6. September 2009

Kleiner Brief an die Gottesdienstgemeinde

Liebe Gemeinde von St. Johannes in Stift Haug,

als wir heute morgen rechtzeitig vor der Sonntagsmesse in Eurer schönen Pfarrkirche saßen, um die Heilige Messe bei Euch mitzufeiern, da gab es einen Moment, in dem ich mir schwor: "Wenn die" - Ihr also - "nicht endlich aufhören zu quasseln, dann kriegen sie heute abend eine namentliche Erwähnung im Blog." Ich finde es ja durchaus schön, wenn man im Kreise von Freunden und Bekannten die Messe feiert und wenn man die auch freundlich und warm begrüßt. Absolut kein Problem damit.

Bloß: Bei Euch hatte ich das Gefühl, es geht zu wie im Vereinsheim, bevor sich jeder setzt und der Vereinsvorstand die Sitzung eröffnet. Die letzten Neuigkeiten schnell ausgetauscht, Küsschen links-rechts, "Kannst mir nachher helfen, das und jenes zu tun?", die Seniorenbeauftragte lehnt sich elegant über die Bank zur Hinterfrau, Geheimnisse gibt es nicht, kann ja jeder mithören, was wir zu besprechen haben, nicht? Konzentrieren kann man sich immer noch, während das Protokoll der letzten Sitzung verabschiedet wird. So in etwa kenn' ich's, so in etwa war's bei Euch.

Irgendwo in der Ecke drückte sich bestimmt auch der klein-gemachte "Große Gott" herum - der aus dem berühmten Lied, der von damals im Dornbusch, wo Mose die Schuhe auszog, von wegen "Der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden". Ich kenne Euern Pfarrer nicht, vielleicht hat der Euch ja gesagt, daß überall, wo zwei oder drei "in meinem Namen beisammen sind", ER quasi-automatisch da sei und IHM auch ziemlich egal sei, was Ihr da tut, Ehrfurcht, Stille, Ruhigwerden etc. bräuchte es nicht, Hauptsache, fröhlich, entspannt, gerne auch mal kichernd, auf jeden Fall aber gesellig.

Oder wenn es der Pfarrer nicht war, habt Ihr dann vielleicht das Sonntagsevangelium zur Aufführung gebracht? Entschuldigung, wenn mir das erst jetzt zu Eurer Entlastung einfällt, aber moderne Inszenierungen sind manchmal nicht so eindeutig als solche zu erkennen. Wir haben später ja Markus 7, 31 - 37 gehört, zuvor noch passend Jesaja mit ein paar Versen aus dem 35. Kapitel. Die Verheißung des Propheten hat sich im HErrn Jesus erfüllt: Die Tauben hören und die Stummen sprechen, die Blinden sehen und die Lahmen springen wie Hirsche. So in etwa.

Und Ihr habt also dann schon mal gespielt, aufgeführt, wie es ist, wenn die Stummen endlich lose Zungen haben, richtig? Wenn das so ist, soll's mir recht sein. Ich darf Euch in diesem Fall lediglich auf das Evangelium des nächsten Sonntages verweisen. Da ist nicht mehr die Rede vom Sprechen, Reden, Quasseln, Babbeln, Schnaken, sondern vom Bekenntnis - "Du bist der Messias!" - und von der Nachfolge, die absolut kein Spaß zu sein scheint. Sonst hätte der HErr Jesus nicht so ernste Töne angeschlagen:

"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten."

Leider bin ich am nächsten Sonntag nicht wieder in Würzburg, aber ich bin sicher: Ihr werdet das nicht nutzen, um drauflos zu schwätzen.

Einen schönen Sonntag abend noch,

Euer Scipio

7 Kommentare:

Stanislaus hat gesagt…

Ja, das kenne ich leider auch aus anderen Kirchen ...

Resident hat gesagt…

Und ich wollte jetzt schon sagen - das kommt von der Kirchenrenovierung (inklusive obligatorischer Glastürenfront).

Ich war aber seither nicht mehr in Stift Haug.

G.F.a.G. hat gesagt…

...und Familie F. aus G. hat grade dem laut Vorlesenden G.F. gelauscht und herzlich gelacht - als gebürtige oder "studierte" Würzburger kennt man da ja Stift Haug ;-)

Scipio hat gesagt…

@Stan: Ich auch, aber nicht in diesem Maß. Übrigens interessant, daß inzwischen auch jene Generation schwätzt, die einen als Kind immer wegen Schwätzens und Rumguckens zusammengeschissen hat.

@Resident: Ich war heute überhaupt zum 1. Mal drin, soweit ich mich erinnere. Vorbeigekommen und gesehen habe ich es jedes Mal, wenn ich in WÜ war.
Das Weiß der Wände war schon ziemlich aufdringlich, aber wir sind ja einiges gewohnt im Bistum.

@G.F.: Gut, daß ich das nicht wusste, wer weiß, ob ich es dann geschrieben hätte. Wenn man die Wohnzimmer kennt, wo das Gebloggte auch noch laut vorgelesen wird, ist das Bloggen nicht einfacher. Mit der Illusion, man schreibe nur für sich oder für andere, Ferne, schreibt sich leichter...

Stanislaus hat gesagt…

Das mit der Generation beobachte ich scho sehr lange. Insofern wundert mich das von Dir erlebte gar nicht mehr.

Resident hat gesagt…

Vor der Renovierung war es eine ganz normale, wenn auch große, Basilika, seitdem nur noch was für Rundkirchenfetischisten, die ich zunehmende für unpassend halte.

Und die Glastüren waren dann ein Omen was später dann auch dem Neumünster geschehen sollte - da hat sich der Herr Lenssen dann richtig ausgetobt.

Weiße Wände finde ich gar nicht so schlimm, denn mit der Zeit gibt sich das Schreiende. Außerdem irritiert mich manches Wandgemälde, wie etwas das (sicher gut gemeinte) in der Karmelintekirche.

FingO hat gesagt…

scipio, hast Du diesen Brief auch an das Pfarrblatt der Gemeinde geschickt?