14. Juni 2010

Ich »bin« nicht Christ

Romano Guardini im "Herrn" (Freiburg: Herder, 1980, S. 350f):

"Und noch wollen wir uns im Bewußtsein halten, daß auch unser Christsein selbst immerfort werden muß. Denn jenes Neue, das Glauben, liegt nicht wie ein Klötzchen Wirklichkeit in uns, fertig vom Himmel heruntergefallen, sondern wer da glaubt, bin doch ich. Das Glauben ist aus meinen lebendigen Kräften gemacht; meines Herzens, meines Geistes.

Mitsamt allem, was ich bin, stehe ich in meinem Glauben; daß heißt aber, daß in diesem Glauben wiederum jene Welt mit inne ist, die von Gott wegwill. Es ist nicht so, daß auf der einen Seite ich, der Glaubende, stünde, auf der anderen die verfallene Welt, sondern der Glaube muß in der Weltwirklichkeit, in meinem lebendigen Sein verwirklicht werden. Das ist aber beständig an der Arbeit, den Glauben selbst herumzuwerfen, von Gott weg, und aus ihm eine Sicherung meines sich selbst behauptenden Weltdaseins zu machen.

Wehe mir, wenn ich sage: »Ich glaube« und mich in diesem Glauben sicher fühle. Dann bin ich in Gefahr, herauszufallen (l Kor 10,12). Wehe mir, wenn ich sage: »Ich bin ein Christ«; womöglich mit einem Seitenblick auf andere, die es meiner Meinung nach nicht sind; oder auf eine Zeit, die es nicht ist; oder auf eine kulturelle Strömung, die dagegensteht. Dann droht mein Christsein nichts anderes zu sein, als die religiöse Form meiner persönlichen Selbstbehauptung.

Ich »bin« nicht Christ, sondern, wenn Gott es schenkt, auf dem Wege, es zu werden. Nicht in der Form eines Habens, oder gar eines Standortes für die Beurteilung der Anderen, sondern in einer Bewegung. Christ kann ich nur sein, wenn ich mir der Gefahr bewußt bleibe, abzufallen.

Nicht das ist die tiefste Gefahr, daß mein Wille vor einer Aufgabe versage; das kann er mit Gottes Hilfe einsehen und sich neu zusammennehmen - sondern daß er in sich selbst unchristlich werde. Diese Gefahr wird aber am größten, wenn der Wille seiner selbst sicher zu sein glaubt. Nichts ist mir in der Weise der Sicherheit gegeben; alles nur in der Weise des Anfangens, des Unterwegsseins, des Werdens, des Vertrauens, der Hoffnung und der Bitte."

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