiner Liebe zum Menschen
den Menschen zu einem menschlichen Himmel:
aus einem unfruchtbaren Strunk
schuf er uns eine lebenbringende Frucht,
Seine Mutter.
O Gott der Wunder
und Hoffnung der Hoffnungslosen,
Herr, Ehre sei Dir.
Wieder mal: Der Fußballgott

"Aber wir müssen beten, daß Michael Ballack nichts passiert." (Christoph Daum)

7. September 2005

Liturgische Erneuerung à la Benedikt XVI.

"Ein wichtige Neubesetzung wird auf alle Fälle anstehen: die des päpstlichen Zeremonienmeisters, Erzbischof Piero Marini. Marini ist seit 1987 verantwortlich für die päpstlichen Liturgien. Er wurde von einigen als der 'Liturgiker des Jahrhunderts' bezeichnet. Es war Marini, der den päpstlichen Liturgien der letzten Jahrzehnte seinen Stempel aufgedrückt hat. Nach Marini sollte die Liturgie von den in den Jahrhunderten sich angehäuften Verkrustungen befreit werden. Gleichzeitig war er der Vertreter der 'liturgischen Inkulturation'. Die Völker Lateinamerikas, Asiens und Afrikas sollten nach Marini in der Liturgie Öffnungen zu ihren Traditionen in Musik, Sprache und Gestik vorfinden. Man erinnere sich zum Beispiel an die Eröffnungszeremonie des Jubiläumsjahres 2000. Es sind gerade die 'Säuberungsmaßnahmen' Marinis, zum Beispiel das Verschwinden des gregorianischen Chorals und der polyphonen Musik aus St. Peter, die in Kardinal Ratzinger einen ihrer größten Kritiker hatten. Es ist anzunehmen, dass sich der Papst einen Zeremonienmeister wählen wird, der mehr mit seiner liturgischen Theologie übereinstimmt. Für Benedikt XVI. ist die Liturgie nicht Ausdruck oder Darstellung, sondern Ort, an dem Kirche sich real in der Feier der Eucharistie gestaltet und durch sie geschaffen wird. So verlieh der Papst von Anfang an den vatikanischen Liturgien seinen besonderen Charakter und enthob so faktisch den Zeremonienmeister seiner Zuständigkeit. Die Liturgie im Zeitalter Benedikts XVI. wird von ihm selbst bestimmt. Ohne Spielereien und künstlicher Ritualität feiert der Papst nur eines: die Zentralität des eucharistischen Mysteriums in seinem mystischen Leib. Für Erzbischof Marini dürfte ein wichtiger Bischofsstuhl in Italien oder eine Verantwortung als Erzpriester von St. Peter bereitstehen." (Armin Schwibach in der Tagespost)

6. September 2005

Ist das denn möglich?

"Und dann gibt es Menschen, die längst nicht mehr wissen, was Glaubensgrundlagen sind. Ja, sogar elementares Katechismuswissen fehlt. Nicht da draußen, irgendwo an den Rändern, nein, mitten im Zentrum."
Auch wenn sie natürlich das evangelische Katechismuswissen meint, ist es doch erfreulich, daß Frau Bischöfin Käßmann einem Katechismus an sich eine gewisse, wenn wohl auch konfessionsinterne Bedeutung beimisst. (Quelle) So besteht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß sie die Aktion "Katechismus für Käßmann" entweder versteht oder humorvoll nimmt, mindestens aber entspannter als einige unserer eigenen Glaubensbrüder.

Konfessionstypisch ist freilich der Satz, der dem oben zitierten vorangeht:

"Ein Beispiel: Mir begegnet immer wieder ein völliges Unverständnis mit Blick auf die historisch-kritische Methode. Ist das denn möglich? Dass fast 25 Jahre nach dem Tode Rudolf Bultmanns noch immer Unkenntnis in den Gemeinden darüber herrscht?"
Bultmann und den Katechismus in einem Atemzug nennen - das gäbe es bei einem katholischen Bischof nie.
'Til things are brighter, I'm the Man In Black.

Wolfgang Joop in der Nachfolge des wahren Man in Black und mit einer Nachfrage an die WJT-Generation:

DIE WELT: Wie sehen Sie den eher forciert-aufgekratzten Modestil der FDP-Protagonisten?

Joop: Wir wollen keine aufgesetzte Fröhlichkeit und Nettigkeit. Sondern Struktur. Und Haltung. Man muß nicht Pastell tragen, wenn einem nach Schwarz zumute ist. Es geht uns nicht gut. Und ich fürchte, daß Deutschland zwar zur Diagnose fähig ist, aber therapieunwillig. Und deshalb muß man den Ernst der Lage auch visuell klarmachen. Dieses Fröhlichsein um jeden Preis macht mir angst. Wir waren schon zu lange auf dieser Party.

