24. Dezember 2006

Am Ende des schwachen Denkens

Aus den Kommentaren in die Sichtbarkeit hochgeholt: Ein Zenit-Artikel über René Girards Prognose einer "Renaissance des Christentums":
In seinem jüngst auf Italienisch veröffentlichten Buch „Verità o fede debole. Dialogo su cristianesimo e relativismo“ („Wahrheit oder schwacher Glaube – Gespräch über Christentum und Relativismus“) kündigt Girard an, dass wir in einer Welt leben werden, „die so christlich erscheinen und sein wird, wie sie heute wissenschaftlich scheint“.

Der Philosoph, der unlängst zu einem der 40 „Unsterblichen“ der Académie française („Französische Akademie“) gewählt wurde, verleiht seiner Überzeugung Ausdruck, dass wir uns „am Vorabend einer Revolution unserer Kultur“ befänden, die alle Erwartungen übertreffen werde, und dass die Welt auf einen Umbruch zugehe, der den der Renaissance „verblassen“ lasse.

Der im Verlag „Transeuropa“ veröffentlichte Text ist das Ergebnis eines zehnjährigen Dialogs des französischen Philosophen mit dem italienischen Professor Gianni Vattimo, einem Anhänger des so genannten „Schwachen Denkens“, über Themen wie Glaube, Säkularismus, christliche Wurzeln, die Rolle der Botschaft des Evangeliums in der Geschichte der Menschheit, Relativismus, das Problem der Gewalt und die Herausforderung der Vernunft.

Das Buch macht dabei die Abschrift dreier bislang unveröffentlichter Vorträge der breiten Öffentlichkeit zugänglich, in denen die beiden Autoren die Kernpunkte der Denktheorie des jeweils anderen anfechten.

In seinem Buch erörtert der französische Professor, dass die Religion die Philosophie „bezwinge“ und „überbiete“. Philosophien und Ideologien seien so gut wie „tot“, politische Theorien praktisch „erschöpft“ und der Glaube, dass die Wissenschaft die Religion ersetzen könne, verschwunden. Die Welt habe daher ein „neues Bedürfnis nach Religion“.

Hinsichtlich des moralischen Relativismus von Vattimo legt René Girard dar: „Ich kann kein Relativist sein… Ich denke, dass der Relativismus unserer Tage die Folge des Fehlschlags der modernen Anthropologie ist, die Folge des Versuchs, die Probleme zu lösen, die mit der Unterschiedlichkeit der menschlichen Kulturen zu tun haben.“

Die Anthropologie sei gescheitert, weil es ihr nicht gelungen sei, die unterschiedlichen menschlichen Kulturen als ein „einheitliches Phänomen“ zu erklären. Deshalb hätten wir uns im Relativismus „festgefahren“.

Girards Ansicht nach biete das Christentum eine „Lösung“ für diese Probleme, weil es zeige, dass die „Grenzen“, die die Individuen einander setzten, dazu dienten, bestimmte „Konflikte zu verhindern“.

Der französische Akademiker betont, dass das Problem gelöst würde, wenn man wirklich verstünde, „dass Jesus das universale Opfer ist, das eben darum kam, um diese Konflikte zu überwinden“.

Das Christentum bezeichnet er deshalb als eine „Offenbarung der Liebe“, die aber zugleich eine „Offenbarung der Wahrheit“ sei, weil im Christentum „Wahrheit und Liebe übereinstimmen und ein und dasselbe sind“.

Der Begriff der Liebe – im Christentum die „Rehabilitation des zu Unrecht beschuldigten Opfers“ – ist nach Girard „die Wahrheit selbst; es handelt sich um die anthropologische Wahrheit und die christliche Wahrheit“.

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