19. Mai 2008

Fundamentalien und Rahmsuppe

Father Richard John Neuhaus, der das einmalige Kunststück fertig brachte, als katholischer Priester vom TIME Magazine zu einem der 25 einflußreichsten Evangelikalen in Amerika ernannt zu werden, schreibt im neuen Heft von First Things ein paar Sätze (auszugsweise http://www.firstthings.com/onthesquare/?p=1071hier), die mutatis mutandis für Deutschland genauso gelten. Deshalb seien sie hier zum einen wiedergegeben und zum zweiten "quick and dirty" übersetzt:

The subject of clericalism comes up with some regularity. Clericalism is the corruption that, overtly or subtly, subordinates priestly service and devotion to clerical privilege and power. Here’s a little book by Father George B. Wilson, S.J., put out by Liturgical Press, Clericalism: The Death of Priesthood. The author is described as an “organizational facilitator,” and the theology is pretty thin. But I was struck by this: “The time when an uneducated laity needed an ordained minister to explain the bare fundamentals of faith is long past. Laymen and laywomen in our developed society are educated to levels their grandparents could scarcely imagine. To be trusted to provide spiritual guidance in the complex world faced by today’s adults requires demonstration of a high level of sophistication.”

Well, yes and no. Far be it from me to discourage intellectual sophistication. We need all the subscribers we can get. But people no longer need to have the fundamentals of the faith explained? In my experience, and I don’t think my experience is unique, laity who are in many ways highly educated have frequently not grown beyond their childhood understanding of the faith.

The good news is that they love preaching that sets forth and intelligently explains the doctrine of the Church. Ordained ministers who presume to take up fifteen minutes of their time with a homily have the opportunity and obligation to do just that. William Cardinal Levada, prefect of the Congregation for the Doctrine of the Faith, was in the country in February, and he urged priests to at least balance, and perhaps replace, the homiletical diet of casual reflections on the readings of the day, seasoned by a cute story or two, with a solid dose of catechesis. He went so far as to suggest that preachers might even draw on the Catechism.

It is often said that we have the most highly educated laity in the Church’s history. It is less often said that many of them are religiously semi-illiterate. That is their fault in part. The fault, along with a large part of the remedy, rests with preachers. It is not clericalism but priestly duty–a duty that can become a delight–to set forth, persuasively and winsomely, “the faith once delivered to the saints.” Very much including “the bare fundamentals.”

["Mit einer gewissen Regelmäßigkeit taucht das Thema Klerikalismus auf. Klerikalismus ist jener Verfall, der - offen oder unmerklich, priesterlichen Dienst und priesterliche Hingabe klerikalen Privilegien und klerikaler Macht unterordnet. Es gibt nun ein kleines Buch von P. George B. Wilson SJ, erschienen bei Liturgical Press: "Klerikalismus: Der Tod des Priestertums". Der Autor wird als "Organisationsberater" beschrieben und die Theologie ist ziemlich dünn. Aber das ist mir aufgefallen: 'Die Zeiten, als eine ungebildete Laienschaft einen geweihten Priester brauchte, der ihr die nackten Grundlagen des Glaubens erklärte, sind lange vorüber. Laien, Männer wie Frauen, sind in unserer Gesellschaft in einem Maße gebildet, wie es sich ihre Großeltern kaum vorstellen konnten. Wem spirituelle Leitung in einer komplexen Welt, wie sie den Erwachsenen von heute begegnet, anvertraut ist, der muß in hohem Maße gebildet sein.'

Ja und nein. Es liegt mir fern, von intellektueller Rafinesse abzuschrecken. Wir [von First Things; scipio] brauchen alle Abonnnenten, die wir bekommen können. Aber daß man den Leuten die Glaubensgrundlagen nicht mehr erklären muß? Meiner Erfahrung nach, und ich glaube, die ist nicht einmalig, sind die Laien, die in vielen Dingen höchst gebildet sind, regelmäßig nicht über das Glaubensverständnis hinausgewachsen, wie es sie es als Kinder besaßen.

Die gute Nachricht ist, daß sie Predigten mögen, die die Lehre der Kirche vorstellt und auf intelligente Weise erklärt. Geweihte Priester, die sich erdreisten, eine Viertelstunde ihrer Zeit mit einer Predigt zu beanspruchen, haben die Gelegenheit und die Verpflichtung genau dazu. William Kardinal Levada, Präfekt der Glaubenskongregation, besuchte im Februar die USA und drängte die Priester, die homiletische Diät lockeren und mit einer netten Story gewürzten Nachdenkens über die Tageslesungen mit einer gründlichen Dosis Katechese auszubalancieren oder zu ersetzen. Er ging sogar soweit vorzuschlagen, die Prediger könnten sich auf den Katechismus stützen.

