6. September 2005

Ist das denn möglich?

"Und dann gibt es Menschen, die längst nicht mehr wissen, was Glaubensgrundlagen sind. Ja, sogar elementares Katechismuswissen fehlt. Nicht da draußen, irgendwo an den Rändern, nein, mitten im Zentrum."
Auch wenn sie natürlich das evangelische Katechismuswissen meint, ist es doch erfreulich, daß Frau Bischöfin Käßmann einem Katechismus an sich eine gewisse, wenn wohl auch konfessionsinterne Bedeutung beimisst. (Quelle) So besteht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß sie die Aktion "Katechismus für Käßmann" entweder versteht oder humorvoll nimmt, mindestens aber entspannter als einige unserer eigenen Glaubensbrüder.

Konfessionstypisch ist freilich der Satz, der dem oben zitierten vorangeht:

"Ein Beispiel: Mir begegnet immer wieder ein völliges Unverständnis mit Blick auf die historisch-kritische Methode. Ist das denn möglich? Dass fast 25 Jahre nach dem Tode Rudolf Bultmanns noch immer Unkenntnis in den Gemeinden darüber herrscht?"
Bultmann und den Katechismus in einem Atemzug nennen - das gäbe es bei einem katholischen Bischof nie.

10 Kommentare:

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…
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Scipio hat gesagt…

Na, dass sie die Verantwortung der evangelischen Presse, über historisch-kritische Exegese aufzuklären für ebenso wichtig hält wie den Bildungsauftrag in puncto Glaubenswahrheiten (in ihrer Sprache "biblische Fragen und theologische Grundsatzthemen"). Oder was meinst Du?

Dr. Matthias O. Will hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

Die historisch-kritische Methode ist, soweit ich weiß, auf dem Fundament der sog. "kritischen" Wissenschaft (Frankfurter Schulde - btw. wurde der Begriff kritisch nicht gewählt, weil der Begriff marxistisch als zu brisant galt? Hab ich mal gehört) entstanden, die ich für einen ziemlichen Schrott halte, ebenso die historisch-kritische Methode. Ich bin vollkommen dafür, den geschichtlichen Wahrheitsgehalt der Bibel zu überprüfen, und dabei auch Risiken einzugehen, was jedoch etwas vollkommen anderes ist, als die Evangelien an sich nicht als historische Dokumente werten zu wollen, wie die historisch-kritische Methode den Anschein gibt.
Wenn ich dann noch von einem ihrer Vertreter für die späte Datierung des Johannes-Evangeliums folgende Begründung höre, Es sei durch die Schilderung der Wunder weniger historisch und mehr die Darstellung einer Idee (Prolos wie ich würden von einer Lüge sprechen), oder die Entstehungszeit der Evangelien grundsätzlich auf die Zeit nach der Zerstörung des Tempels gelegt wird (weil ja Jesus die nicht hätte voraussagen können), kann ich diese Art der Ausnutzung des Begriffes Wissenschaft absolut nicht unterstützen, weder als Christ noch als angehender Wissenschaftler.

Kurz und gut, was ich an der historisch-kritischen Methode das schlechte finde, ist, daß sie ideologischer ist als die Methode, die sie bekämpfen wollen, denn sie schließen den "Jesus des Glaubens" vollkommen aus, sie gehen davon aus, daß der Jesus des Glaubens ein anderer ist als der historische Jesus (der, je nach eigenem Gusto, ein Essener, ein Gnostiker - das Thomasevangelium läßt grüßen-, ein Rebell gegen Rom, ein verheirateter Mann ist) ist.
Die historisch-kritische Methode ist in meinen Augen weder historisch, wie Leute wie Thiede, Berger und Heesemann in ihren Büchern gut darstellen, noch kritisch, da sie schon vollkommen ideologisch verbrämt ist.

Anonym hat gesagt…

Bevor Scipio mich darauf hinweist: Schulde: im obigen Kontext= Schule :)

Scipio hat gesagt…

Hab nicht viel Zeit, daher nur eine kurze Korrektur eines ganz offensichtlichen Fehlers:

Die historisch-kritische Methode ist viel älter als die Frankfurter Schule.

Anonym hat gesagt…

Als Historiker möchte ich dazu sagen, daß die historisch-kritischen Exegeten stets die Möglichkeiten historischer Rekonstruktion überschätzen. Daher auch das Ergebnis: ein kümmerlicher Rest der Evangelien, zusammengestrichen aufgrund subjektiver Vorlieben.

Schon der Zusatz "kritisch" wäre ja eigentlich überflüssig, wenn es wirklich im Wortsinne gemeint wäre.

