Steine, die schweigen statt zu schreien
In der Welt beschreibt Thomas Kielinger das aktuelle Anglikanische Dilemma als vollendetes Aggiornamiento:
"Der Konflikt ist jetzt da, Gene Robinson und seine Anhänger haben es so gewollt. Es geht um die Frage, ob eine ohnehin progressive Kirche auch noch auf ein letztes Kernstück ihrer Theologie - nein, ihrer Anthropologie verzichten muss, welches sie vor definitorischer Beliebigkeit schützt. Robinson in seiner anrührenden Fröhlichkeit, wie sie nicht untypisch ist, wenn man sich auf der Welle des Fortschritts wähnt, lieferte unlängst in einer Versammlung in New Hampshire ein höchst aufschlussreiches Bild des neuen Denkens ab. Er tat es mit einer historischen Anekdote. Als die große Elizabeth I. - der Bruch mit Rom war unter ihrem Vater, Heinrich VIII., vollzogen - einmal gefragt wurde, ob die Leute sich weiter nach Art der Katholiken zu bekreuzigen hätten, gab sie zur Antwort: 'Alle können, keiner muss, aber einige sollten.' (All may, none must, but some ought).
Gibt es eine bessere Definition von Beliebigkeit, eine bessere Charakteristik des modernen Dilemmas? Alle können, keiner muss, aber einige sollten - so die Antwort im Jahr 2003 auf ein Thema von brennender ethischer Relevanz. Mehr als die Gefahr eines Schismas steht hier im Raum. Geradezu paradigmatisch wirft die Krise im Anglikanismus die Frage auf, was 'Kirche' überhaupt noch bedeutet, wenn ethische Grundsatzfragen weiter ins Belieben abdriften und an ihrer Stelle ein zweifellos bedeutsames Thema wie die Bürgerrechte zur Leitlinie der Selbstbeschreibung wird. Sollte man dann lieber nicht von 'Kirche' reden, eher von einer Konkurrenz-Agentur der Gesellschaftspolitik?"
[Bei der Welt ist seit neuestem eine - noch? - kostenlose Registrierung notwendig, um den Volltext lesen zu können.]
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen