Die deutschen Bischöfe zur Liturgie
In einer einigermaßen stillen Stunde konnte ich mir gestern das neue Pastorale Schreiben der Deutschen Bischöfe "Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde - Impule für eine lebendige Feier der Liturgie" zu Gemüte führen. (Die Seitenzahlen beziehen sich auf das pdf-Dokument.)
Das Unernste zu Beginn:
* Der Titel ist unförmig - da lobe ich mir die einprägsamen Namen der päpstlichen Schreiben und werde das hier zu behandelnde Schreiben im folgenden mit MUH abkürzen.
* Erfreulich ist, daß auch hier wieder mal in gut katholischer Tradition das Wort "sachgerecht" auftaucht, noch erfreulicher, daß es nicht wie sonst üblich im Bezug auf Personen gebraucht wird. Diesmal bezieht es sich auf die "Feierpraxis" (31).
* Die Seite 40 des Download-Dokuments ließ sich nicht anzeigen und ausdrucken.
* Was soll man von diesem Satz halten: "Schüler, Frauen, Senioren oder auch andere werden häufig nicht täglich an einem Gottesdienst teilnehmen können, könnten sich aber fragen, ob es ihnen nicht an einem bestimmten Wochentag möglich wäre." (37) Die "anderen" - und da bleiben nur Kinder bis 6 Jahre und Männer zwischen 18 und 60 - können die "häufig täglich" oder nur "nicht häufig nicht täglich" an einem Gottesdienst teilnehmen? Oder geht es ihnen wie den Schülern, Frauen und Senioren: Sie können "häufig nicht täglich", könnten sich aber nicht fragen??
Und damit zu sachgerechten Bemerkungen:
MUH will 40 Jahre nach Sacrosanctum Concilium (SC) nicht ein Resümee der liturgischen Erneuerung im deutschen Sprachraum ziehen, sondern beschränkt sich auf "einen theologisch-geistlichen Beitrag zur liturgischen Bildung" (W. Haunerland in seiner Einführung in den Text). "Grunddimensionen und Kernfragen unseres liturgischen Lebens und unserer gottesdienstlichen Praxis" werden bedacht.
Mit dem Konzil nimmt MUH als Ausgangspunkt ein Verständnis der Liturgie als "nicht primär unser Werk, sondern Gottes Handeln für uns" (12), als "Vollzug des Priesteramtes Christi" (16 - Zitat aus SC 7), der "selbst das erste und grundlegende Subjekt jeder liturgischen Feier" ist.
Dieser Ansatz wird konsistent durchgehalten: Das menschliche Tun muß sich an dem orientieren, was objektiv Liturgie ist. Das gilt für die liturgischen Vorgaben des Ritus, die äußeren Bedingungen vom Kirchenbau bis zur liturgischen Kleidung, für die innere Vorbereitung aller Feiernden, für die "Verortung" der Liturgie im "ekklesialen Selbstvollzug" und die Glaubenspraxis des einzelnen Christen.
Gründlich wehrt MUH an mehreren Stellen der pädagogischen oder ethischen Funktionalisierung des Gottesdienstes: "Wir betrügen uns um diese Dimension [des von GOtt geschenkten Wortes und SEiner Liebe], wenn wir unsere Gottesdienste funktionalisieren und vorwiegend zur Belehrung oder ethischen Motivierung missbrauchen." (13) "In der gottesdienstlichen Verkündigung steht dagegen nicht der Lernfortschritt im Vordergrund." (9)
Entsprechend differenziert sieht MUH den Alltagsbezug der Liturgie: "Wir dürfen unser Leben mit hinneinnehmen ... Wir sollen dort auch von dem sprechen, was uns im Alltag bewegt." (11) Als ausgezeichneten Ort dafür sieht MUH vor allem das Allgemeine Gebet der Gläubigen, die Fürbitten also. Statt einer "Verdoppelung unserer Alltagswelt" (12) soll GOttes Wirklichkeit aufscheinen.
