20. März 2003

Was ist Kultur?

Benedikt fragt in Zeit und Ewigkeit nach einer sinnvollen Beschreibung des Begriffs »Kultur«.

Da empfehle ich ihm, zuerst bei Eckhart Henscheid ("Dummdeutsch") nachzuschlagen: »Kultur - Ein schönes Wort, von uns allen gern benutzt, auch genutzt. In den letzten Jahren aber oft in dummdeutscher Absicht erweitert, z.B. in 'politische Kultur', von der ausgerechnet Kohl, Stoiber und Geißler, aber auch B. Engholm jetzt ständig schwafeln und schwallen, was den Begriff bereits diskreditiert. (...) Vgl. -> Angstkultur, -> Ereigniskultur, -> Lachkultur, -> Leitplankenkultur, -> Lesekultur, -> Rivalitätskultur, -> Streitkultur u.v.a.«

Man sieht: eine richtige Kulturinflation. Erst dagegen geimpft darf man guten Gewissens über Kultur nachdenken.

Der Begriff der "Kultur", auf den sich JPII bezieht, wird in Gaudium et Spes, Nr. 53 und dann - vermittelt über Evangelii Nuntiandi, Nr. 20 (enthalten in Arbeitshilfen 66 der Deutschen Bischofskonferenz - recht ausführlich im Dokument der Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe 1979 in Puebla erläutert.

Das Konzil schreibt:

»53. In der Person des Menschen selbst liegt es begründet, daß sie nur durch Kultur, das heißt durch die entfaltende Pflege der Güter und Werte der Natur, zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangt. Wo immer es daher um das menschliche Leben geht, hängen Natur und Kultur engstens zusammen.

Unter Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet; wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Strebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit.

Daraus folgt, daß die Kultur des Menschen notwendig eine geschichtliche und eine gesellschaftliche Seite hat und darum der Begriff der Kultur meist das Gesellschaftliche und das Völkische mitbezeichnet. In diesem Sinn spricht man von Kulturen im Plural. Denn aus der verschiedenen Weise des Gebrauchs der Sachen, der Arbeitsgestaltung, der Selbstdarstellung, der Religion und der Sittlichkeit, der Gesetzgebung und der rechtlichen Institution, der Entfaltung von Wissenschaft, Technik und Kunst entsteht eine Verschiedenheit der gemeinschaftlichen Lebensformen und der Gestalten, in denen die Lebenswerte zu einer Einheit zusammentreten. So bildet sich aus den überlieferten Einrichtungen ein jeder menschlichen Gemeinschaft eigentümliches Erbe. So entsteht für den Menschen jedweden Volkes und jeder Zeit auch eine abgegrenzte und geschichtliche Umwelt, in die er eingefügt bleibt und von der her er die Werte zur Weiterentwicklung der menschlichen und gesellschaftlichen Kultur empfängt.«

Im Puebla-Dokument heißt es:

»2. Evangelisierung der Kultur
2.1. Kultur und Kulturen

385 Ein neuer und wertvoller pastoraler Beitrag des Lehrschreibens "Evangelii nuntiandi" ist der Aufruf Pauls VI., die Aufgabe der Evangelisierung der Kultur und der Kulturen in Angriff zu nehmen (EN 20).

386 Mit dem Wort "Kultur" wird die besondere Art bezeichnet, wie in einem Volk die Menschen ihre Beziehung zur Natur, untereinander und zu Gott pflegen (vgl. GS 53), so daß sie "zur wahren und vollen Verwirklichung des menschlichen Wesens gelangen" (GS 53). Es ist der Stil des gemeinsamen Lebens (vgl. GS 53), der die verschiedenen Völker kennzeichnet. Daher spricht man von "Kulturen im Plural" (GS 53) (vgl. EN20).

387 Die so verstandene Kultur umschließt das ganze Leben eines Volkes: die Gesamtheit der Werte, die es beseelen und der Fehlwerte, die es schwächen, welche alle, da sie gemeinschaftlich von den Mitgliedern geteilt werden, diese aufgrund eine und desselben "kollektiven Bewußtseins" (EN 18) vereinen. Die Kultur umfaßt ebenso die Formen, in denen jene Werte oder Fehlwerte sich ausdrücken oder gestaltet sind, d.h. die Bräuche, die sprache, die Einrichtungen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, sofern sie nicht behindert oder unterdrückt werden durch das Eingreifen anderer dominierender Kulturen. (...)

389 Das Wesentliche der Kultur besteht in der Haltung, mit der ein Volk eine religiöse Bindung zu Gott gejaht oder verneint, es besteht aus den religiösen Werten oder Fehlwerten. Diese stehten in Bezug zum letzten Sinn der Existenz und wurzeln in jener tiefsten Zone, wo der Mensch Antworten auf die grundsätzlichen und definitiven Fragen findet, die ihn bedrängen. (...) Daraus folgt, daß die Religion oder die Religionslosigkeit alle übrigen Ebenen der Kultur inspiriert - die familiäre, wirtschaftliche, politische, künstlerische Ebene usw. (...)«

Man sieht: Auch hier ist alles Kultur - jedenfalls alles, was Menschen in ihren Gemeinschaften - Familie, Stadt, Volk - gemeinsam tun. Besser: Kultur ist das Wie ihres gemeinsamen Tuns.

Hope it helps somehow.

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