Es heißt oft, daß wir die am besten gebildete Laienschaft der Kirchengeschichte haben. Weniger oft sagt man, daß viele von ihnen religiöse Halbanalphabeten sind. Nur teilweise ist es ihre Schuld. Die Schuld, zusammen mit einem Großteil des Heilmittels, liegt bei den Predigern. Es ist kein Klerikalismus, sondern priesterliche Pflicht - eine Pflicht, die eine Freude werden kann - den "Glauben, der den Heiligen übergeben wurde" überzeugend und gewinnen vorzustellen. Und natürlich mitsamt den 'nackten Grundlagen.'"]

Ich denke mir so manchmal: Vieles vom kirchlichen Drumrum, seien es neue oder nicht mehr so neue geistliche Lieder, aufsehenerregende Interpretationen des Credo oder umgeschriebene, personalisierte Glaubensbekenntnisse, eingemeindete Mandalamaltechniken und moderne Kirchenkunst, kam auf, weil es irgendwann den Theologen, Priestern, Organisten, Laien langweilig wurde, immer nur das alte, althergebrachte zu denken, singen, beten, anzuschauen: "Her mit der Würze. Lasst uns sehen, was es heute, hier und jetzt bedeutet. Lasst uns kreativ sein, lasst den Geist wehen, wo wir wollen!"

Damit waren wir alle 30, 40, 50 Jahre ausgelastet - und sind es immer noch. So daß keine Zeit, kein Interesse, keine Ruhe mehr bleibt, sich um das alte, althergebrachte zu kümmern, es zu verinnerlichen, es in- und auswendig zu lernen.

Karl Rahner, man mag ihn für so modernistisch halten wie man will, kannte seinen Thomas, seine Kirchenväter, seinen Denzinger-Schönmetzer! Mein Vater, so viel Freude er hatte und hat am konziliaren Aufbruch, den er als junger Mann erlebte, hat seinen Katechismus als Junge auswendig gelernt: "Wozu sind wir auf Erden?" Seinen Söhnen haben die Schüler von Karl Rahner schon das Auswendiglernen erspart und sie stattdessen zu kreativen, eigenen Glaubensformulierungen ermutigt. Ein bißchen so, als lerne man die hohe Schule des Malens ohne vorher die Grundtechniken eingeübt zu haben- und das ist meine erfahrungsgesättigte Vermutung: Entsprechend schwerer haben sich die Söhne dann getan, zu verinnerlichen, was ihnen als Äußerlichkeit erspart blieb.

Und jetzt wundern wir uns, daß die Enkel von der dünnen Rahmsuppe nicht satt werden? Rahmsuppe? Wieso? Nun, als ich noch klein war, gab es Sonntags ab und an Klöße (a.k.a. Kartoffelknödel) und Montags dann aus dem Kloßwasser und den übrigen Brötchenwürfeln eine Rahmsuppe: Mir hat es geschmeckt, aber vorgehalten hat sie keinen Deut.

4 Kommentare:

Tiberius hat gesagt…

Salve Scipio!

"In my experience, and I don’t think my experience is unique, laity who are in many ways highly educated have frequently not grown beyond their childhood understanding of the faith."

Recht hat er! Meiner Erfahrung nach schreckt diese Kindlichkeit viele, die auf der Suche nach Glauben diese Gläubigen antreffen.

"... and he urged priests to at least balance, and perhaps replace, the homiletical diet of casual reflections on the readings of the day, seasoned by a cute story or two, with a solid dose of catechesis."

Auch hier teile ich die Forderung Kardinal Levadas. Ich will dafür beten, daß sie erfüllt wird, allein schon der unchristlichen Gedanken wegen, die mich überkommen, wenn es in der Predigt wieder heißt: "... eigentlich bin ich ja gegen Mobiltelephone, aber als ich letztens an einen Unfallort kam, war ich doch ganz froh, daß es sie gibt ..."

Vale!
Tiberius

Tiberius hat gesagt…

Nachtrag:

Zollitsch in der FAS: „Wir Deutsche haben eine Scheu und müssen wieder lernen, über unseren Glauben zu sprechen.“

Hoffentlich wirkt er im Sinne Kardinal Levadas auch darauf hin, daß die Gläubigen gelehrt werden, sinnvoll über ihren Glauben zu sprechen.

Ich hoffe, daß wir in eine Zeit kommen, in der klar ist, daß das "Ite missa est" nicht nur Ende sondern auch Anfang einer Veranstaltung ist.

Das Volk Gottes hat Worte empfangen, die dort satt machen, wo die Welt noch hungert. Ich denke, daß niemand das Heil haben kann, ohne es weiterzugeben.

dilettantus in interrete hat gesagt…

Ave Tiberi!

Gerechter Zorn ist kein "unchristlicher Gedanken"!

s v b e v

Thomas

Tiberius hat gesagt…

Salve Thomas!

Danke, das beruhigt mich sehr.

Vale!
Tiberius