Mir war der Satz in der Predigt auch aufgefallen; die Tageszeitung berichtete ihn in einer kleinen humoristischen Kolumne eine gute Woche später:
Langatmige und theorielastige Predigten erschweren im Gottesdienst das Zuhören. Der Priester in der Innenstadtpfarrei warnte die Gläubigen schon gleich zu Beginn seiner Ausführungen: "Wenn es Ihnen jetzt zu theologisch wird, dann schalten Sie ruhig mal zwei bis drei Minuten ab. Ich mache Sie rechtzeitig darauf aufmerksam, wenn es wieder spannend wird."
Sehr theologisch wurde es dann gar nicht, obwohl die beiden zu Gehör gebrachten Lesungen aus dem Epheserbrief und dem Johannesevangelium durchaus einiges an trinitarischer und soteriologischer Spekulation hergegeben hätten. (Das Alte Testament wurde wieder einmal nicht auf den Tisch des Wortes gebracht - nein, wir sind nicht antijüdisch. Nur kein dreigängiges Bibelmenü gewohnt.)
Tja, wir sind nun einmal nicht in Hippo vor 1.600 Jahren, wo ein Augustinus vor seinem gemischten Publikum aus ungebildeten Bauern und Fischern hier, Großgrundbesitzern und gebildeten Freunden dort, Sonntag für Sonntag theologische Predigten ablieferte, daß eine durchschnittliche deutsche Gemeinde nicht zwei oder drei, sondern volle 20 - 30 Minuten abgeschaltet hätte. Von Volksaufständen dort ist nichts überliefert, ich habe im Brown extra noch einmal nachgeschaut. Und einen Martyrertod durch die Hand genervter Predigthörer ist Augustinus auch nicht gestorben.
Nun, diese spätantiken Zeiten sind vorbei, zu Martyrern für die Sache der theologiegesättigten Predigt sind unsere Priester nicht gemacht, und falls doch einer Ambitionen hat, büxen wir aus in die Nachbargemeinde, wo die Homilien zärtlich einsickern wie vorgewärmte Ohrentropfen.
Der erste Satz über die Nebenwirkungen langatmiger und theorielastiger Predigten, den mein Lokalblatt so selbstverständlich anbringt, gilt übrigens - mutatis mutandis - auch für die Lieder im Gottesdienst. Warum statt des langatmigen, theorielastigen, wiederholungsreichen Gloria nicht das ungleich kurzweiligere, theoriefreie "Engel auf den Feldern singen" singen, gerade in der Weihnachtszeit? Kommt doch auch "Gloria" drin vor, richtig lang sogar? Und statt des Credo, des apostolischen wie des nizäno-konstantinopolitanischen, erneuern wir regelmäßig unsern Taufbund, kurz, knapp, einstrophig. Ob und was wir glauben, fragen Sie? - Daß ich glaube, dessen bin ich mir ganz gewiß. Mit dem Was hapert es ein bißchen. Lassen Sie mich kurz nachdenken. Warten Sie einfach zwei bis drei Minuten. Ich melde mich dann, wenn ich so weit bin.
15. Januar 2009
Einladung zur Abschaltung
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3 Kommentare:
Ja. Manchmal frage ich mich, ob die katholische Menschheit trotz hoher formaler Bildung nicht vielmehr im Laufe dieses Jahrhunderts völlig verblödet ist. Lese ich Predigten Taulers oder Eckarts aus dem Hochmittelalter, gehalten vor analphabetischen Bauern und Handwerkern, oder vor - ebenfalls meist analphabetischen - Nonnen und Mönchen, die uns ja erhalten sind, weil da jemand mitgeschrieben hat, dann muß der theologische intellectus im 20 Jahrhundert doch in tiefe Abgründe gestürzt sein. Wenn ich mal eine theologisch anspruchsvolle Predigt höre, dann höchstens mal von einem Prediger, der dafür eigens aus Rom eingeflogen wurde.
Glauben od. doch Vertrauen?
Was sind wir Evangelen doch verwöhnt, zumal im reformierten Lager... gilt in der EKD allgemein noch "du darfst über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten", so können brave Reformierte anderer Länder durchaus eine halbe Stunde lang zuhören.
Andererseits: Theologie ist keine Orchideendisziplin, sie ist die Be- und Umschreibung gelebten Glaubens - oder sinnlos. Und so hat - übrigens können große Prediger wie Tauler, Eckart, Luther da als Beispiel dienen - eine gute Predigt ihre Blätter und Blüten immer im Leben der Hörer, auch wenn ihre Wurzeln im Himmel wachsen.
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