20. Juni 2010

Priester und Burnout

(Nach längerer Zeit wieder einmal eine kleine Übung im Stil von Walker Percy und seinem Buch "Loch im Kosmos" -"Lost in the Cosmos")

Stellen Sie sich vor, Sie surfen im Frühsommer 2010 im Web und stoßen auf den folgenden Bericht:

"Priester sind immer größeren Belastungen ausgesetzt und drohen deshalb innerlich auszubrennen. Darauf hat der Theologe N. N. (Bamberg) auf der Jahrestagung des Priestervereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart aufmerksam gemacht.

Insbesondere zusätzliche Dienste wie Religions- und Firmunterricht sowie Organisationsaufgaben in der Gemeinde empfänden viele Seelsorger als belastend. Sie hätten häufig nicht einmal mehr Zeit und innere Ruhe, ihre eigene Frömmigkeit zu pflegen. Hinzu kämen Anfechtungen von außen und die Enttäuschung darüber, dass sich immer mehr Menschen von der Kirche abwenden. N. N. hatte vor zehn Jahren für eine Studie etwa ein Zehntel der katholischen Pfarrer befragt. Davon sei rund die Hälfte von dem sogenannten Burnout-Syndrom bedroht gewesen. Eine jüngere Erhebung aus Baden-Württemberg zeige, dass mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Befragten die Arbeitsanforderungen als belastend für ihr Privatleben empfinden. 66 Prozent erklärten, dass der berufliche Stress die Wahrnehmung privater Verpflichtungen beeinträchtige."


Was denken Sie?

(a) Hört denn das nie auf? Muß denn alles dramatisiert werden? Gerade jetzt? Klar, Priestersein ist nicht einfach, heute nicht, und früher genauso wenig. Aber sind wir nicht alle vom Burnout bedroht?

(b) Genauso erlebe ich es auch. Unser Pfarrer hat mir letzthin von diesem Vortrag erzählt und daß es ihm genau so ginge. Er hetzt in unserer Pfarreiengemeinschaft von Termin zu Termin. Zum Verschnaufen kommt er gar nicht, und die Sonntagspredigt bereitet er nach Mitternacht vor. Sagt er.

(c) Hätten die Priester alle eine Partnerin oder einen Partner, und eine Familie, die sie auffängt, dann gäbe es das nicht. Bei den Evangelischen ist das anders. Schau Dir deren Pfarrer an: immer adrett, entspannt, nie nervös und depressiv. Da merkt man gleich, was das Zölibat mit einem Menschen anstellt. Dazu noch die hohen Erwartungen, die permanente Überforderung, von außen und durch die eigenen Ansprüche.

(d) Am Ursprung steht nicht-ausgelebte, nicht-angenommene, unterdrückte, unreife Sexualität, oft genug in Verbindung mit einer krankhaften Mutterbindung: Der eigenen Mutter und später dann der Mutter Kirche will man alles recht machen. Nur nicht als Versager da stehen! Hier gehört professionelle Hilfe her, durch ausgebildete Analytiker und Therapeuten. Und zwar um der Priester willen.

Wählen Sie!

Nach getroffener Wahl erfahren Sie auf der Website, daß sich diese Aussagen gar nicht auf katholische Priester beziehen, sondern auf evangelische Pfarrer. Sie lesen sie hier nach.

Was denken Sie nun über Ihre zwischen den Optionen (a), (b), (c) und (d) getroffene Wahl? Begründen Sie!

Beten Sie anschließend ein Vaterunser für die katholischen Priester, die Sie kennen, und zwei Ave Maria für die evangelischen Pfarrer, die Sie kennen.

2 Kommentare:

Yon hat gesagt…

Ich hab (b) gewählt und dabei auch an die mir bekannten evangelischen Pfarrer gedacht... Danke für den Anstoß, natürlich auch für sie zu beten.

Wolfram hat gesagt…

Ich glaube, ein Kyrie Eleison für alle Träger geistlicher Ämter wäre noch passender, wenn man schon sein Gebet nicht frei formulieren will - es mag an meiner Sozialisierung liegen, aber mir leuchtet nicht ein, wenn ich den Herrn der Kirche um Beistand für jemand bitten will, warum ich das mit Worten tun soll, die was ganz anderes aussagen.

Die Antworten a und d sind hoffentlich nur Karikatur gewisser Strömungen - Antwort c könnte einen gewissen Dunstkreis deutscher Laienkatholiken begeistern, die noch nie ein evangelisches Pfarrhaus von innen gesehen haben, geschweige denn ein evangelisches Gotteshaus... ;)
und so habe ich bei (b) ebenfalls an meine vielen Kollegen gedacht.