Zum Posting "FAZ-Kirchenblog" hat p.norbisrath diesen Kommentar hinterlassen:
Ich hab heute von der heiligen elisabeth von thüringen gehört. ene "mutter theresa des hochmittelalters". nun hab ich versucht zu erfahren, wie viele der heiligen, speziell aus dem mittelalter, aus sogenannten adelsgeschlechten und wie viele aus dem "einfachen volk" stammen.
wieviel ist eine heiligsprechung eigentlich wert, wenn sie aus strategischen gesichtspunkten ausgesprochen wird? ich nehme an, dass alle positiven dinge, die ich über elisabeth gelesen habe, doch von einfachen leuten aus dem volk täglich tausendfach ausgeübt wurden, es nur etwas besonderes ist, wenn eine "bessere" frau sich dazu herablässt. ist das allein schon heilig?
Halten wir zuerst einmal fest: Heilig-sein und Heilig-gesprochen-sein ist nicht das selbe. Das Wichtige und Entscheidende ist das Heilig-sein, die Heiligkeit, zu der alle Gläubigen berufen sind: Sie "ist die Fülle des christlichen Lebens, die Vollkommenheit der Liebe. Sie besteht in der innigen Vereinigung mit Christus undin ihm mit der Heiligsten Dreifaltigkeit." (Kompendium KKK, Nr. 428)
Ein kleiner Aspekt dessen ist, daß ein zukünftiger Heiliger nicht darauf hinarbeitet, heilig gesprochen zu werden, sondern heilig zu werden. Ob seinem heiligen Leben nach seinem Tod eine Selig- oder Heiligsprechung folgt, dürfte ihn (oder sie) kaum kümmern: Er ist nämlich mit anderem beschäftigt.
Einschub in eigener Sache: Es ist eine unangenehme Sache, über dieses Thema zu schreiben und selber so - na, sagen wir mal: sündig zu sein. In der Version von Léon Bloy: "Es gibt nur eine Traurigkeit, nämlich jene, kein Heiliger zu sein." (La femme pauvre) Aber nachdem die Frage bei mir gelandet ist, kann ich mich nicht drücken.
Eine weitere triviale Tatsache: Die Heiligsprecher sind nicht heilig. Auch wenn ich glaube, daß der Glaubenssinn des Gottesvolkes und das Lehramt nicht irrt, wenn es einen Menschen heilig spricht, gibt es ganz offensichtlich menschlich-allzu-menschliche Einflüsse: Ordensleute scheinen bei gleicher Heiligkeit eine bessere Aussicht auf Heiligsprechung zu haben, was ihnen aber - wie gesagt - gleichgültig sein sollte. Es hilft, wenn sich die Unterstützer einer Heiligsprechung organisieren. Schon weil die Wunder ja irgendwo gemeldet werden müssen oder der Postulator ja auch von etwas leben muß.
Bei einer Heiligsprechung geht es um Sichtbarkeit: Die Kirche macht einen Menschen als Vorbild und als Helfer sichtbar, empfiehlt ihn uns allen zur Verehrung, zum Gebet und Gespräch, zum Maßnehmen. Ein Stück weit ist es da wohl auch normal, daß prominente Heilige bessere Karten haben: Sie sprechen ja nicht nur "allgemein" zu uns allen, sondern auch in eine Situation, in eine Zeit, in bestimmte Lebensumstände hinein. Das ökumenische Heiligenlexikon zitiert eine Passage Mechthilds von Helfta über die hl. Elisabeth:
„Es gehört sich für einen Boten, schnell zu sein. Elisabeth ist und war ein Bote, den ich zu den Frauen gesandt habe, die, ohne an ihr Seelenheil zu denken, auf den Burgen saßen, von der Unkeuschheit so tief durchdrungen und vom Hochmut ganz bedeckt und von der Eitelkeit so beständig umhüllt, dass sie von Rechts wegen für den Abgrund bestimmt gewesen wären. Elisabeths Vorbild sind viele edle Frauen gefolgt, so weit ihr Wille und ihre Kraft eben reichten.”
Vielleicht ist das ein Unterschied zu früheren Zeiten: Waren früher die kleinen Leute beeindruckt, wenn ein König, eine Fürstin, ein Ritter umkehrte und sein/ihr Leben ganz von GOtt gestalten und in den Dienst nehmen ließ, hätten wir kleinen Leute von heute lieber unseresgleichen auf den Altären stehen: die hl. Hausfrau Lieschen Müller, den sel. Bankangestellten Heinz Schulz oder den Diener Gottes, den Webdesigner Marcel Liebermann.
Nun, es liegt uns, solche Vorbilder für andere abzugeben. Mangel an passenden Heiligen ist jedenfalls keine Entschuldigung, die dereinst vor GOttes Thron zählen wird.
Und wer das Glück hatte oder hat, "einfache leute aus dem volk" zu kennen, die "täglich tausendfach" GOttes Willen im alltäglichen Auf und Ab zu leben, darf und sollte ihre Nähe suchen, jetzt und durchaus auch nach ihrem Tod, auch ohne Heiligsprechung. Auch Elisabeth von Thüringen hat schließlich so angefangen.
21. November 2008
Elisabeth und die vielen anderen
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
7 Kommentare:
Du bist immer so geduldig.
Im Internet finde ich es einfach, geduldig zu sein... Aber im echten Leben nicht...
Ich schaue hier öfters mal vorbei und ich finde hier immer wieder interessante Beiträge. Doch dieser Beitrag hat mir besonders gut gefallen.
"ich glaube, daß der Glaubenssinn des Gottesvolkes und das Lehramt nicht irrt, wenn es einen Menschen heilig spricht"
Das glaube ich auch: Heiligsprechungen sind nämlich unfehlbare Urteile des Papstes (und somit wesentlich häufigere Praxis-Fälle der Infallibilität als die Verkündung von Dogmen).
Johannes Paul II hat mit seiner manchmal verhalten gerügten "inflationären" Heilgsprechungspraxis jedem elitären Heiligenverständnis genau dies gezeigt: Heilige, richtige Heilige gab und gibt es immer und überall, in jeder Gesellschaft und in jeder sozialen Schicht. Es ist natürlich unmöglich von allen Kenntnis zu haben und allen ein eigenes Heiligsprechungsverfahren zu widmen, doch der grosse Papst wollte der ganzen Welt (auch der nicht- oder nichtmehrkatholischen) diese in all ihrer Bescheidenheit doch mächtige Schar ins Bewusstsein rücken.
Verehrter Scipio,
vergelt's Gott. Diese Gedanken sind nicht nur hilfreich beim Argumentieren und für die Apologetik sondern auch zur eigenen Reflexion und Betrachtung. Einfach und katholisch. Einfach katholisch.
@ glaube, hoffung, liebe:
Danke!
So ist es auch gemeint.
Kommentar veröffentlichen