Mehr als ein Trostpreis für heimkehrende Lefebvrianer
Der aktuelle Gerüchtestand datiert das Motu Proprio auf Weihnachten 2006: Dann werde Papst Benedikt XVI. die "alte Messe" in der Kirche wieder zulassen und nicht mehr nur um eine weite und großzügige Anwendung der "Richtlinien zum Gebrauch des Römischen Meßbuchs in der Editio typica vom Jahr 1962" bitten.
Daß es nicht nur um die Wiedereinführung einer altehrwürdigen Liturgieform geht, zeigt sich an der Diskussion in Frankreich deutlicher als hierzulande: Für die echten Traditionalisten um den Erzbischof Lefebvre ging es ja stets um mehr als um die Abschaffung oder Zulassung eines Ritus. Es ging um die Gültigkeit des Konzils, die Gültigkeit der "neuen Messe" Pauls VI., um die Stellung der Kirche zur Gesellschaft, zur Religionsfreiheit, zur Demokratie. Bei all dem wird der Papst, wird die katholische Kirche keine Zugeständnisse an die Schismatiker machen. Das Konzil ist nicht verhandelbar, manches an seiner Umsetzung wohl schon.
Werden wir dann einen Biritualismus bekommen, wie es manche Bischöfe befürchten und öffentlich als Argument einsetzen? Kardinal Ratzinger in seinem "Geist der Liturgie" spricht von "Variationen in den Ritenfamilien", von "variierende(n) Formen auf dem Boden einer das Ganze umspannenden rituellen Grundform"(146). In diesem Sinn wollte das Konzil dann nicht den damaligen römischen Ritus abschaffen und durch einen neuen ersetzen, sondern ihn doch wohl so variieren ("erneuern" - SC 21), daß "das christliche Volk in der heiligen Liturgie die Fülle der Gnaden mit größerer Sicherheit erlange". Um eine Wiederzulassung der früheren Variante geht es, nicht um einen Parallelritus.
Wozu aber das Ganze, wenn es sich laut Kardinal Lehmann so gar nicht um ein echtes Bedürfnis "des Volkes Gottes" handelt? Sicherlich würde die breitere Zulassung der "alten Messe" erst einmal eine Brücke für diejenigen Traditionalisten bauen wollen, die aus dem Schisma in die Einheit zurückkehren wollen. Auflösung oder wenigstens Aufweichung durch Umarmung - das ist es ja auch, was schismatische Traditionalisten hinter dem pästlichen Vorhaben wittern.
Ad intra, nach innen jedoch geht es dem Papst, der als Kardinal eine "Reform der Reform" anregte, imho um eine heilsame Rückwirkung auf die oft defiziente Art, wie Liturgie in der katholischen Kirche gefeiert wird. Gerade weil ihm bewußt ist, daß Liturgie nachkonziliar als machbar verstanden wurde und verstanden wird, und zwar von den Machern wie vom Kirchenvolk und seinen Priestern, weiß er, daß auch die "Reform der Reform" allzu leicht in die "Machbarkeitsfalle" tappen kann: Erst machen wir alles ein bißchen lockerer, vierzig Jahre später machen wir wieder auf Rollback, auf Latein, auf versus orientem, auf Pius V....
Würde dann Liturgie nicht noch beliebiger erscheinen, wo doch "die Größe der Liturgie ... gerade auf ihrer Unbeliebigkeit" (Geist der Liturgie, 143) beruht, wo eben auch der Papst selber nicht der ultimative Liturgiemacher ist, sondern "Garant des Gehorsams gegenüber dem ergangenen Wort", "demütiger Diener ihrer [der Liturgie] rechten Entwicklung und ihrer bleibenden Integrität und Identität" (ebd.)?
Vielleicht ist das die erste Hoffnung des Papstes: daß durch die häufigere Verwendung des altrömischen Messbuchs die derzeitige katholische Liturgie bereichert wird. Das wird nur gelingen, wenn die Zulassung des "alten Messe" "entpolitisiert", aus dem Niemandsland zwischen den Schützengräben der letzten dreißig Jahre herausgeholt wird. Um "liturgische Erneuerung" geht es, um Wiedergewinnung von nachkonziliar Verlorenem, nicht um den Sieg der einen und die Niederlage der andern.
Was heißt "volle, bewußte und tätige Teilnahme" (SC 14)? Was sind "unnötige Wiederholungen" (SC 34)? Soll und kann Liturgie tatsächlich "durchschaubar" (SC 34) sein? Wie sieht "Belehrung" (SC 33) durch Liturgie aus? - Bestimmte Antworten sind hier in den letzten vierzig Jahren popularisiert worden, uns in Fleisch und Blut übergegangen. Es wird immer klarer, daß diese Antworten mindestens genauso zeitbedingt waren wie das, was sie an Wandelbarem abschaffen oder verbessern wollten.
Wenn die Wiedereinführung der alten Variante des römischen Ritus gelingt, dann könnte in seinem Licht auch die neue Variante ihre Stärken entfalten und ihre Schwächen überwinden. Denke ich jedenfalls.
Versprechen will ich nichts, aber vielleicht gelingt es mir, das eine oder andere dazu aufs Blogpapier zu bringen.
