18. Juli 2003

Entweder sichtbar oder gar nicht

Pünktlich kommt der Beitrag von Klaus Berger zur Ökumene in der heutigen FAZ: "Wer Augen hat. Blindekuh-Ökumene: Die unsichtbare Kirche gibt es nicht"

Er nimmt eine - neben den traditionellen Verhandlungsökumenikern und den "Wiedervereinigung jetzt"-Praktizierern - dritte Richtung ins Visier: Hier wird die sichtbare Kircheneinheit gar nicht mehr angezielt, sondern mit einem Verweis auf neutestamentlichen Theologiepluralismus überflüssig gemacht. Der Status quo reicht völlig. "Das höchste Ziel ist damit die Anerkennung jeder Einzelkirche durch die anderen Kirchen, insbesondere durch die katholische. Daher auch der Protest gegen 'Dominus Iesus', weil dieses Dokument anderen Konfessionen das Kirche-Sein abzusprechen schien, was selbst der gebildete Laie so verstand, als werde ihm das Christsein abgesprochen".

Daß dieser Ansatz ganz und gar nicht schriftgemäß ist, erklärt Berger so: "Und wer gar Paulus zum sanften Ökumeniker macht, der alle Christen zum Tisch des Herrn eingeladen hätte, verkennt, daß schon in Galater 1, 8 andere Christen, nämlich solche, die ein anderes Evangelium lehren als Paulus selbst, feierlich mit Bann und Fluch belegt werden. Und wer die nach Ansicht des Paulus falsche Sexualpartnerin hat, mit dem darf man nicht einmal zusammen essen, geschweige denn Abendmahl feiern (1 Korinther 5, 11). Die Leidenschaft für Wahrheit und Eindeutigkeit rangiert nach Paulus vor jeder verschwommenen Nächstenliebe.

So gewiß der Kanon des Neuen Testaments eine Variationsbreite des christlichen Konsenses angibt, so eindeutig ist es kein zukunftsträchtiger Weg, die Wahrheitsfrage auszuklammern. An den Extremen kann man lernen. Anhand der untereinander sehr verschiedenen Gruppen der Anthroposophen, der Mormonen und der Zeugen Jehovas, die sich alle auf Jesus berufen, mag die Bedeutung der Wahrheitsfrage erkennbar werden."

Neutestamentlich ist für ihn das Ziel und die Bedeutung einer sichtbaren Kircheneinheit begründet durch "die sichtbare Einheit durch die Sukzession der Getauften, durch den Kanon und durch die allseits anerkannten Autoritäten", die sich "als menschliche Erfindungen ... relativieren" lassen.

Fazit: "Nach dem vierten Evangelium ist die tätig verwirklichte, sichtbare Einheit der Christen nicht menschlichem Ermessen überlassen, sondern Jesu Gebot. Jesus bindet geradezu den Glauben an ihn als Gottessohn an die Bewahrung der Einheit durch die Jünger (Johannes 17, 21-23). Wer die sichtbare Einheit verletzt - dazu gehören allerdings zumeist zwei Seiten -, der vergeht sich gegen den Willen Jesu. Der Verzicht auf eine sichtbare Einheit der Kirchen und die Ansiedelung der Einheit im Unsichtbaren ist daher für jeden Anhänger des Neuen Testaments unerträglich."

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