17. November 2005

Intellektuelle und katholische Lebensformeln

"Immer mehr Intellektuelle wechseln zur katholischen Messe", so sinngemäß Denton Lotz, Generalsekretär des Baptistischen Weltbundes im September laut idea und Bodenpersonal (Danke, Martin, für den Link dorthin!).

Das dürfte in Deutschland anders sein, schon einmal, weil es - ohne irgendjemandem zu nahe treten zu wollen - vermutlich nicht sehr viele baptistische Intellektuelle bei uns gibt, und dann, weil die Katholiken vor Ort alles tun, um den intellektuellen Reiz der Messe entweder abzuschleifen oder unbedingt und krampfhaft einzuführen. Intellektuelle denken gerne selber, entdecken gerne selber Zusammenhänge und Bedeutungen - und haben genügend Möglichkeiten, um die moderne und weltliche Welt im Reinzustand zu genießen, sofern sie es wollen. Anbiederung unnötig. Let the Mass do the talking.

Wie nachhaltig die Messe zu geistig regen Mitfeiernden spricht, kann man bei Arnold Stadler in seiner Psalmenübertragung "Die Menschen lügen. Alle." nachlesen: Der vorkonziliar großgewordene Schiftsteller hat im "Introibo ad altarem Dei" ("Zum Altare GOttes will ich treten"), dem Beginn des Stufengebetes, einen festen und fruchtbaren Bezugspunkt. Und der Germanist Wolfgang Frühwald, noch so ein katholischer Intellektueller, springt ihm in einer Laudatio bei (im Google-Cache leider nur die gekürzte Version aus dem Rheinischen Meckerer):

"So hat [Stadler] die alten Texte nicht nochmals mit philologischem Ehrgeiz übersetzt, sondern, orientiert an der hebräischen Vorlage, ein Drittel davon in eine Sprache übertragen, die keine kanonische Geltung beansprucht: meine Sprache. Da dieses individualisierende Experiment einer Anverwandlung traditionsbelasteter Texte an die Sprache der Gegenwart die Lebensformeln der Sakralsprache (in bewusst konfessioneller, das heißt lateinischer und deutscher Mischung) mit den Lebensformeln des Autors verbindet, taugt es als Basis einer neuen Spiritualität."

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