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8 Kommentare:
Ein wirklich hervorragender Kommentar. Mir fällt oft auf, dass die Befürworter der sogen. Alten Messe sagen, dass dies ihre persönliche Präferenz sei, der Gewähr gegeben werden müsse. Liturgie ist aber keine Frage persönlicher Präferenz.
Lieber Scipio,
ich betrachte mich als echten Traditionalisten, wenn auch keineswegs «um den Erzbischof Lefebvre». Mir geht es durchaus nicht darum, die Gültigkeit des Konzils oder die Gültigkeit der "neuen Messe" Pauls VI. in Frage zu stellen. Mir geht es um die Qualität der Liturgie und damit eben wirklich «um die Abschaffung oder Zulassung eines Ritus».
In der Rückschau wünschte ich mir durchaus, damals wäre es zu einer angemessenen Erneuerung der Liturgie gekommen. Liturgie auch in der Volkssprache – in angemessener Übersetzung –, Repristinationen verschiedenster Art: Friedensgruß der Gemeinde – in liturgisch angemessener Form (also vom Altar ausgehend, weitergegeben, aber nicht durcheinander ringsumher, nicht mit Händeschütteln), Kommunion sub utraque, aber ohne Selbstspendung; auch Wiedereinführung alttestamentlicher Lesungen (obwohl da aus alter Zeit nur noch Bruchstücke einer Leseordnung vorhanden sind, so daß man da neuern mußte) ...
Das alles wäre sinnvoll und wäre damals möglich gewesen. Aber dann brachten Unmengen von Kommissionen – in Rom, bei den Bischofskonferenzen, in Pfarreien – eine Liturgie zustande, die das Wesen des Gottesdienstes verdunkelt. Der Novus Ordo ist noch das Harmloseste daran, aber: wenn ich von den (im einzelnen meist verunglückten) Repristinationen absehe und vom Gebrauch der Volkssprache (in oft verheerend schlechter Übersetzung), so finde ich an ihm nichts, was gut wäre. Ich will das hier nicht im einzelnen belegen; ich bin aber durchaus bereit dazu.
Zu einer echten Reform gehörte zunächst das Eingeständnis, daß vor vierzig Jahren die Reform vermurkst worden ist. Alles Künftige muß ausgehen von einer Neuentdeckung des Verlorenen; wir brauchen die offizielle Wiederzulassung.
"Zu einer echten Reform gehörte zunächst das Eingeständnis, daß vor vierzig Jahren die Reform vermurkst worden ist."
fällt erstens unter "persönliche Präferenz", zweitens kann man kaum mehr fordern in dieser Frage.
Als konservativer Katholik liebe ich die "neue Messe" und möchte sie nicht missen. Natürlich gibt es unwürdig gefeierte Messen - die es ja auch bei der alten Messe gab (Messen in 12 Minuten abgelesen, keine Beteiligung des Volkes, Unverständlichkeit der Texte ect.) Also hört auf von der alten Messe zu schwärmen. Für Benedikt-Normalchrist ist die alte Messe absolut exotisch und unverständlich.
Und Lesungen aus dem AT gibt es doch heute an jedem Sonntag. Ich habe den Eindruck, elitäre Lateinliebhaber wollen ihrem Hobby frönen und kulturell eine Messe genießen. Wie wärs noch mit ein bisschen Kirchenslawisch.
Ich habe da eine andere Vorstellung von Gottesdienst. Belege doch einmal was so schlecht ist.
Alfred,
ein elitärer Lateinliebhaber mag ich sein, aber mir geht es eben nicht um die lateinische Sprache. Und an unwürdig gefeierte Messen in alter Zeit kann ich jedenfalls mich nicht erinnern.
Belege willst Du an. Na gut, ich habe es versprochen, aber ich werde nicht Scipionis Kommentarfeld zuschütten. Darum habe ich auf die schnelle selbst einen Text ins Netz gestellt, zu finden unter www.occidens/chronica/nom.htm.
Entschuldigung, ein Schreibfehler. Die richtige Adresse:
zu finden unter www.occidens.de/chronica/nom.htm (hoffentlich versteht das Ding HTML).
ich rate weiter dazu, abzuwarten...denn es gibt schon wieder brandheisse Gerüchte, dass es sich bei dem kolportierten Inhalt des Motu proprio mehr um das "fromme" Wunschdenken bestimmter Kreise handelt ...let's see resp.videbimus.
Herzlichen Dank für Deinen ausgewogenen und sehr differenzierten Kommentar. Leider ist diese Haltung nur sehr selten zu finden. Leider ist die Situation ideologisch stark überhitzt. Die Zeit für eine liturgische Umbesinnung ist längst überfällig, aber die Notwendigkeit wird einfach nicht gesehen. Stattdessen werden politische Kampfbegriffe wie "progressiv" / "konservativ" etc. gebraucht, um das vermeintliche Lager der Gegner zu kennzeichnen.
Hier fehlt es einfach an grundlegendem Verständnis was Gottesdienst ist: Dienst vor Gott, zur Verehrung Gottes und nicht zu Gemeindedienst zur Bespaßung einer Gemeinde.
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