"Benedikt und die Brandstifter" betitelt die FAZ einen Artikel von Jürg Altwegg über einen Appell französischer katholischer Intellektueller: "Keine Holocaustleugner in der Kirche".
Unterschrieben haben ihn französische Katholiken jedweder Façon: Zu den Erstunterzeichnern gehören nicht nur Conciliums-Theologen wie Claude Geffré oder Christoph Theobald, sondern mit Jean-Luc Marion und Remi Brague auch Mitherausgeber der (von Joseph Ratzinger mitbegründeten) Communio, dazu René Girard, der selber ein leidenschaftlicher "Anhänger" der "alten Messe" ist, Jacques Delors und eine bunte Reihe katholischer Wissenschaftler, Schriftsteller und Philosophen.
Nachlesen und unterzeichnen kann man den Aufruf "Pas de négationnistes dans l'Eglise" bei La Vie im französischen Original; im folgenden versuche ich mich an einer Übersetzung ins Deutsche. (Ich bitte um Korrekturen und Hinweise, wo ich mit meinem Basisfranzösisch danebenliege.)
Keine Holocaustleugner in der Kirche
Der Appell katholischer Intellektueller
'Ich glaube, daß es keine Gaskammern gegeben hat.' Dieses infame Credo, das nichts mit dem Christentum zu tun hat, haben wir am Donnerstag, 22. Januar, aus dem Mund von Bischof Richard Williamson gehört, einem der vier integralistischen Bischöfe, die 1988 von Erzbischof Lefebvre geweiht worden sind. Das ist übrigens keine Überraschung: Seit Jahren verstärkt dieser Prälat seine provokativen Erklärungen.
Nun hat die zwei Tage danach erfolgte Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvristen eine tragische Zweideutigkeit geschaffen. Sie lässt glauben, daß Rom die Leugnung des Völkermords an den Juden rehabilitiere oder mindestens als erlaubte oder gar harmlose Meinung betrachte.
Diese Zweideutigkeit ist schlicht und einfach unerträglich.
Unerträglich, weil wir hinter der Maske der Leugnung des Judenmords die Fratze eines abscheulichen Antisemitismus entdecken.
Unerträglich, weil seit einem halben Jahrhundert, von Johannes XXIII. zu Benedikt XVI. die Kirche einen langen Prozeß der Reue angesichts des Antijudaismus unternommen hat. Sie hat nicht aufgehört, die Begegnung und die Versöhnung mit denen zu suchen, die Johannes Paul II. 'unsere älteren Brüder' nannte. Indem sie dieses tut, hat sie ihre Ursprünge wiedergefunden: Jesus, Maria, die Jünger waren Juden.
Wir, die Unterzeichner dieses Appells, betrachten also die Worte von Bischof Williamson als einen persönlichen Angriff auf unseren christlichen Glauben.
Wir meinen, daß dieser Bischof ohne aufrichtige und ausdrückliche Reue seinerseits seinen Platz in der Kirche nicht finden kann.
Wir bitten den Papst, die Worte von Bischof Williamson eindeutig zu verwerfen. Das ist in unseren Augen jetzt das einzige Mittel, den Schaden zu beheben, den diese Situation in der Kirche selbst sichtbar angerichtet hat.
Die Redaktion von La Vie kommentiert, daß die vom Papst abgegebene Erklärung den Wünschen der Unterzeichner entspricht.
[30.1.: condamner jetzt mit verwerfen statt mit mißbilligen übersetzt - dank des Kommentars von locojustloco.]
29. Januar 2009
Franzosen gegen den "Negationismus"
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8 Kommentare:
Wohin soll das führen und was kommt als nächstes? Kommunisten, Sozialisten, Rechte? Was ist Pädophilen, Vergewaltigern, Mördern und anderen Kriminellen? Nach dieser Lesart darf nur Christ sein, wer nicht von der allgemeinen Norm oder der öffentlichen Meinung abweicht.
Keine Holocaustleugner in der Kirche?? Kein Holocaustleugnen seitens der Kirche hätte ich ja verstanden, ebenso wie disziplinarische Massnahmen gegen Williamson (wo bleiben eigentlich die gegen die Pädophilenfreunde unter den Bischöfen Amerikas?) aber dieses hysterische "Auf den Scheiterhaufen!!" geht mir echt zu weit.
Oh, und das Vat2 zum Shibboleth zu machen übrigens auch...
@Anonym:
Wieso Scheiterhaufen? Verlangen das die Franzosen? Wenn ja: wo?
Aber warum nicht? Vielleicht eine kurze Weile, könnte einen gewissen Lerneffekt haben? - Schluß mit Zynismus, jetzt ernsthaft: Soll der Guteste weiter so rumdröhnen und sich dumm stellen oder verkriechen, sobald protestiert wird? Und dann kommt er wieder nach vorne mit seinen Verschwörungstheorien und seinem Antisemitismus? Und wir protestieren derweil nur gegen die Politisch-Korrekten? Die sind mir hier allemal lieber als der Msgr. und seine anonymen Verteidiger auf Seiten wie kotz.net.