Als Bücher dazu kann ich empfehlen:

Hans-Joachim Schulz: Die apostolische Herkunft der Evangelien - geht frontal gegen die hkM und bezieht sich vor allem auf frühe Überlieferungen

und zwei des früheren anglikanischen Bischofs J.A.T. Robinson:

Redating the New Testament (Wann enstand das neue Testament, Übersetzung leider nicht ganz fehlerfrei) - befaßt sich vor allem mit der Entstehungszeit der einzelnen Schriften

The Priority of John (Johannes - Evangelium der Ursprüunge) - über das Johannesevangelium

Er ist durchaus kein "Konservativer", aber gibt ein wertvolles Korrektiv gegen manch "historisch-kritisches" Dogma.

Anonym hat gesagt…

@scipio:Der Name Hkm auch? Ich weiß, daß die Evangelien schon lang auf die Weise zerpflückt werden, aber der Name kritische Methode ist, glaub ich, jünger als die Methode selbst.
Aber ich bin immer wieder bereit zu lernen... außerdem ändert das an meiner Meinung über die Hkm nichts.

mr94 hat gesagt…

Ich denke, es ist mal wieder Zeit, Ratzinger zu zitieren: "Eine globale einfache Verdammung der historisch-kritischen Exegese wäre ein Irrtum. Wir haben unglaublich viel von ihr gelernt. Die Bibel erscheint viel lebendiger, wenn man die Exegese mit all ihren Ergebnissen ansieht: das Wachsen der Bibel, ihr Weitergehen, ihre innere Einheit im Vorangehen und so weiter.

Also: Einerseits hat die moderne Exegese uns viel gegeben, aber sie wird dann zerstörerisch, wenn man sich einfach all ihren Hypothesen unterwirft und die vermeintliche Wissenschaftlichkeit zum einzigen Maßstab erhebt. Besonders verderblich hat gewirkt, dass man die gerade herrschenden Hypothesen unverdaut in die Katechese übernommen und als die Stimme der Wissenschaft angesehen hat. Das war der große Irrtum dieser letzten fünfzig Jahre, dass man jeweils die augenblicklich mit großer Gebärde auftretenden Exegesen mit »der Wissenschaft« identisch gesetzt hat und »die Wissenschaft« als die Autorität ansah, die nun allein gültig ist, während der Kirche keine Autorität mehr zukam. Dadurch sind Katechese und Verkündigung fragmentiert worden. Entweder hat man Traditionen nur noch mit halber Überzeugung weitergeführt, so dass jeder erkennen konnte, dass man letztlich doch eher daran zweifelt, oder man hat scheinbare Ergebnisse sofort als gesicherte Stimme der Wissenschaft ausgegeben. In Wirklichkeit aber ist die Geschichte der Exegese zugleich ein Friedhof von Hypothesen, die mehr den jeweiligen Zeitgeist als die wahre Stimme der Bibel repräsentieren. Wer zu schnell, zu eilfertig darauf baut und das für die reine Wissenschaft nimmt, der gerät in einen großen Schiffbruch und sucht sich vielleicht irgendeine Planke heraus – aber die kann auch schnell untergehen.

Wir müssen zu einem ausgewogeneren Bild kommen – das ist ein Ringen, das gerade jetzt wieder voll im Gange ist: Dass die historisch-kritische Exegese ein Strang der Auslegung ist, der wesentliche Erkenntnisse vermitteln kann und als solcher respektiert werden muss, der aber auch kritisiert werden muss. ... Was scheinbar nur Tatsachen spiegelt und die Stimme der Wissenschaft sein soll, ist in Wirklichkeit Ausdruck eines bestimmten Weltbildes, demzufolge es zum Beispiel Auferstehung nicht geben oder Jesus so nicht geredet haben kann, oder was auch immer. Heute ist gerade unter jungen Exegeten eine Relativierung der historischen Exegese im Gang, wobei diese ihre Bedeutung behält, ihrerseits aber philosophische Voraussetzungen in sich trägt, die kritisiert werden müssen." Das ganze Interview, aus dem diese Absätze stammen, ist nach wie vor lesenswert.

Scipio hat gesagt…

Danke, Martin, für dieses Zitat. Denn wenn man es verstanden hat, versteht man auch, warum ein (typischer) katholischer Bischof die Vermittlung von Erkenntnissen historisch-kritischer Exegese der Vermittlung von Katechismuswahrheit(en) nicht durch undifferenzierte Nebeneinanderstellung gleichsetzen wird.

Ich will damit nicht sagen, daß Frau Landesbischöfin das absichtlich und bewußt getan hat - wahrscheinlich ist ihr das so rausgeschlüpft in ihrer Begeisterung für die große Aufgabe der kirchlichen Publizistik.