Der französische Philosoph Bernard-Henri Levy war auf den Spuren von Alexis de Tocqueville unterwegs und äußert sich jetzt in einem Interview zu seinem Besuch in den U.S. of A.:
"In diesen großen baptistischen Kirchen entsteht meiner Meinung nach gerade etwas Neues, eine neue Religion. Dort predigt man von einem nahen, alltäglichen Gott, der reine Präsenz und Sympathie ist, ein Nachbarschaftsgott. Das scheint mir doch ein unausgesprochener Bruch mit der jüdisch-christlichen Tradition, ja sogar mit den traditionellen protestantischen Kirchen, die ja immer noch einen Begriff von Transzendenz, Distanz, von Geheimnis und Offenbarung hatten. Es ist nicht ganz klar, wohin das führt. Das ist eine echte Frage, und sie ist stellvertretend für das, was im ganzen Land vor sich geht."So weit hätte BHL gar nicht reisen brauchen, um einem "unausgesprochenen Bruch mit der jüdisch-christlichen Tradition" zu begegnen. Ginge ein "atheistischer französischer jüdischer Intellektueller" öfter mal in den deutschen Sonntagsgottesdienst, dann hätte er schon lange einen ähnlichen Paradigmenwechsel wahrnehmen können - allerdings ohne die begleitende Serviceorientierung amerikanischer Freikirchen ("Kein Starbucks in der Kirche!")
Habe ich schon erwähnt, daß wir laut der Präfation des vergangenen Sonntags - eine von den neuen, mundgerechten - das "Heilig" nicht mehr mit allen Chören der Engel, sondern nur noch "mit der ganzen Kirche" anstimmten? "Distanz, Geheimnis, Offenbarung" verflüchtigen sich leise, ganz leise als Attribute GOttes - und zurück bleibt "reine Präsenz und Sympathie", ein leiser, unaufdringlicher, netter Banknachbar, ein Kinderfreund, inkarniertes Sozialkapital.
2 Kommentare:
Präfation - der offiziellen oder einer mundgerecht zugerichteten?
Wahrscheinlich eine der neuen für den deutschen Sprachraum, die evtl. weiter entschärft wurde... Aber der Priester stutzte nicht an der Stelle, so daß die Engel vielleicht auch in der Vorlage fehlen.
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