20. Februar 2011

In der Kirche leben (2)

Das Positive entgegenhalten, nicht nur gegen das Negative angehen. Im Herzen der Kirche leben, ein Mensch der Kirche werden, mehr und mehr. Ein Stück ihrer Lebendigkeit sein. Den ganzen Glauben an den Immer-größeren-GOtt und SEin Tun in ihr und von ihr entgegennehmen, als einer der Millionen und Milliarden seit jenem Tag im Pfingstsaal. Nicht erstarren, sondern in der Liebe und der Dankbarkeit leben. Demütig und tastend vorangehen mit ihr zusammen.

In diesem Sinn ein weiterer Abschnitt aus Henri de Lubacs Meditation über die Kirche, genauer aus dem Abschnitt über den "Mensch der Kirche":

"Als Mensch der Kirche liebt er auch ihre Vergangenheit. Er meditiert über ihre Geschichte. Er verehrt und erforscht darin die Tradition. Nicht um sie wehmütig zu kultivieren oder sich in ein Altertum zu flüchten, das er sich beliebig zurechtdenken könnte, noch weniger um die Kirche von heute zu verurteilen, als wäre sie seither vergreist oder von ihrem Bräutigam verstoßen worden. Eine solche Haltung ist ihm instinktiv zuwider. Wenn er sich in Gedanken gern bei der Urkirche aufhält, bei den Zeiten, da, wie Irenäus sagt, 'die Verkündigung der Apostel noch nachklang', 'das Blut Christi noch ganz warm war und der Glaube ganz glühend in den Herzen der Gläubigen brannte', so mißtraut er doch den Mythen vom Goldenen Zeitalter, die dem natürlichen Hang des Menschen zur Übertreibung, Empörung, leichtfertigen Verurteilung so sehr entgegenkommen. Im übrigen weiß er, daß Christus immer gegenwärtig ist, heute wie gestern und bis zur Vollendung der Weltzeit, 'um sein Leben auf Erden fortzusetzen, nicht um es neu anzufangen'. Deshalb wiederholt er nicht in einem fort: Ab initio non fuit sic [Übs: Am Anfang war es nicht so; scipio].

Er befragt auch nicht 'eine stumme Kirche und tote Lehrer'. Er 'versteinert' die Tradition nicht. Sie ist für ihn keine Sache, die 'mehr der Vergangenheit angehört als der Gegenwart; sie ist eine große 'Kraft', lebensvoll und dauerhaft, die man nicht zerstückeln kann. Es fiele ihm niemals ein, von der heutigen lehramtlichen Verkündigung an irgendein früheres Stadium des Dogmas oder der kirchlichen Sitten zu appellieren, oder diese anzurufen, um jene zu interpretieren, das heißt sie zu neutralisieren. Er nimmt sie vielmehr immer als absolute Norm in Empfang. Denn er glaubt gleichzeitig, daß Gott uns alles geoffenbart hat, endgültig in seinem Sohn, und daß trotzdem die Vorsehung Gottes 'jeder Epoche in der Kirche und durch die Kirche das Verständnis für das Christusmysterium neu anpaßt'. Er weiß also sehr wohl, daß die Kirche in Ausübung ihres Lehramtes weder neue Erfindungen darbietet noch überhaupt aus sich selbst redet; sie gibt nicht vor, selber 'die wahre Quelle der Offenbarung' zu sein, wie ihr manche Tadler fälschlich vorwerfen; sie denkt nur der göttlichen Offenbarung entlang und erklärt diese 'unter der innern Lenkung des Heiligen Geistes, der ihr zum Kirchenlehrer gegeben ist'. 'Wer aber meint, sie mißbrauche ihre Vollmacht, um Lügen zu verbreiten, hat den Glauben an Den nicht, durch den sie regiert wird' Schrift, Tradition, Lehramt: diese drei betrachtet er als einen dreifachen und einzigen Kanal, durch den Gottes Wort ihm zufließt. Er sieht auch, wie die drei einander nicht schaden oder gegenseitig begrenzen, sich vielmehr unterstützen, ineinander verfügen, bestärken, erhellen, fördern. Er begreift, daß sie miteinander stehen und fallen. Er erkennt in ihnen den funiculus triplex, das dreifach gedrehte Seil, das unzerreißbar ist."
(Die Kirche.- Einsiedeln: Johannes, 1968, S. 218-221)

Zum vorigen Abschnitt hier.

2 Kommentare:

Ralf hat gesagt…

Seelenbalsam

Scipio hat gesagt…

Ja, Ralf, und genau deswegen.