13. Juni 2005

Zeichen der Zeit

Ich bin ja immer so ein wenig am Ausschauhalten nach Vorzeichen der Apokalypse. Kürzlich fühlte ich sie nahen, als sich eine 70jährige Dame, eine der Stützen ihrer Pfarrgemeinde, in den Urlaub verabschiedete und die daheimbleibende Verwandtschaft bat, auf jeden Fall und unbedingt die nächsten zehn Folgen von "Verbotene Liebe" für sie auf Video aufzunehmen. Als die Verwandtschaft die Dringlichkeit dieses Anliegens nicht verstand, meinte sie: "Es ist gerade so spannend, weil da jeder neben 'naus geht." Jede/r jede/n sexuell hintergeht also.

Fernsehen soll ergötzen, und Komplikationen, die sich auflösen, indem sie neue schaffen, sind immer vergnüglich. Weniger vergnüglich, im Gegenteil: eigentlich verblüffend fand ich, daß sich mediale Affären in den Hirnen - und Herzen - unserer Mitkatholiken auf Spannungserzeugung reduzieren. Die Dame, die ihren Ehegatten in 50 Ehejahren nie hinterging, lebt immer noch aus dem Reservoir ihrer vorkonziliar eingeimpften Sexual- und Ehemoral. Ihre Nachkommen freilich lernen ihre Moral nicht mehr bei der Ordensschwester in der Kinderbewahranstalt und auch nicht im Religionsunterricht, sondern vorm Fernseher; das von den Eltern und der Kirche übernommene Deposit ist da schnell aufgebraucht.

Und übrig bleibt in einem Wohlstandsleben die Lust auf Spannung und Risiko, die dann oft genug in den Scherben des eigenen Lebens endet. Dann wundert sich die 70jährige, daß sich der X und die Y jetzt trennen, daß es kaum noch stabile Beziehungen gibt, keiner mehr heiraten will und kaum noch Kinder getauft werden.

Apokalyptisch? - Ein Spur von "Apocalypse now" auf jeden Fall: "Und weil die Missachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten." (Mt 24, 12)

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