11. April 2007

Im Süden die Zukunft

Eigentlich wollte ich auf den Artikel von Philip Jenkins: Believing in the Global South in First Things (December 2006) hinweisen, da sehe ich, daß ein Vortrag von Jenkins, den er im Mai 2006 auf dem Missionskongress 2006 hielt, verfügbar ist:
"Auch die Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1978 war erheblich auf die geographische Verschiebung zurückzuführen, da die Kardinäle aus der südlichen Hemisphäre strikt gegen einen weiteren Amtsinhaber aus dem westlichen Europa waren und der Kandidat aus Polen zumindest einen entscheidenden Bruch mit der Tradition darstellte. Als Johannes Paul II. 2005 starb, gab es heftige Spekulationen in den Medien, dass sein Nachfolger ein Mann aus dem Süden werden könne – vielleicht Francis Arinze aus Nigeria, der Brasilianer Claudio Hummes oder Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras. Am Ende war der neue Papst natürlich der Deutsche Joseph Ratzinger –und sein einzig ernster Konkurrent während der Wahl war der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio. Nach dem Konklave von 2005 ist es wahrscheinlicher denn je, dass nicht lange nach Benedikts Amtszeit die Kirche von einem Pontifex aus dem Süden geführt werden wird. Tatsächlich wirft die Wahl Ratzingers interessante Fragen über die Stärke des Katholizismus in den verschiedenen Regionen der Welt auf. Obwohl Benedikt eine zutiefst beeindruckende Persönlichkeit ist, verdankt er seine Berufung zu diesem besonderen Zeitpunkt vor allem dem Gefühl, dass die Kirche dringend eine letzte Verteidigung in Westeuropa aufbauen muss, wo das Christentum so deutlich schwächer wird.

Das wachsende Gewicht des Südens hat auch die Sittenlehre innerhalb der katholischen Kirche geprägt. In den vergangenen Jahren hat die katholische Hierarchie wiederholt Positionen bezogen, die konservativ und reaktionär erscheinen, zum Leidwesen der meisten westlichen Kommentatoren. Für viele stehen sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. für eine so unbeugsame Haltung in Bezug auf Geschlechtergleichheit, Moral und Sexualität, dass einige Katholiken eine unvermeidliche Kluft zwischen den Kirchen des liberalen Westens und dem unverbesserlich reaktionären Papsttum sehen. Die Priesterweihe von Frauen ist ein wesentlicher Punkt, in dem die Meinungen auseinander gehen, ebenso wie in Fragen der Empfängnisverhütung und Homosexualität. Liberale und feministische Interessenverbände sind davon überzeugt, dass sich ihre Ansichten zu all diesen Fragen mit der Zeit durchsetzen werden, sobald die Gerontokratie im Vatikan der Geschichte angehören wird. Dieses Vertrauen in die Geschichte zeigt eine liberale amerikanische Interessengruppe, die für sich selbst den Titel Kirche der Zukunft beansprucht.

Global gesehen stellt sich katholisches Verhalten ganz anders dar, und ein Teil der Kirche kann glaubhaft für sich in Anspruch nehmen, künftig repräsentativ dafür zu sein. Die Hierarchie weiß, dass die den amerikanischen oder westeuropäischen Katholiken so wichtigen liberalen Themen für viele traditionell eingestellte Gesellschaften im Süden belanglos oder übel sind. John Allen schreibt: „Da der römische Katholizismus künftig mit einem afrikanischen oder hispanischen Akzent sprechen wird, wird er auch in Zungen reden.” Und andere theologische Sichtweisen können sich auch auf die Moral auswirken. Während die Ordination von Frauen für die Menschen aus dem Westen eine grundlegende Frage der Gerechtigkeit darstellt, ist sie für viele Afrikaner und Asiaten verwerflich, und Homosexualität ist ein noch heikleres Thema. Nun passen Kirchenführer nicht unbedingt in die gewohnten amerikanischen Schablonen von konservativ oder liberal, so dass ein lateinamerikanischer Kardinal in sozialen Fragen extrem progressiv, in Fragen der Theologie und Sexualität aber eher traditionell sein kann. In letzteren tendieren die jungen Katholischen Kirchen zu einer streng konservativen Haltung."
Jenkins' Standardwerk "Die Zukunft des Christentums" ist übrigens im Oktober 2006 im Brunnen-Verlag auf deutsch erschienen.

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