Wohlan, wagen wir uns mit Zittern und Zagen an das Thema von morgen, jenes Thema, mit dem man sich nur lächerlich machen kann, drinnen wie draußen: 40 Jahre Humanae Vitae.
Eine Enzyklika aus einer anderen Zeit.
Wäre es auch anders gegangen damals, 1968? Oder war da das Kind schon ins Wasser gefallen und der 25. Juli 1968 nur der Moment, wo der ratlose Großpapa aus Rom rief: "Tut's nicht. Lasst es nicht fallen. Werft es nicht ins Wasser!" Nun, die partyline sagt uns: Ja, es wäre anders gegangen, Paul VI. hätte dem Mehrheitsvotum seiner Expertenkommission zustimmen und den katholischen Eheleuten künstliche Empfängnisverhütung erlauben können - so wie die Anglikaner schon 1930 in Lambeth und andere Konfessionen in der Folge.
Ich würde sagen: Ja, er hätte zustimmen können und dabei die lange Tradition über Bord geworfen. Geändert hätte es nichts. Er hat nichts aufgehalten; mit einer anderen Entscheidung wäre es genauso gelaufen.
Wie das so ist mit gesellschaftlichen Revolutionen: Erst sehen sie nur wenige kommen. Wenn sie vor der Tür steht, übersieht sie keiner. Danach ändert sich mehr als man sich vorstellenkonnte, bis sich am Ende keiner mehr vorstellen kann, wie es früher einmal gewesen ist, vor der großen Zeitenwende. Und auf die positiven Errungenschaften wollen wir alle nicht mehr verzichten. Ans Negative haben wir uns gewöhnt.
Erstaunlich finde ich dabei die Naivität, mit der man damals glaubte, es ginge nur um die Familienplanung in der Ehe. Paul VI. war in Nr. 17 seiner Enzyklika weniger naiv, sondern ganz realistisch: Folgen der Pillenfreigabe seien
1. die Einladung zu ehelicher Untreue,
2. allgemein niedrigere moralische Standards,
3. weniger Respekt der Männer vor den Frauen und
4. staatlicher Zwang zum Einsatz empfängnisverhütender Mittel.
(Kleine Pause zum Nachdenken)
Eine Stellvertreteranekdote aus dem Jahr 2007 - nicht zur moralischen Empörung, sondern nur, weil man "klar sehen" (I. Bachmann) muß: Der Junge aus einer gutkatholischen, stark kirchlich engagierten Familie wurde von seinen Eltern gefragt, ob er denn Frl. X seine Freundin sei. - "Wie kommt ihr denn darauf?" - "Ja, ihr hängt dauernd zusammen, übernachtet im selben Bett." - "Ja und?" - "Ja, schlaft ihr denn auch miteinander?" - "Jaaa." - "Und dann ist sie nicht deine Freundin?" - "Muß doch nicht. Es macht doch auch so Spaß miteinander zu schlafen."
Pastoraltheologen freuen sich an dieser Stelle immer über die hohen ethischen Maßstäbe junger Leute auf anderen Gebieten (et nos cum iis). Ein bißchen pfeifen wir dabei allerdings schon im Wald der moralfreien Sexualität, um uns selbst zu beruhigen. Und stimmen als Eltern, ob wir wollen oder nicht, Barack Obama zu: "I don't want [my daughters] punished with a baby."
Und dann die katholischen Eheleute. Die Scheidungsrate ist ein bißchen niedriger als bei den nicht-katholischen, die Kinderzahl etwas höher, wenn ich mir die letzten Statistiken richtig gemerkt habe. Neue kommen nur wenige nach: "In den Pfarrgemeinden sind Trauungen inzwischen zu seltenen Ereignissen geworden." (Katholische Kirche in Deutschland: Statistische Daten 2004)
Die katholische Kirche gibt, wie wir wissen, Positionen nicht auf, nur weil sie damit auf Widerstand, Unverständnis, Spott und Gelächter stößt. Dann hätten Paulus & Cie. gar nicht erst mit ihrer Mission anfangen brauchen. Sie gibt Positionen auch nicht deshalb auf, weil die Mehrzahl ihrer Gläubigen sich nicht drum schert. Dann müsste sie auch einiges andere aus den Zehn Geboten kürzen. ("Meine letzte Lüge war vor x Minuten.")
Ob sie dabei zum "Schauspiel für Engel und Menschen" (Paulus irgendwo) wird, in ihrer typischen und unübersehbaren Mischung von Verderbtheit, Mittelmäßigkeit und glühender Liebe, kümmert sie wenig. Zum Glück. Sonst gibt es ja nicht viel organisierten Widerstand gegen so manchen untergründigen Sog.
24. Juli 2008
Nachrevolutionäres zu Humanae Vitae
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
3 Kommentare:
Die Angst mich lächerlich zu machen, wenn ich die Positionen der „Humanae Vitae“ in der Öffentlichkeit vertrete, habe ich nicht. Eher sind die Reaktionen wütend bis geifernd, hoch selten sind sachliche Diskussionen. Das Thema ist emotional aufgeladen, wohl deshalb, weil es um moralische Werte geht, deren Richtigkeit selbst jene spüren, die sie intellektuell ablehnen. Er gibt übrigens, so meine Erfahrung, weit mehr Unterstützer als man gemeinhin glaubt und nicht alle haben einen christlichen Hintergrund. Es muss sich nur einer aus der Deckung wagen und man staunt, wie viele zustimmend nicken.
Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung seit den 1960er Jahren, der Zersetzung von Ehe und Familie, der umgreifenden, emotionalen Verwahrlosung, der Amoralisierung des Sexualverhaltens, ist "Humae Vitae" so wichtig und aktuell wie nie.
Anf die Frage, warum diese Enzyklika 1968 letztlich nur ein Fels in der Brandung war, der heute selbst von vielen Christen eher belächelt, bekämpft oder ignoriert wird, schließt sich die Frage an, wie "Humanae Vitae" tatsächlich einmal gesellschaftsfähig wird.
Ich hatte mir heute im Laufe des Tages schonmal gedacht, ein T-Shirt mit "humanae vita- SI!" zu machen :)
Kath.net hatte die Tage folgenden Artikel: http://kath.net/detail.php?id=20438
Und ja: als geläuterter Sünder (Verlorenes Schaf, das wieder auf die Weide des Herrn zurückkehrte), weiss ich genau wie ich vor ein paar Jahren gedacht habe. Diskussionen darüber erzeugten bei mir auch eine unsachliche, teils extrem ablehnende Reaktion. Mir will scheinen, dass diese Reaktion hauptsächlich an der Gottesfrage hängt.
Warum aber manche/viele Christen, wenn sie überzeugte Christen sind, die Ethik der Enzyklia nicht mittragen können oder wollen, dass ist mir ein Rätsel stellt es doch eine gedankliche Inkonsequenz dar.
Kommentar veröffentlichen