9. Oktober 2006

Paulus und der Ernstfall

Man vernachlässigt Paulus nicht ungestraft.

Daß er allen alles wurde, den Juden ein Jude, den Griechen ein Griechen (vgl. 1 Kor 9, 19-22), gilt zuerst für seine religiöse Praxis. Aber kann man sich ernsthaft vorstellen, daß er bei südanatolischen oder maltesischen Spezialitäten die Nase hochzog und dankend ablehnte, statt, vielleicht widerwillig, vielleicht neugierig mit seinen Gastgebern zu essen, was auf den Tisch kam? Er, der immer die höchsten Ansprüche an sich stellte und sie in der "Narrenrede" (2 Kor 11,16 - 12,13) seinen geliebten Kindern in Korinth aufs Brot schmierte, war kein "Geschmäckler", kein "Feinschmecker" im normalen Umgang - und auch nicht auf seinem "spirituellen Weg" (wie man im frühen 21. Jahrhundert so sagt). Wie es kommt, ist es recht. "Wenn Truthahn, dann Truthahn. Wenn Fasten, dann Fasten", wie es in der Version der Teresa von Avila heißt.

Die Umsetzung in den Alltag ist anspruchsvoll: Daß mich die sechs Austern, die ich vorhin - Premiere! - schlürfte, nicht süchtig machen auf mehr davon, ist kein Grund, mir wer-weiß-was einzubilden. Vielleicht kommt morgen früh die Bewährungsprobe: Wenn der gute Käse alle ist, das Weißbrot wider Erwarten zäh und feucht, der Kaffee kalt und die Tasse schmutzig.

Dann muß ich mich entscheiden, ob Paulus tatsächlich recht hatte. Ob ich trotz Kopfschmerzen und schwieriger Gesellschaft immer noch glaube, daß nichts uns scheiden kann von der Liebe Christi (Röm 8, 35). Die "Mächte und Gewalten" sind weit weg, in einer nebulösen Über- oder Unterwelt. Die grünen Bananen, das überheizte Hotelzimmer, die versiffte Dusche - sie sind nicht wegzuwünschen und drängen sich ungefragt in mein ach so bescheidenes Leben.

In diesen Momenten nimmt ER unsere großen Worte beim Wort. Also aufpassen!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Elsa Laska:
Oh! Premiere mit Austern, und dann gleich sechs Stück davon! Herrlich!
Ich habe beim ersten Mal nur eine runtergebracht.
Wir sind auch auf der Welt,um zu genießen. Ob das Austern sind oder ein Stück Schwarzbrot mit Butter, ein Bordeaux oder ein schlichter Apfelwein, egal.
Ich wünsche noch viele solcher kulinarischen "Offenbarungen" *sorry*.