DIE WELT: Warum Schwarz?

Joop: Ich habe Sehnsucht nach den richtigen Worten. Wie Trauer oder Schönheit. Ich bin diese Männer leid, deren Humorlosigkeit, Zynismus und Mundgeruch mir durch die Mattscheibe entgegenwabern. Ich will nicht Beliebigkeit, sondern Ernsthaftigkeit. Das heißt ja nicht, daß es nichts zu lachen gibt.

DIE WELT: Sind Sie eine Art Moralist geworden?

Joop: Ich frage mich, was ist mit meinem Land los? Im Zeitalter von Computern und Globalisierung, in dem das Kapital losgelöst um den Globus schwebt, brauchen wir keine Panik, sondern eine neue Moral und Gewissen. Warum formiert sich zum Beispiel keine christlich-moralische Linke aus den jungen Leuten, die um den Kölner Dom kurvten? Nach dreißig Jahren Sexualausbeutung, Magersucht, Übergriffen von Dirty old men und Beliebigkeit sollten wir neue Themen finden." (Die Welt)

5. September 2005

Wohlklingende Landmusik

It's not a joke, it's Country, sagen Texas Lightning. Uralt-Ohrwürmer auf puren Country gepropft. Enough twang for the buck. Muß ja nicht jedem gefallen.
"Ein Tag in DEinen Hallen"





Eigentlich ist das ehemalige St. Peter's College in Cardross (Erzdiözese Glasgow) ein Fall für Kirchenschwinden. Aber da es 1. nicht in Deutschland liegt und 2. eine Station in meinem Lebenslauf war, ist es hier besser aufgehoben.

Als ich im Winter 1979/80 ein paar Monate dort verbrachte, fand ich das Gebäude häßlich und, weil underpopulated, leer und kalt. Daß es sich um Spitzenarchitektur des 20. Jahrhunderts handeln könnte: der Gedanke ist mir damals nicht gekommen. Doch die Twentieth Century Society schreibt:

St. Peter’s Seminary poses fundamental questions about the nature of C20 buildings and their conservation. St. Peter’s is a ruin. And, as with other ruins of recent buildings there is something shocking and at the same time fascinating about this. But not that many buildings of the 1960s are visited by a constant stream of architectural pilgrims, artists, students and the plain curious in the way that St. Peter’s is. People appear to be driven to get to this building. One needs to fight one’s way through the densely overgrown former park of the Kilmahew Estate, and the path is not easy to find from the village of Cardross. But many do find it and when one arrives, the building exerts a power that is gripping.

St. Peter’s had a very short life as a building in the use for which it was designed, namely a seminary for the education of Catholic priests. As such it served only 14 years from its opening in 1966 until 1980. Why was this? Anticipating a growth in population, and therefore in congregation post 1945, the Catholic Archdiocese of Glasgow embarked on an ambitious church building programme. The Church commissioned some of the most important new architecture of that period in Britain, much of it designed by Isi Metzstein and Andy MacMillan of Glasgow architects Gillespie Kidd and Coia.

But the Church’s role in society changed. The Archdiocese had misjudged their future prospects, and instead of expanding as the Archdiocese had anticipated, the Church as an institution experienced a decline in fortunes that has continued to the present day. Completed at the height of the Church’s building programme, St. Peter’s highlights the tragedy of this situation.

Designed by Gillespie Kidd and Coia and on a remote site on the North bank of the Clyde outside Glasgow, at Cardross, St. Peter’s was meant to house over one hundred student priests. This number was never reached, and as the years passed student numbers shrank. The problems of maintaining an under-used building, together with its unsuitability as a teaching facility following changes in the culture of the Church after the Second Vatican Council, led to its abandonment. Several attempts to find alternative uses for the building came to nothing.
Im Januar oder Februar 1980 zog das Seminar in ein ehemaliges Kloster in Glasgow-Newlands um, eine Aktion, bei der ich kurzzeitig einen gewissen Ruhm erlangte, weil es mir gelang, die Patrologia Latina korrekt anhand der römischen Zahlen auf den Buchrücken zu sortieren. Ein Hotel sollte damals aus dem "alten" Seminar werden, das damals wie heute an einen wunderschönen Golfplatz grenzt.

