Der Herr richtet an uns diese wunderbaren Worte: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte… vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15, 15). Viele Male meinen wir – was auch wahr ist –, nur unnütze Knechte zu sein (vgl. Lk 17, 10). Und trotzdem nennt uns der Herr Freunde, macht er uns zu seinen Freunden, schenkt er uns seine Freundschaft. Der Herr definiert Freundschaft in zweifacher Weise. Es gibt keine Geheimnisse unter Freunden: Christus sagt uns alles, was er vom Vater hört; er schenkt uns sein volles Vertrauen und mit seinem Vertrauen auch seine Erkenntnis. Er offenbart uns sein Gesicht, sein Herz. Er zeigt uns seine Zärtlichkeit uns gegenüber, seine leidenschaftliche Liebe, die bis zur Torheit des Kreuzes geht. Er vertraut sich uns an, er gibt uns die Macht, mit seinem Ich zu sprechen: „das ist mein Leib…“, „ich spreche dich los…“. Er vertraut uns seinen Leib, die Kirche, an. Er vertraut unseren schwachen Geistern, unseren schwachen Händen, seine Wahrheit an – das Geheimnis des Gottes Vater, Sohn und Heiliger Geist; das Geheimnis des Gottes, der „die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3, 16). Er hat uns zu seinen Freunden gemacht – und wie antworten wir?
(Joseph Kardinal Ratzinger am 18. April 2005)
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