Was will es bedeuten, wenn ein Mainstream-Medium einen neuen Blog schon vorab, bevor auch nur die erste Zeile gebloggt ist, anpreist? - Das fragte ich mich, als ich den Artikel "Les « sacristains » sonnent les cloches sur Internet" aus La Croix las.
La Croix, wir erinnern uns, ist eine französische katholische Tageszeitung, die bei Bayard erscheint, einem Verlag der Assumptionisten, mit nationaler Reichweite bei einer Auflage von knapp 100.000, politisch und kirchenpolitisch im gemäßigt fortschrittlichen Mainstream. (Vgl. Wikipedia auf französisch und englisch)
Wenn La Croix nun also einen neuen Blog im Vorgriff vorstellt und empfiehlt, dann ist quasi das Medium schon die Message, noch vor dem ersten Satz des Artikels. Die Message, hier aus dem Mund der empfohlenen Blogger, kennen wir in Deutschland genauso gut:
"On voulait donner un peu plus de visibilité aux cathos “mainstream”, dans la mesure où, quel que soit le sujet, les plus présents sont toujours les plus extrêmes sur Internet. La présence des catholiques modérés est à ce jour presque inconsistante dans la blogosphère, alors qu’ils représentent la majorité des catholiques français. » D’où un recrutement qui laisse droit à une large palette de sensibilités, « pour que la question ne soit pas politique », poursuit-il. La participation au blog sera aussi ouverte à des invités occasionnels, pour peu qu’ils adhèrent à sa charte où les « sacristains » se réclament avec fermeté de Vatican II et entendent promouvoir le dialogue interreligieux."
[In schneller, unreiner Übersetzung:
"'Wir wollten den Mainstream-Katholiken ein wenig mehr Sichtbarkeit verschaffen, insofern, gleich bei welchem Thema, die Extreme im Internet immer am auffälligsten sind. Die Präsenz gemäßigter Katholiken ist in dieser Stunde im Internet fast inkonsistent, obwohl sie die Mehrheit der französischen Katholiken repräsentieren.' Deshalb auch eine Einladung zum Mitbloggen, die einer breiten Palette von Meinungen Raum lässt... Die Teilnahme am Blog wird auch gelegentlich für eingeladene Schreiber offen sein, wenn sie nur der Charta der Sakristane zustimmen, die sich entschieden auf das Vatikanum II berufen und den interreligiösen Dialog zu fördern suchen"]
Das kann grundsätzlich gelingen, besonders da bei les sacristains einige erfahrene Blogger dabei sind. Wenn ich freilich Sätze lese wie "L’idée de proposer une autre visibilité d’Église me plaît bien. Une présence apaisée et amusée de l’Église sur Internet, ni dans la défense ni dans l’apologétique de la foi catholique" ["Die Idee, eine andere Sichtbarkeit der Kirche vorzuschlagen, gefällt mir gut. Eine beruhigte und amüsierte Präsenz der Kirche im Internet, weder zur Verteidigung noch zur Apologetik des katholischen Glaubens"], werde ich gleich skeptisch. Denn allzu leicht, allzu oft, so habe ich in den letzten Jahrzehnten gelernt, lief so etwas auf Feigheit vor dem Feind hinaus, auf die Bereitschaft, dem als vox temporis verstandenen Zeitgeist mehr Recht zu geben als dem Wort GOttes und mit einer Hermeneutik des Bruches in die finale Mimikry zu gehen, als ob in der perfekten Anpassung der Tonfall des galiläischen GOttessohnes noch zum Klingen käme.
Und irgendeiner muß den Kopf hinhalten für die sichtbare Kirche aus Sündern - nicht weil sie sich besonders klug anstellt -, sondern weil es genug Leute gibt, die mit all ihren kindischen Begrenztheiten und kleinen Idiotien auch den evangelischen Skandal mit aus dem Badewasser schütten. Für eine durchaus amüsierte, nonchalante, elegante Präsenz der Katholiken bin ich auch, keine Frage, aber im richtigen Moment, im Ernstfall gilt es, wie der alte "Raunzer" (HUvBalthasar) Bernanos aufzustehen und bereit zu sein, ohne auf eigene Image, auf Eleganz und Akzeptanz zu achten.
8. September 2009
Schlimme Sache: Vorschußlorbeeren vom Mainstream
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8 Kommentare:
Ich denke einfach, daß die "normalen" Katholiken einfach keine Lust haben werden, zu bloggen. Diese ganze Selbstdarstellung, die wir bspw im Internet betreiben, tun wir, weil wir ein Profil haben, das sich darstellen will, wie es sich ohne Weblog nicht zur Genüge darstellen kann - gut, ich rede hier nur von mir, jedoch ist das allgemein mein Eindruck. Und natürlich auch, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen.
Das Internet bietet den Leuten mit Einstellungen, die vom Mainstream abweichen und Konfliktpotential haben, ein Forum und eine Möglichkeit zur Vernetzung. Mainstreamkatholiken werden diese Möglichkeit kaum brauchen, schließlich sind sie - wie gesagt - Mainstreamkatholiken. Dasselbe Phänomen kann man auch auf der Gegenseite beobachten: Die Blogs, die sich als atheistisch bezeichnen, sind keine Weblogs von irgendwelchen Wald-und Wiesen-, "jeder soll nach seiner Facon selig werden"-Atheisten.
Was den letzten Absatz betrifft, muß ich jedoch sagen, daß Du hier die Rolle von Internetpräsenzen überschätzt - nein, das ist nicht das richtige Wort. Worum es mir geht, ist der Satz:
"lief so etwas auf Feigheit vor dem Feind hinaus" und so weiter. Nicht, daß ich das Webloggen und das aktivsein in Foren schmälern will - ich bin beides seit über zehn Jahren. Gut, die Forenaktivität läßt - bloggen sei Dank - immer mehr nach, was aber nicht an einer Faulheit per se liegt. Aber nur weil ich auf meinem Weblog bspw. über die Atheistenwerbung, über Homosexualität, über die ganze Bittlingersache geschrieben hab, würde ich das nie als derart mutig bezeichnen. Sicherlich braucht das Internet Leute wie uns, die auf Gott hinweisen - wenn ich sehe, daß bei reddit eine der Hauptkategorien Atheismus ist, wird mir schlecht -, aber der Mut im Glauben bewährt sich immer noch draußen, auf der Straße. Wo die Leute nicht einen Text unter einem Namen sehen, den sie vielleicht anklicken können, um ein Impressum zu sehen, sondern wo man sich auf Augenhöhe gegenübersteht.
Und hier rede ich dann nur von mir, aber nur weil ich im Internet blöken kann, bedeutet das nicht, daß ich im realen Leben ein großer Bekenner bin. Leider gibt es da noch Verbesserungsbedarf.
@ Phil: Volle Zustimmung!
Ich finde, daß der Begriff "Mainstream-Katholiken" nicht gerade ein Kompliment für die schweigende Masse ist.
Phil,
ich habe Scipio anders verstanden.
"lief so etwas auf Feigheit vor dem Feind hinaus" bezog sich m.A.n. nicht auf Internetaktivitäten an sich sondern auf eine evt. hinter dieser expliziten Distanzierung zur Apologetik stehende Geisteshaltung des möglichst starken Anpassung an die "Welt".
Stanislaus,
da hast Du leider recht. Schlimm, denn eigentlich sollte Mainstream der Kirche und Katholisch doch identisch sein.
Allerdings ist natürlich die Frage, wie es gemeint war. Es gibt auch Mainstream im richtigen Sinne und es gibt auch übertriebene Profilierung (übertrieben vom Standpunkt der Kirche aus) bei manchen Bloggern.
Ich finde aber auch, daß es gerade bei uns Bloggern durchaus unterschiedliche Meinungen zu bestimmten Dingen gibt und das doch gerade das Reizvolle an dem Diskurs ist.
Also uns da in eine bestimmte Ecke zu drängen, halte ich für verfehlt.
Dieser Diskurs in der Blogozese - so sehr ich auch manchmal mit anderen aneinandergerate oder die mit mir, ich liebe ihn! Gerade daß es durchaus heterogene Meinungen bspw. zur Liturgie gibt, ist meiner Meinung nach sogar Saatgut für Mission - ok, etwas zu überschwänglich formuliert, aber diese Tatsache zeigt doch, was für ein heterogener Haufen wir Katholiken doch sind. Wir sind eben keine einheitliche Masse.
Dazu wird es noch einen Blogeintrag bei mir geben, fällt mir grad ein...
Falls Du mich meintest, Stanislaus, wollte ich keineswegs Blogger generell in irgendwelche Ecken zu stellen.
Nur manche (keiner der hier anwesenden) kocht doch schon sehr eigene Süppchen.
Nene, Dich meinte ich nicht. Eher die "Mainstreamer".
Wow, da schreibt man kurz nach Mitternacht ein Posting, mit dem man anschließend recht unzufrieden ist, schläft ein paar Stunden, geht arbeiten und findet bei seiner Heimkehr eine Debatte vor. Das ist das Schöne am Bloggen.
Mainstream-Katholizismus ist imho erst mal nichts Schlechtes, auch wenn meinereins das vielleicht zu oft abschätzig gebraucht - hoffentlich als läßliche Sünde. Die Kirche ist eine Kirche von Heiligen und eine des Volkes, das simul iustus et peccator durch die Zeiten unterwegs ist. Und in diesem Volk gibt es die Auffälligeren und die weniger Auffälligen. Jeder trägt den anderen auf seine Art und Weise und wird getragen von den Heiligen - und vom HEiligen GOttes, dessen Leib wir alle sind.
Was meinen Bekennermut angeht, hat Resident gut verstanden, wie ich das meinte. Nicht so, als würde ich immer aufstehen, wenn's nötig ist oder immer die rechten Worte finden, aber wenigstens auch nicht so, daß ich mich vorab schon einmal distanziere. (Und verweise an dieser Stelle, aber nicht als Distanzierung, auf einen Text, den Jean-Luc Marion im April - incidentally - bei La Croix veröffentlichte und wo er uns warnt, den Skandal, den Jesus Christus darstellt, mit dem Skandal zu verwechseln oder gleich zu setzen, den die Kirche und vor allem wir/ich in ihr, der Welt bieten...)
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