10. September 2005

Robert Spaemann über die Schönheit der Liturgie

"Was uns auf eine begrifflich unaussprechliche Weise von innen anzieht, nennen wir das Schöne. Die heilige Messe, die 'göttliche Liturgie', wie die Ostkirche sagt, ist - gerade weil sie Anbetung und Opfer, also ganz dem Vater zugewandt ist - der Ort einer himmlischen Schönheit. In Europa war sie über tausend Jahre lang die Mitte aller Künste. Weil sie gewissermaßen der Prototyp des Kunstwerks ist, darf es in ihr nichts Beliebiges geben. Jedes Detail ist wichtig.

Deshalb hat die Messe immer wieder große Dichter und Musiker inspiriert, und deshalb sind es gerade Künstler, die die Liturgiereform der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil weitgehend für mißglückt halten - schon deshalb, weil mit ihr die Beliebigkeit und damit die Banalität in die Liturgie eingezogen ist.

Unsere Spontaneität ist nicht, wie die der ersten Christengenerationen, so durchformt von einem 'Leben im Geist', daß Priester oder Liturgieausschüsse spontan formulieren können, wozu jeder andere Christ 'Amen' sagen kann. Beliebigkeit ist das Gegenteil von der jedem Kunstwerk innewohnenden Gesetzmäßigkeit. Erst als Konsequenz jener Gesetzmäßigkeit wird die geheime Anziehungskraft des Schönen erspürt. Wenn man beginnt, die Liturgie unter dem Gesichtspunkt des Abwechselnden, des Neuen und Interessanten zu "gestalten", dann wird sie unvermeidlich langweilig werden. Eine solche Erwartungshaltung kann am Ende doch nur enttäuscht werden. So interessant kann es in der Messe auch auf Dauer gar nicht sein. In einer Welt sich jagender Informationen und permanenter Berieselung durch Worte wird dagegen eine Feier der Anbetung, des Opfers und des Mahles in immer gleicher sakraler Form von Jahr zu Jahr faszinierender. Es wird heute oft geklagt über den Verlust des Zusammenhangs von Glaube, Kirche und Kultur. Dieser Zusammenhang wird nicht durch Tagungen und Veranstaltungen wiederhergestellt, sondern dadurch, daß dasjenige in seiner Strahlkraft wiederhergestellt wird, was die Mitte jeder christlichen Kultur bildet: der christliche Kult." (Quelle: Sinfonia Sacra - Aktuelles)

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