14. Dezember 2006

Das Lied von der dunklen Nacht

Zu seinem Tag und zur Ehre seines HErrn ein durchaus adventliches Liebesgedicht des Juan de la Cruz:
Lied

1. Es war in dunkler Nacht
Ich brannt' von Liebeswehen,
- O Glück, das selig macht! -
Entwich ich ungesehen
Und ließ mein Haus in Ruhe stehen.

2. Gehüllt in dunkle Nacht,
Vermummt, mußt' ich entsteigen.
- O Glück, das selig macht!
In heimlich dunklem Schweigen
Lag still das Haus, das mir zu eigen.

3. In jener Nacht voll Glück,
Da sich kein Aug' mir wandte,
Der Augen blöder Blick
Kein weisend Licht erkannte
Als das, so mir im Herzen brannte.

4. Mit ihm fand sichrer ich
Als in des Mittags Schimmer
Ihn, der geharrt auf mich,
Den ich geliebt schon immer.
Ein ander Gut traf ich dort nimmer.

5. Du warst mir Führer, Nacht;
Nacht süßer als der Morgen,
Hast Herz zu Herz gebracht,
Hast uns in Lieb' geborgen,
Mich im Geliebten, ihn in mir verborgen.

6. An meiner seligen Brust,
Die ihm allein zu eigen,
Ruht er in süßer Lust.
Und ich: mich liebend zu ihm neigen,
Ihm Kühlung wehn mit Zedernzweigen.

7. Als schon der Morgenwind
Begann sein Haar zu spreiten,
Um meinen Nacken lind
Ließ er die Rechte gleiten:
Mir schmolz das Herz in Seligkeiten.

8. Ich gab, ergab mich ganz,
Das Haupt am Lieb geborgen.
Es schwand der Dinge Glanz,
Vergessen war mein Sorgen,
Da ich in Lilienduft geborgen.

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