Gianfranco Ravasi, Erzbischof und Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur lässt sich von der FAZ interviewen.
"Wir haben ein großes Problem mit der Sprache. Welche Sprache sollen wir sprechen? Die Worte erscheinen heute alle abgenutzt und unbrauchbar. Wer aber keine lebendige Sprache hat, kann keinen Dialog führen. Die Kirche ist sehr in sich verschlossen. Sie hat eine gewisse Furcht, sich mit der Welt der Ratio einzulassen. Auch die Sprache der Symbole hat ihre Kraft verloren. Man darf den Künstlern nichts vorschreiben, aber ich sehe doch, dass sie heute vor allem zwei Dinge scheuen, die in der Vergangenheit einmal große Bedeutung hatten. So wird nicht mehr nach dem ästhetisch Schönen gesucht. Im Gegenteil, man will das Unästhetische. Und dann schließen die Künstler, vielleicht aus Furcht, sich festzulegen, die letzten Fragen aus, Fragen nach dem Göttlichen, nach der Transzendenz. Es gibt auch kein Schuldgefühl mehr. Ohne das Gefühl der Schuld wäre das gesamte Werk von Dostojewskij nicht denkbar. Die großen Religionen haben diese Aufgabe. Sie müssen die Menschen an die metaphysischen Dinge erinnern. Die Kunst hat nie aufgehört, sich der großen Themen anzunehmen. Vielleicht ist es doch eher die Kirche, die den Kontakt zur Kreativität verloren hat."
Was mich wundert (oder vielleicht bei jemandem, der es tagtäglich mit Spitzenkunst und Spitzenkünstlern zu tun, nicht wundert), ist, daß der Erzbischof gar nicht auf den Gedanken kommt, daß es auch Christen geben könnte, die Künstler sind. Er spricht, als ob die Welt schön sauber aufgeteilt wäre: hier die Kirche, vor allem die sichtbare, institutionalisierte, und dort die Kunst-, Bauwerks-, Literaturschaffenden. (Und dazwischen die Kluft.)
Daß es große und gute christliche Künstler, Architekten, Schriftsteller geben könnte und müsste - wie wäre das? Und wenn es keine gibt, warum nicht? Gerade der Katholizismus mit seiner "Catholic Imagination" müsste es doch nicht nur Pavillons, Ausschreibungen, Museen bieten, sondern auch Nährboden, Material, Vorbilder...
Das beunruhigt mich noch viel mehr, muß ich sagen.
26. Juli 2008
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