Stattdessen zeigen uns Bilder aus dem Jahr 2003 nicht nur Ruinen, sondern einen wahrhaft profanierten und entweihten Hochaltar. Seit 1984 gibt es das St. Peter's College nicht mehr; es ging erst im Chesters College, dann im Scotus College auf, dem gemeinsamen Seminar der schottischen Bistümer. Daneben gibt das "Royal Scots College" in Salamanca und das "Pontifical Scots College" in Rom. Überlaufen ist keines davon.





(Diese und weitere Bilder bei hiddenglasgow)
Alarm!

Google Announces Plan To Destroy All Information It Can't Index
Was im Menschen ist...

Ein Interview mit Harald Welzer in der FAZ.

"Herr Welzer, warum beschäftigen Sie sich mit Genoziden und Massenmördern?

Ob man den Massenmord in Ruanda, die ethnischen Säuberungen in Jugoslawien, den Vietnam-Krieg oder den Holocaust untersucht - überall findet sich dasselbe Phänomen: Menschen, die nie gedacht hätten, daß sie in der Lage sind zu töten, bringen wehrlose Zivilisten um. Wie kann so etwas geschehen? Diese Frage treibt mich seit Jahren um.

4. September 2005

Duldung

Unser Bischöfe rufen zur Wahl auf, ohne sich groß zu exponieren.

Unter den sieben "wichtigen aktuellen Herausforderungen", die sie auflisten, befindet sich auf Platz 6 die folgende:

"Gott hat jeden Menschen als sein Ebenbild geschaffen und mit unveräußerlicher Würde beschenkt. Die unantastbare Würde des Menschen zu schützen, ist herausragende Aufgabe des Staates. Es ist die Pflicht der Politik, diesen Schutz sicherzustellen, unabhängig davon, ob ein Mensch leistungsfähig ist oder schwach, ob er gesund ist oder krank, geboren oder ungeboren, oder ob er mit einer Behinderung lebt. Dies gilt auch für Gentechnik und Biomedizin. Abtreibung, Euthanasie und das – wie immer begründete – Töten von menschlichen Embryonen können und dürfen wir nicht dulden – um der Würde der Menschen willen."

Aber natürlich dulden wir's! (Ich persönlich bin froh, daß in meinem Wahlkreis wenigstens ein Kandidat zur Wahl steht, der in Sachen Lebensschutz einen sauberen "voting record" hat.)

3. September 2005

Auf der Schwelle

Aus der "Großen Angst der Wohlanständigen" von Georges Bernanos (zit. nach G. Bernanos: Vorhut der Christenheit.- Düsseldorf: Schwann, 1950, S. 112):

"Der Schmerz... Wem käme nicht der Gedanke, dies herrliche Wort den neuen Herren der Erde ins Gesicht zu schleudern! Ob sie es wollen oder nicht, ob sie den Schmerz hassen oder leugnen, wir sehen ihn auf der Schwelle stehen, das schmale, blasse, eigensinnige Gesicht, den bebenden Mund, die Hand, die er gegen die Brust drückt, die reine Hand. Selbstverständlich, jeder kann seinen Blick zur Seite wenden, aufmerksam zur Decke starren oder trotzig etwas zwischen den Zähnen pfeifen. Der Schmerz ist da. Man weiß es. Selbst diejenigen, die an das künftige Wunder der Wissenschaft glauben, rechnen nicht damit, daß es schon morgen kommt, fragen sich ängstlich, um welchen Preis wir es bezahlen sollen."

2. September 2005

Nachkonziliares

40 Jahre danach widmet die Lebendige Seelsorge ihr Heft Nummer 4 dem Konzil; online zugänglich sind ein Statement des Philosophen Klaus Müller zu zwei unterschiedlichen oder wenigstens verschieden akzentuierten Sichtweisen von Gaudium et Spes durch Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger, sowie ein Interview mit Peter Hünermann, aus dem mir - cherry picking-like - die Signalwörter "kreative Konzilsrezeption", "vorkonziliare Auffassungen" und "Aufräumungsarbeiten" in der "lateinischen Kirche" in die Augen springen. Alles klar?
Zu viel

"I can not get my head around this. I can't get my head around a city being closed for a month (or longer). I can no more get my head around this than I could around the destruction wreaked by the terrorists after 9/11. It's too big. They say as you get older you lose some of your capacity for surprise since you have seen so much more, but I am just so surprised at seeing 80% New Orleans under water and hearing the words 'New Orleans is closed'." (Video meliora, proboque; Deteriora sequor)
Menschenskind

"Arche andra deixei - Die Herrschaft zeigt den Menschen" - so zitiert Josef Pieper irgendwo Aristoteles. Wir sehen mit Jordan Mejias nach New Orleans, und sehen, daß auch die anarche erkennen lässt, was im Menschen steckt.

