24. September 2006

Totschweigen

Sean "Blogging Cardinal" O'Malley im Bericht über seine Romfahrt:
"While exiting the flight from Boston in Frankfurt the head flight attendant shook my hand and said to me, 'Please give our very best to our German Pope.' She smiled and reminded once again how proud the Germans are of their native Son, Pope Benedict XVI."
The Germans - die Deutschen. Nicht: alle Deutschen. Nicht einmal: alle katholischen Deutschen.

Da, wo ich herkomme, herrscht über den Papst - über den jetzigen wie über den vorigen - Schweigen. Totschweigen. Nicht etwa weil progressive Kräfte wühlen und wüten, sondern weil sich seit mehr als dreißig Jahren vom Pfarrhaus her eine Totenstille, eine Friedhofsruhe über die Pfarrei gebreitet hat, die die Freude am uralt-ewig-jungen Glauben genau so erstickt wie die Solidarität mit denen in Not und Bedrängnis. Die Laien dürfen machen, was sie wollen - aber gleichsam im luftleeren Raum. "Ich will damit nichts zu tun haben" - das könnte der Primizspruch gewesen sein, und tatsächlich hat sich der Priester daran gehalten.

Das Talent vergraben wie der dritte Knecht bei Matthäus (25, 18), nichts verkehrt gemacht, nie in die Schußlinie geraten, bei allen beliebt, scheu und zurückhaltend. Kein Risiko eingegangen. Die Regeln befolgt. Geschwiegen zu allem. Bei starkem Wind schüchtern das Fähnchen hochgezogen und mitgeflattert.

Jetzt kommt da ein Papst - kaum akzeptiert von den Lautstärkeren unter den lokalen Laien - und weckt alte Sehnsüchte. Nicht die ultramontanen, sondern die mystischen, die nach dem Leib Christi und der Teilnahme an Seinem Leben. Alles, was auf Sparflamme gefahren wurde: die gläubige Vernunft, das heiße Gebet, die würdige Liturgie, die Freundschaft mit IHm, die Anbetung, das Ergriffensein - das soll jetzt wieder praktiziert, gelebt werden?

Gott bewahre.

Zum Glück nur noch drei Jahre. Höchstens.

6 Kommentare:

Diego hat gesagt…

kommt mir sehr bekannt vor, was du da beschreibst; obwohl ich auch positive alternativen da und dort- inseln gleich- oder besser oasen-
aufzählenlönnte;aber alles in allem scheint die allgemeine resignation besonders in der mitteleurop. kirche zur vorherrschenden stimmung geworden zu sein.......
einzige therapie. resistite fortes fide! und die- wie nannte es p. kentenich?- die kontinuierliche "geisteserneuerung"

Scipio hat gesagt…

Danke, Georg! Ja, es gibt Inseln, und ich freue mich über jede von ihnen.
Ab und zu ist die heimische Realität einfach schwer zu ertragen und führt zu Posts wie diesem. Ich bzw. wir sind in dieser Pfarrei groß geworden, sind eigentlich immer aktiv dabei gewesen, über diese dreißig Jahre hinweg, haben versucht, Inseln aufzuschütten und mit unseren schwachen Mitteln Oasen anzulegen. Und dann erlebst Du, wie vieles einfach ausgehungert wird - solange bis die hungrigen Laien aufgeben, verkümmern oder gehen.

Selber habe ich meine Konsequenzen gezogen (z.B. blogge ich eben statt mich weiter im PGR aufzureiben), aber dann sehe ich, wie es meiner Frau, meinen Freunden - oder den Kindern geht, für die Kirche vor allem als leere, zugeschlossene, sauber geleckte erlebbar wird...

Feststehen im Glauben, vielleicht sogar wachsen - und "Geistpflege" betreiben, und das ist nach P. Kentenich keine Seelenkosmetik, sondern ein sich-immer-neu-Einwurzeln im Bund GOttes mit mir und Uns.

Anonym hat gesagt…

(Das ist kompliziert hier mit den Kommentaren, also ich erscheine jetzt anonym, aber ich bin Elsa von Elsas Nacht(b)revier, sorry, ich blicke das Prinzip hier noch nicht so ganz :) )

Das tut mir leid, scipio, dass du das so erfährst. Ich habe das Gefühl, dass Benedetto sehr viel bewegt, nicht nur wegen der aktuellen Rede. Ich lebe ja - außer im Sommer - in Italien und haue da immer die Leute an, wenn ich sehe, da hängt ein Papstbild im Büro oder steht auf dem Schreibtisch und die meisten sind ganz verzaubert von Papa Ratzinger und mögen ihn sehr. Das färbt dann immer auch ein bisschen ab, man ist als Deutsche im Ausland gleich viel besser gelitten (zur anderen Hälfte verdankt man das Schumacher, der für Ferrari gefahren ist :) ), aber natürlich auch Benedetto. Ich bin nicht katholisch, aber ich kann mit Benedetto wahnsinnig viel anfangen, er hat es geschafft, gerade die Intellektuellen anzusprechen, für die die katholische Kirche lange Zeit einfach nur ein rückständiger Verein war.
Jetzt ist das anders geworden, und ich merke auch an mir, wie ich mich neu mit dem Katholizismus auseinandersetze, verstärkt das Positive wahrnehme (vor allem je mehr ich mich ekle, wenn ich den Fernseher andrehe, Werbung, alles), mich stärker für diese Konfession interessiere und trotz aller Punkte, mit denen ich einfach nicht konform gehen kann, sagen kann: Ja, es ist gut, dass es jemand gibt, der soziale Gerechtigkeit anmahnt, der Werte erhalten will, der Vergebung anbietet in einer Zeit, in der man manchmal denkt, dass alle einfach nur noch durchdrehen.
Daneben ist Benedetto für mich ein echter spiritueller Führer geworden mit großer Ausstrahlung und Charisma.l
Ich habe hier ein Buch liegen von Kurt Koch zur Ökumene und bin sehr gespannt darauf. Vor Benedetto war das für mich gar kein Thema - jetzt interessiert es mich. Religiöse CHRISTLICHE Themen interessieren mich überhaupt viel mehr als vorher.
Ich weiß nicht, ob dir das jetzt ein klein wenig hilft, weil es ja eigentlich nichts mit deinem Problem in deiner Pfarrei zu tun hat, aber vielleicht kann es dich ein bisschen aufmuntern?
:)