Dazu gehört dann auch, daß die Feiernden "die eigenen Stimmungen und Glaubensäußerungen" nicht "zum alleinigen Inhalt der liturgischen Feier ... machen" (15) sollen/dürfen. Davor bewahren die liturgischen Ordnungen, die "die verbindliche Grundlage unserer Gottesdienste" sind" und "darum der Verfügbarkeit des Einzelnen entzogen" (16) sind. Das entlastet die Vorbereitenden und schützt "gegen Willkür und Beliebigkeit. Denn auch die frei gestaltete Feier kann ja immer nur das Produkt einiger weniger sein, denen die mitfeiernde Gemeinde dann wehrlos ausgesetzt ist." (17)
Theologisch, nämlich von der durch die Feier des Pascha-Mysteriums konstituierten Kirche/Gemeinde wird späterhin begründet, warum Sonntags eigentlich in jeder Gemeinde ein einziger, wirklich gemeinsamer Gottesdienst gefeiert werden sollte - eine Praxis, die durch die abnehmende Gemeindegröße vielfach wieder möglich wird. Hier sind es laut MUH vor allem unterschiedliche Lebensgewohnheiten, ein Anspruchs- und Konsumdenken und der Wunsch nach gruppenspezifischen Gottesdiensten, die dagegen stehen. Auch wenn "nur die geringere Zahl der Priester" zum Nachdenken darüber zwingt, wäre wichtiger, "über den Sinn der sonntäglichen Eucharistiefeier für die einzelne Pfarrgemeinde nachzudenken und von daher nach der angemessenen Ordnung und Zahl zu fragen." (33) Ein frommer Wunsch ...
So viel einmal zu den m.E. wichtigen und interessanten Inhalten von MUH.
An vielen Stellen von MUH scheint durch, daß die Bischöfe die liturgische Praxis vieler Gemeinden 40 Jahre nach SC in einer Krise sehen. Aber gerade da, wo die Analyse nötig und schmerzlich wäre, herrscht ein versönlicher Tonfall vor: "Nicht alles, was versucht wurde, hat sich dabei als sinnvoll erwiesen." (S. 3) "Die große Nüchternheit, die in der Nachkonzilszeit an manchen Orten eingekehrt ist, darf nicht das letzte Wort behalten."(S. 10) oder noch eieriger die Passage zur unvorbereiteten Dauerkommunion: "Natürlich gibt es Gelegenheiten, bei denen der Eindruck entsteht, dies geschehe heute aus einem Automatismus ... Sieht man jedoch von diesen möglichen Fehlentwicklungen ab, ..." (S. 30)
MUH hat sich für einen sachlichen und einladend-offenen Stil entschieden - und genau den werden die üblichen Verdächtigen überhören. Ein Augenöffner ist der Hauptartikel von Guido Fuchs im Liturgie-Special des Rheinischen Merkur: Die Liturgietheologie dieses Liturgikdozenten ist gegenüber der von MUH schwach und dünn - er würde wohl sagen: menschenfreundlich, zeitgemäß und Fernstehende einholend. Erfahren, erleben, spüren, ansprechen, anrühren - das sind die Verben, die im Zusammenhang mit der Liturgie auftauchen: "Es gilt den Gottesdienst so zu gestalten, dass Jesus Christus selbst den Gläubigen erfahrbar und erlebbar wird, in seinem Wort, in seinen Zeichen, in der Gemeinschaft. (...) Die Liturgie der Kirche will in ihren Ritualen mehr als kurzfristige und individuelle Befriedigung schenken, sondern letzten Sinn und Halt in Gott im Erleben einer Gemeinschaft." Hier wird fröhlich drauflos funktionalisiert, und daß der Gottesdienst eine "Dimension des Mysteriums" hat, ist durch ein "auch" abgeschwächt und wirkt letztlich aufgesetzt und wie durch immer lautere Bedürfnisse ausgehungerter Christen und Noch-nicht-Glaubender erzwungen.
Liturgische Dauerexperimente haben vielerorts einen Scherbenhaufen hinterlassen - und zusätzlich im allgemeinen Glaubensbewußtsein den gut begründeten Eindruck, daß Liturgie Menschenwerk ist: Revidierbar, bastelfähig, beliebig, banal.
MUH versucht so etwas wie die theozentrische Wende in der Liturgie - aber wenn auf Seiten der Bischöfe dahinter nicht die Bereitschaft steckt, Energie, Kreativität, Willenskraft in diese liturgische Erneuerung zu stecken, waren die schönen Worte wieder mal umsonst. Dazu gehört auch, daß die Bischöfe Mißbräuche nicht nur anprangern, sondern sie auch konfliktbereit angehen und abstellen. Ein konkretes Beispiel: Die schönen Worte zum Hochgebet, dem "vornehmsten und wichtigsten Amtsgebet" (28f), werden von den wöchentlich neuen Versionen, die Roland Breitenbach offensichtlich seiner begeisterten Personalgemeinde vorsetzt, konstant ignoriert. Was gehen die Bischöfe mit dieser und ähnlicher "Sch... drauf"-Liturgiepraxis um?
Man darf gespannt sein.
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