Wir werden weiterhin sehen, wieviel Zustimmung zu einem ordentlichen Konzil das Lehramt verlangen wird. Da verlasse ich mich ganz auf Benedikt XVI.
Na ja, man könnte da ein wenig feilen, hier und dort, aber die Übersetzung ist soweit sinnrichtig. Lediglich zwei Punkte: "intégriste" ist nicht "integralistisch", sondern im Deutschen eigentlich korrekt mit "fundamentalistisch" zu übersetzen. Und im letzten Absatz muß ich doch kritisch eingreifen: "condamner" ist nicht "mißbilligen", sondern "verurteilen, verdammen, verwerfen". Der Unterschied ist beträchtlich...
Interessant vielleicht auch die Anmerkung von Gérard Prioul, St.Domineuc (Ille-et-Villaine, Bretagne):
"Bleiben wir sachlich. Diese vier Bischöfe wurden weder rehabilitiert noch redintegriert. Um seines eigenen Amtes willen, das die Einheit garantieren soll, öffnet Benedikt XVI. seine Tür sehr weit. SIcher zu weit für uns. Denn seit vielen Jahren posaunen die Getreuen der integristischen Bewegung ihre abgrundtiefe Ablehnung des Konzils in die Welt, in ihrem "Brief an unsere Brüder Priester(den ich erhalte, ohne ihn bestellt zu haben, und den ich lese, um zu verstehen, wie weit wir voneinander entfernt haben!). Aber machen wir es nicht noch schlimmer!
Während des Konzils wurde die Kirche durch den Heiligen Geist geleitet. Sollte er heute, in dessen Umsetzung, fern sein? Ich schäme mich nicht dieser Kirche und ihres Papstes, der, vielleicht ungeschickt, aber ohne auch nur ein Quäntchen seiner tiefsten Überzeugungen zu verraten, dem Wunsch Christi treu sein will, "daß sie eins seien".
GEwiß, ich fürchte sehr, daß diese Öffnung nichts bringt, und daß dieser Versuch uns teuer zu stehen kommt. Nichtsdestotrotz anerkenne ich den Herzenswunsch.
Und selbstverständlich unterzeichne ich Ihre Petition."
Dem anonymen Vorredner sei von einem Apostaten noch ans Herz gelegt, hier genauer zu lesen: niemand will Williamson auf den Scheiterhaufen bringen, es geht darum, daß dieser Mann nicht als Bischof der römischen Kirche rehabilitiert werden kann, wenn er den Holocaust leugnet. Und damit genau darum, was Anonymus selbst schreibt: "Kein Holocaustleugnen seitens der Kirche".
Außerdem: Vaticanum II ist wie jedes Konzil ein Schibboleth in der römischen Kirche, weil es Sache der Konzilien ist, gültig die Lehre der römischen Kirche festzustellen. Wer damit übereinstimmt, ist drin - wer nicht, ist draußen. (So wie ich...)
Bei dem "Integralismus" möchte ich schon bleiben, denn das ist ja eben die katholische Variante des protestantischen Fundamentalismus und die Tradition, in der die Pius-Bruderschaft steht. Vgl. die Einträge in wiki- und kathpedia. Den anderen Vorschlag arbeite ich selbstverständlich ein, auch wenn er (gerade weil?) von der anderen Rheinseite kommt.
Also, wenn schon, dann "integristisch", würde ich sagen.
Die gängige französische Rechtfertigung des Begriffs ist aber in der Tat die, daß "Fundamentalistisch" im amerikanischen Sektenprotestantismu wurzelt. Ich wüßte allerdings nicht, inwiefern das gegen den Begriff spricht.
Ich finde den Begriff "fundamentalistisch" erklärungskräftig, weil er religionssoziologische und mentale Gemeinsamkeiten zwischen religiösen Fanatikern unterschiedlicher Religionen neutral faßt.
@locojust loco - Ich hasse und verabscheue, was dieses Vat2 aus der Kirche gemacht hat über die letzten Jahrzehnte, und zwar OHNE Lefebvristin oder Holocaustleugnerin zu sein. Bin ich deswegen keine Katholikin?? Den Heiligen Geist sehe ich ganz bestimmt NICHT am Werk bei den meisten der ach-so politisch korrekten und liberalen und zeitgeistigen Priester (schon gar nicht Theologen) hier im Westen (oder gar den völllig durchgedrehten und häretischen Befreiungstheologen), oder den "Catholics for free choice", für die der "Geist des Konzils" zweitausend Jahre Katholizismus ad acta gelegt hat (und die für mich mindestens so skandalös und widerlich sind, wie selbst Antisemiten). Aber - wie schon häufiger vermerkt - die erledigen sich von selbst. Biologisch, und durch sterile Bedeutungslosigkeit, was man an leeren Kirchen und Seminaren sehen kann.
@harki: "integralistisch" ist in der Anwendung auf katholische "Integr(al)isten" durchaus geläufig.
Der Vorteil des "integralistisch" ist m.E., daß der Kurzschluß zwischen religiöser und politisch-gesellschaftlicher Ordnung deutlicher wird, der ja doch für die katholischen Integralisten typisch ist - typischer jedenfalls als die Definition von fundamentals, wie sie am Ursprung der evangelischen Fundis steht.
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