Und genau wie die Times-Picayune wusste, was einmal passieren kann und wird - "It's only a matter of time before south Louisiana takes a direct hit from a major hurricane. Billions have been spent to protect us, but we grow more vulnerable every day" -, so haben uns die guten Menschenkenner ziemlich genau vorhergesagt, was wir am Menschen, an uns haben. Walker Percy, selbst für Jahre ein "writer-in-residence" in New Orleans und Verfasser der Liebeserklärung "New Orleans, mon amour", beschrieb in "Liebe in Ruinen" den Angelismus-Bestialismus des Zwischenwesens Mensch, der jetzt wieder deutlich wird. Der erste und einzige, der das merkte, war er nicht.

Die Wissenschaftler rätseln ihrerseits weiter über den kleinen Unterschied:

"Menschen und Menschenaffen sind enge Verwandte. Wie eng, das zeigt sich jetzt, wo das Erbgut des Schimpansen so gut wie vollständig entziffert ist: Fast 98,8 Prozent des Erbguts stimmen mit dem des Menschen überein.

Die beiden Primaten sind sich genetisch somit zehnmal ähnlicher als Maus und Ratte. 'Dieses Ergebnis ist eine beeindruckende Bestätigung, daß der Mensch auch nur ein Säugetier ist. Im Gehirn sind sich Mensch und Schimpanse genetisch betrachtet sogar am ähnlichsten', sagt Dr. Wolfgang Enard vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Es ist ein Partner des internationalen Forscherteams, das unter Leitung der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) das Schimpansen-Genom entzifferte und die Ergebnisse in den Zeitschriften 'Nature' und 'Science' veröffentlichte.

'Für die grundlegende Frage, was uns zu Menschen macht, haben wir noch keine Antwort', betont Wolfgang Enard. (Hamburger Abendblatt)

1. September 2005

Nahe im Gebet

Telegramm des Heiligen Vaters an die staatlichen und kirchlichen Autoritäten in den USA:

"Deeply saddened by the tragic consequences of the recent hurricane in the United States of America, His Holiness Pope Benedict XVI assures all those effected of his closeness in prayer. The Holy Father commends the deceased to the loving mercy of Almighty God, and upon their grieving families he invokes divine blessings of strength and consolation. His Holiness likewise prays for the rescue workers and all involved in providing assistance to the victims of this disaster, encouraging them to persevere in their efforts to bring relief and support.

Cardinal Angelo Sodano
Secretary of State"
Degradierung zum Hilfskoch

"Der Porsche-Betriebsratsvorsitzende Uwe Hücks hält eine flammende Rede und bringt den Saal zum Kochen. 'Ich habe gestern den Herrgott gefragt: Können wir noch gewinnen?', ruft er. Der habe geantwortet: 'Mein Sohn, warum zweifelst du?'" (Spiegel.de)
Sich, sich, sich!

Nachdem es für den Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) ein paar Jahre nach Erscheinen eine editio typica gab, eine authentische, maßgebliche Ausgabe, die gegenüber der "editio praeliminaria" einige Änderungen enthielt, befürchte ich ja das Gleiche für das neue Kompendium des KKK (KKKK oder 4K). Die Sofortkäufer hätten dann wieder zu schnell gehandelt und nicht in Jahrhunderten gedacht.

Mit den deutschen Übersetzungen vatikanischer Dokumente gab es auch immer wieder Probleme - ich erinnere mich da an die Diskussion über die mannigfachen Fehler in der DBK-approbierten Übersetzung von "Dives in Misericordia"...

Ob es sich im folgenden Passus aus dem 4K tatsächlich um einen Übersetzungsfehler handelt oder einen falschen Gebrauch von Pronomina im Original, kann ich nicht überprüfen, jedenfalls ergibt die Antwort auf die Frage 7 ("Mit welchen Stufen beginnt die Offenbarung Gottes?") aktuell wenig Sinn:

"Gott tut sich schon von Anfang an den Stammeltern, Adam und Eva, kund und beruft sie zu einer innigen Gemeinschaft mit ihm. Nach ihrem Sündenfall bricht er seine Offenbarung nicht ab und verheißt das Heil für alle ihre Nachkommen. Nach der Sintflut schließt er mit Noach einen Bund zwischen ihm und allen lebenden Wesen."
Liebe Übersetzer, wenn schon, dann bleibt wenigstens konsequent und schreibt: "Gott tut ihm schon von Anfang an kund"!

Sammeln wir schon mal, damit wir Frau Bischöfin Käßmann 2008 eine Ausgabe der editio typica von 4K nachschicken können.