Gnothi sautonDie Fußnotenlawine im
Kompendium und ein mehrfach geänderter Hinweis auf die Rechtgläubigkeit katholischer Blogs
daselbst hat mich in ein paar ruhigeren Momenten der letzten zwei Tage über das Was und Wie meiner eigenen Blogaktivitäten nachdenken lassen.
Grundsätzlich gilt für das Bloggen wie für alle anderen Tätigkeiten, daß wir sie eigentlich "
reduplizieren" sollten. Das gelingt mir weder hier noch sonst dauernd oder regelmäßig - hin und wieder vielleicht. Bloggen sub specie aeternitatis - wäre notwendig, aber ich schaffe es nicht. Soll ich daher ganz die Finger davon lassen?
Der Unterschied zu anderen Momenten, in denen mir die Reduplikation nicht gelungen ist: sie geraten in Vergessenheit. Die größte Blamage vor anderen verblasst, verändert sich in der Erinnerung der Augenzeugen. Nicht so beim Bloggen. Was ich vor dreieinhalb Jahren schrieb, ist heute noch so lesbar wie damals - obwohl ich es inzwischen anders sehe oder anders sagen würde. "Alles, was Sie schreiben, kann gegen Sie verwendet werden."
"Meine Sünde steht mir immer vor Augen", psalmiert der Blogger.
Sollten nur Hartgesottene bloggen - solche mit dickem Fell und frecher Zunge? Es erleichtert die Sache ungemein. Wichtiger ist für mich aber: Genau wie im richtigen Leben begegnen mir und meinem Blog viele Leute, denen ich unsympathisch bin, die nichts mit mir anfangen können, denen bei Scipio jede Menge Schimpfwörter einfallen. Nun denn, denke ich mir: So wie wir uns draußen aus dem Weg gehen, so können wir das auch im Netz tun. Ich zwinge niemanden, meine Seiten anzuklicken; wer sich daher über mein Geschreibsel aufregt, kann gerne mit dieser ungesunden Übung weitermachen, aber auch für meine Bekehrung (zu was auch immer) beten oder seiner eigenen Wege gehen. Auch gut - es reicht schon, wenn wir im Himmel (oder vorher im Purgatorium) nebeneinander sitzen werden und uns die Augen aus dem Kopf fallen: "Was, Du bist XY, den ich damals in meinem Posting so angemacht habe." - "Mensch, Scipio, jetzt sehe ich Dich so, wie ER Dich damals schon sah..."
Wer bloggt, wenn's bloggt? Bin ich es, oder ein Teil von mir? - Sicher können gute (und schlechte) Psychologen aus den über 2.000 Postings eine ganze Menge herauslesen, was ich nie bewußt sagen oder was ich gar bewußt verschweigen wollte. Das ist eines unserer Berufsrisiken. Auf jeden Fall schweige ich bewußt über einen großen Teil meiner Existenz: meine Ehe, meine Familie, meinen Beruf, meine ehrenamtlichen Tätigkeiten, auch über mein Leben vor GOtt. Das, was ich davon schreibe, wurde vorher gefiltert und verändert, publizierbar gemacht, geschönt, entschärft, zugespitzt. Es steht kondensiert und isoliert da - bereit, mißverstanden zu werden.
Nur gelegentlich habe ich das Gefühl, etwas genau so geschrieben zu haben, wie ich es "meine". Meistens taucht eine neue Färbung auf, ein Anklang ist verschwunden, neue Assoziationen haben sich während des Schreibens breit gemacht und drängen zu einer bestimmten Anspielung.
Vollständigkeit ist keine der Eigenschaften dieses Blogs, habe ich letzthin geschrieben. Zu manchem habe ich keine Meinung; anderes haben zwei andere Blogger schon gepostet; ein anderes Mal fehlt mir die Zeit bzw. ihre Unterform, die "real time"; auf einem Auge bin ich blind, und auf dem anderen kurzsichtig. Suboptimal.
Erfolgserlebnisse:
- Ein e-Mail von Lesern zu bekommen, die selber "etwas drauf haben" und zu denen sich über Brief- und persönlichen Kontakt sogar Freundschaften entwickeln;
- zur Blogozese zu gehören, die zwar keine wohnortbedingte Schicksalsgemeinschaft ist wie meine Heimatpfarrei, sondern ein loser, ganz loser Un-Verbund von Individuen, die mit dem selben Medium aus ihrer christlichen/katholischen Sicht ihr Leben und unsere gemeinsame Welt wahrnehmen und beschreiben - jeder in seiner Sprache und seinem Stil, aber auf der gleichen Basis des uns geschenkten Glaubens;
- von Verwandten, Freunden und Bekannten aus dem wirklichen, nicht-virtuellen Leben gelobt zu werden.
Erfolgserlebnisse, die ein christlicher Blogger nicht gerne zugibt: steigende Zugriffszahlen, viele Kommentare, Verlinkungen, Lob in fremden Blogs,
Auszeichnungen. Ich versuche, all das zu nehmen - wenn's mir gelingt - wie die Große Heilige
Teresa: "Wenn Truthahn, dann Truthahn; wenn Fasten,dann Fasten."
Wilhelm Schmid: "Und die Gefahren der Ironie? Sie lauern in der Haltung des Subjekts, sich mit unerträglichen Widersprüchen abzufinden und sie nur zu ironisieren. Keine Realität kann mehr ernst genommen werden, wenn alles ironisiert wird.
Kierkegaard spricht auch vom 'Untergang der Wirklichkeit' in der konsequenten Ironie. 'Die Ironie ist das unendlich leichte Spiel mit dem Nichts, ein Spiel, das sich durch das Nichts nicht erschrecken lässt'. Das kann zur Folge haben, keine seriöse Rede mehr zu führen, eine Haltung ohne Halt einzunehmen, nichts zu affirmieren, sodass sich alles auflöst. Das ist jedenfalls der Effekt einer wahllos ausgeübten Ironie, die ungezielt und unkalkuliert gegen alles und jeden gewendet wird. Zur reflektierten Lebenskunst gehört daher ihr kalkulierter, wählerischer Gebrauch. Die Negativität derIronie zu mäßigen, bedeutet dabei keineswegs, an ihrer Stelle nun ein 'Positivdenken' zu bekräftigen, ganz im Gegenteil." (Philosophie der Lebenskunst.- 4. Aufl.- Frankfurt: stw, 1999, S. 380f)
Am meisten ich selbst bin ich nicht beim Bloggen, sondern vor GOtt: also im Gebet, im GOttesdienst. Und wenn ich zum Nächsten anderer werde.
Mit Zittern und Zagen hat
Yon vor ein paar Tagen das Bloggen begonnen. Dieser Zustand kann widerkehren - oder gar nicht erst vergehen. Er wird aufgewogen, wenn wir ab und an mit unseren Worten die Wahrheit berühren - oder gar eine Seele. Sola gratia. "Alles ist Gnade." (
Bernanos)