Diego hat gesagt…

ja elsa, da ist ja zunächst einmal der große Unterschied zwischen dieser müden und traditionell unterkühlten mitteleuropäischen Kirche und der um vieles wärmeren, lebenslustigeren südeuropäischen, wobei die italienische noch einmal ihr ganz eigenes Profil hat....
und das andere Phänomen, das Phänomen Benedikt sozusagen, besteht für mich gerade darin, dass dieser Papst wirklich viel(e) ganz neu in Bewegung versetzt, aber interessanterweise mehr Menschen am und außerhalb des Randes seiner Kirche als in ihr (ausgenommen vielleicht eine Menge junger Leute, die uns "mittelalterliche" oft in Erstaunen versetzt...)
ich für meinen Teil verstehe Scipios Kirchenalltagsfrust sehr gut; besonders wenn man in und an dieser Kirche herangewachsen ist, leidet man an den Defiziten konkret -und die sind oft himmelschreiend -umso mehr. Manchmal bete ich heimlich: lieber Gott schick doch einen Blitz auf dieses müde Kloster, diese verschlafene pfarre...., dass sie endlich munter wird.
Kein sehr frommes Gebet, geb ich zu; aber es ist halt ein Ärgernis zu sehen, dass das tonangebende kirchliche establishment die zweifellos und unleugbar vorhandenen Aufbrüche incl. das Phänomen Bendikt XVI nicht einmal verschläft sondern bewußt ignoriert......

Scipio hat gesagt…

@ Elsa:
Das mit den Kommentaren kommt noch, keine Angst.
Abgesehen von Euren üblichen Gebeten, in denen ich doch hoffentlich unter "Blogozese" eingeschlossen bin, braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Manchmal muß einfach einmal so ein Posting sein. Wie heißt es so schön: "Wenn die Kerzen fehlen, um die Dunkelheit zu vertreiben, hilft das Klagen wenigstens, sich nicht an die Dunkelheit zu gewöhnen."
Ich will nicht zu altklug klingen, aber stell Dir vor, Du liest seit dreißig Jahren Ratzinger - aus Interesse, Neugier, dann mit wachsender Begeisterung, mit Freude, immer noch fasziniert; Du weißt: der Inquisitor setzt keinen auf den Scheiterhaufen, sondern zieht gelegentlich Grenzen; Du weißt, daß es ihm um den Glauben geht, besonders um den der "Kleinen" und der "Unberedten", und daß er vor dem ganzen Horizont der Kirchengeschichte (mit + und -) und der Theologie (mit mehr Augustinus als Thomas) spricht, agiert und betet; Du gehst Deinen Weg aus dem ererbten, anerzogenen Kindertauf-Glauben in die Fülle der Offenbarung Jesu Christi auch mit ihm (und vielen anderen).

Dann wird Ratzinger Papst - als er schon längst in Ruhestand möchte, nach einem ersten Hirnschlag vor einigen Jahren - und dann siehst Du, dass es um Dich, dort, wo Du Deine Wurzeln hast, keinen juckt. Du freust Dich über Leute wie Dich, Elsa, oder über Petra, Martin, Fono etc. oder über die Feuilletonkatholiken. Und schüttelst dann immer wieder mal den Kopf und fragst Dich: Warum nur, warum? Warum sind Deine Mitkatholiken so stumpf, so unempfänglich, so verschlafen - trotz ihres seit Kindesbeinen praktizierten Glaubens? Ich kenne ja die Diagnosetools: katholisches Milieu, postvatikanische Krise, Modernisierung, Zwang zur Häresie... Aber dran gewöhnen werde ich mich nie.

Danke nochmal für Eure Grüße und Kommentare - they mean so much to me.

Anonym hat gesagt…

Elsa:
Ja, die Wahrnehmung ist natürlich verschieden, je nachdem, ob man "innen" oder "außen" steht.
Aber was Georg sagt ist wahr, in Italien ist das alles ein bisschen lässiger, freudvoller, nicht so zergrübelt, wollt ich noch anmerken.
Allora,ich wollte aber eigentlich sagen, wer auf die Buchmesse kommen kann:
Am Freitag, den 6.10. 11.30 bis 12.30 Uhr gibt es eine Veranstaltung vom Vier Türme Verlag mit Reinhold Beckmann und Pater Dr. Anselm Grün:
"Der Glaube der Christen: Seit der Wahl Benedikts beschäftigen sich mehr Menschen mit dem christlichen Glauben".