Ferdinand Oertel, katholischer Alt-Journalist und einer der USA-Experten, äußert sich bei radio vatikan kryptisch:
Es war ja der Krisenpunkt, dass die Bischöfe mit hoher Priorität die Abtreibung zum Wahlkriterium gemacht haben, aber sie haben tatsächlich in ihrem Wahlhirtenbrief sehr großen Wert auf den ,common sense’, auf das Gemeinwohl, gelegt. Das trifft sich doch mit den Vorstellungen, die Obama jetzt schon als Programm vorgelegt hat.
Abtreibung, die ganze Bioethik - Fragen der Individualethik, ohne Beziehung zum Gemeinwohl?
Da besteht schon eine Nähe. Die dürfte unterstützt werden - das sehe ich eher positiv - durch die Tatsache, dass Vizepräsident Joe Biden ein Katholik ist und sich sogar als aktiver Katholik bezeichnet, wenn auch im Sinn eines freiheitlich liberalen Katholiken. So hat er ja auch seine dann von den Bischöfen kritisierte Haltung gegenüber der Abtreibung erklärt, indem er sagte, ich anerkenne das Grundrecht des Menschen von der Zeugung an, aber ich kann nicht einer pluralen Gesellschaft katholische Lehramtsmeinungen aufzwingen. Ich glaube, es wird viel darauf ankommen, wie in Zukunft über diese Fragen zwischen der Kirche und den führenden Politikern inklusiv Biden gesprochen wird. Was dann erreicht werden kann… - da soll man sich allerdings auch keine Illusionen machen; hinsichtlich einer gesetzesmäßigen Rücknahme der Abtreibungsfreiheit und der Anerkennung von Homo-Ehen, hat Obama ganz klar geäußert, dass er sich da für die Freiheit des Einzelnen ausspricht. Er hat aber auch gesagt, dass er Gesetze befürworten will, die die Abtreibungszahl verringern.
Der Schlenker des "wenn auch im Sinne eines freiheitlich liberalen Katholiken" ist nett. Die anderen, die sich mit einer Mehrheit der Bevölkerung im Rücken dafür einsetzen, diese Epidemie einzudämmen, sind nicht freiheitlich oder liberal? Muß man gar öffentlich Dissens üben, um ein freiheitlich-liberales Profil zu bekommen? Hat Joe Biden wirklich nur Kompromisse geschlossen, passiv sozusagen, oder war nicht doch im fraglichen Gebiet ein Einpeitscher und Antreiber? Ich weiß schon, daß "liberal" im US-Kontext etwas anderes bedeutet, und Herr Oertel auch, und gerade daher sollte man es anders übersetzen. Der Sündenfall der Demokraten und ihre Wandlung von der Partei der (katholischen) Einwanderer zur Partei der linksliberalen Eliten fand genau hier statt.
Ansonsten warten wir auf die erste Amtshandlung, der bestimmt viele weitere folgen werden: Da wird sich die Weltbevölkerungspolitik ändern und die USA werden Abtreibung als Mittel der Bevölkerungsbegrenzung und Geburtenregelung weltweit finanziell fördern und wahrscheinlich auch pushen: Geld für Entwicklungsländer nur gegen Abtreibungsfreigabe...
Es gibt viele Politikfelder, viele dringende - aber seien wir den amerikanischen Bischöfen dankbar, daß sie bei allem Blick für das "Gemeinwohl" und die gemeinsamen Anliegen den great divide, den Abgrund zwischen pro-life und pro-death klar benannt haben. Auch wenn Oertel das nicht gehört hat.
6. November 2008
Ferdinand Oertel hofft
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4 Kommentare:
Erinnert mich alles sehr an Deutschland: Für die "Freiheit des Einzelnen" - womit das Ungeborene Kind ja nicht gemeint sein kann, das wird ja getötet - aber für Gesetze, die die Abtreibungszahl verringern. Irgendwelche Nebenbestimmung werden da zum Feigenblatt, sie vermitteln eher das Bild das Abtreibung, wenn man die erforderlichen Scheine hat, wirklich ok ist. Es ist gut, dass die RKK sich aus diesem Spiel in Deutschland raushält und noch besser, wenn die US-Katholiken sich daruaf erst gar nicht einlassen.
Ist schon interessant:
"Katholische Glaubenswahrheiten" dürfen in einer pluralistischen Gesellschaft nicht gesetzliche Norm werden. (Also weg mit den Gesetzesvorschriften gegen Raub, Diebstahl und Mord?)
Aber aus irgendeinem Grund soll es eine Rolle spielen, daß Mr Biden aus einer katholischen Familie stammt.
Entlarvend ist doch dieser Passus:
"Da sehe ich auch eine Chance für einen kleinen Wandel innerhalb der Kirche, insbesondere der Bischöfe, wenn sie sich mehr in diesem Sinn freiheitlicher Auffassungen zur Eigenverantwortung ihrer Gläubigen im Sinne des Lehramtes äußern, als punktuell ein Thema herauszugreifen, wie jetzt die Abtreibung, (wonach die Mehrzahl der Katholiken sich ja nicht gerichtet hat, denn die haben auch Obama gewählt) und wenn sie sich nicht zu oft in allzu kleinlichen Fragen traditioneller Art verfangen, wie jetzt auch wieder in der breit aufgefächerten kontroversen Diskussion, ob man die Kommunion einem Politiker verweigern müsse, der nicht streng die katholischen Lehren vertritt. Allerdings ist die Mehrzahl der Bischöfe da auch schon offener gewesen, insofern sie gesagt hat, auch nach Kirchenlehre muss jeder einzelne entscheiden, ob er zur Kommunion geht oder nicht. Wenn die Bischöfe und die Kirche sich nicht in diesen Dingen weiter verlieren, sondern sich auf das konzentrieren, was sie jetzt auch auf der kommenden Bischofskonferenz in zehn Tagen beraten wollen – Probleme der Armenversorgung, der Fürsorge für die Einwanderer, der Wohnungsunterstützung, das würde eher den sozialen Zielen dienen, die auch Obama verfolgt."
Das Recht auf Leben ist also nur ein kauziger Fimmel von ein paar Bischöfen, und die Kirche soll sich doch bitte nicht länger in solchen "kleinlichen Fragen" "verlieren", sondern sich lieber schön der "freiheitlichen" (insofern scheint mir deutsch "liberal" nicht nur eine unbewußte, sondern eine ganz bewußte Fehlübersetzung von amer. "liberal") Welt anpassen und das Paradies hier auf Erden aus eigener Menschenkraft bauen. So heißt es doch schließlich im Evangelium, oder etwa nicht?
Ich bin ja sooooo froh, dass es offenbar auch außer mir noch ein paar Leute gibt, die nicht leuchtäugig "change, hope, hope, change" chanten, und glauben, der Messias redux ziehe in´s Weiße Haus ein... sicherlich sollte man Obama erst mal den üblichen Bonus an abwartendem Vertrauen geben, und sicherlich ist die Wahl eines Schwarzen für die USA ein Meilenstein - aber die weltweite Hysterie grenzt doch an´s Absurde... und Beängstigende. Von Politikern in irgendeiner Weise das Heil zu erwarten - schon gar von einem Politiker, der so ganz und gar Pro-Abtreibung ist und eine doch in vieler Hinsicht unhinterfragte Geschichte hat - erscheint doch wohl gerade aus deutscher Perspektive befremdlich.
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