10. April 2008

Ein Versuch im vierfachen Schriftsinn



I love the way you walk
I love the way you walk
I'm crazy 'bout your walk
I love the way you walk
You my babe, I got my eyes on you

I like the way you switch
I like the way you switch
I like the way you switch
I like the way you switch
You my babe, I got my eyes on you

You got dimples in your jaw
You got dimples in your jaw
You got dimples in your jaw
You got dimples in your jaw
You my babe, I got my eyes on you

Well I see you every day
Well I see you every day
If you need to look
Well I see you every day
Well I see you every day
You my babe, I got my eyes on you
(J. L. Hooker / J. Bracken)

Littera gesta docet - der Buchstabe lehrt das Geschehene:

John Lee steht nach einem Abschiedskuß an der Haltestelle und schaut seiner Süßen nach, wie sie in den Bus einsteigt, beschwingt den Fuß auf die Stufe setzt, noch einmal zurücklächelt, eine Stange zum Festhalten sucht, als der Bus anfährt. John überlegt sich, was ihm an ihr so gefällt: Ihr geschmeidiger Gang, die langen Beine, die Grübchen, ihr Lächeln, der Blick, der den seinen sucht. (Manches andere wohl auch, aber das erwähnt er nicht und deshalb spekulieren wir hier nicht weiter.)

Quid credas allegoria - die Allegorie lehrt, was du glauben sollst:

Meinen Blick kann ich gar nicht von dir abwenden, meine Liebe. Du gefällst mir, wie du bist, wie du einen Fuß vor den andern setzt, deinen Weg suchst, ich sehe, wie du dich freust und deine Augen das Strahlen anfangen. Sehe die Grübchen und Sommersprossen, die Härchen auf der Oberlippe. Sehe deine Zweifel, dein Zögern, dein Mutfassen und Auftreten. Den Blick von Dir wenden kann ich nicht, er ist um dich, hält dich, schützt dich. Schau her, sieh mich an und geh gestärkt weiter, meine Liebe, mein Lieber.

Moralis quid agas - der moralische Sinn das, was zu tun ist

Ich sehe John an der Haltestelle die Straße runter stehen, sehe den Bus um die Ecke fahren. Ich spüre SEinen Blick auf mir ruhen, SEinen Atem an der Schläfe, SEine Hand auf der Schulter. Nie wird sie John langweilig. Nie werde ich IHm gleichgültig. ER hat SEine Freude an mir. Ich denke an Frau Scipio. ---

Quo tendas anagogia - und wohin du streben sollst: die Anagogie

John an seiner Straßenecke in Detroit, Michigan. Ich auf der A3, kurz vor der Landesgrenze. Später bei Frau Scipio mit ihren Grübchen, ihren grünen Augen, den dunklen, braunen Locken. John und sein Baby, Frau Scipio und ich, und vor uns DEr, dessen Augen immer schon auf uns ruhten, der uns die Tränen aus den Augen wischt, und dem wir jetzt ins leuchtende Angesicht sehen können. We got Your eyes on us. You loved the way we walked, we talked, loved our dimples when we smiled. You saw us every day, wanted to stay with us each day. Und jetzt, jetzt ist es so weit.

(Für B.)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

JOJ! Ausdauernder stehender Applaus. Superb, mein Lieber!
Und es soll nochmal einer sagen, dass diese Methode der Auslegung die "Gefahr der Beliebigkeit (!)" berge.
*gg*
Ich denke, wir tauschen mal demnächst die Rollen: Du machst mit dem Dichten ernst und ich ziehe mich auf meine rudimentäre humanistische Bildung zurück.
Btw, der alte Origenes merkt selbst an, dass es bei der geistlichen Auslegung darauf ankomme, herauszustellen, dass Gott der Herr der Welt sei und dass man sich von seinen Leidenschaften zu trennen habe (ein Punkt, den du strenggenommen ein bisschen vernachlässigst bei deinem ansonsten gelungenen Versuch *gg*). Er machte das gleich vor, in dem er sich konsequenterweise selbst entmannte.
Ich glaube, er hat es bereut.