10. September 2006

Der Papstbesuch als Befreiungserlebnis

Martin hat den Aufsatz von Patrick Bahners in der gestrigen FAZ in seinem Commentarium Catholicum verlinkt: Bahners nimmt dort einige der deutschen Oberkatholiken und ihr Kirchenbild unter die Lupe, wie es sich kürzlich in einem "Zwischenruf" in Sachen Donum Vitae geäußert hat. Bahners' Schluß:
Die Berufslaien sind seltsame Apostel. Sie predigen das Priestertum der Gläubigen, reduzieren aber Kirche auf Amtskirche, wenn ihnen die Lehre nicht behagt - um dann auf eine Mitra anderthalbe zu setzen und für ihre Sondermeinung einen quasiamtlichen Charakter zu reklamieren. Im Fernsehinterview hat Benedikt XVI. das Papsttum als „vereinigende Instanz“ beschrieben, „die auch Unabhängigkeit von den politischen Kräften verschafft und die dafür sorgt, daß sich Christianismen nicht zu sehr mit Nationalitäten identifizieren“.

Die nationalkirchliche Tendenz, mit der in der deutschen Geschichte die Sache des freien Geistes verbunden schien, ist weit heruntergekommen. Frau Schavan und ihre Parteifreunde schreiben: „Wichtig ist, daß diejenigen, die sich an der gesetzlichen Beratungsregelung beteiligen, und diejenigen, die das aus Überzeugung nicht tun, sich gegenseitig respektieren und nicht die Autorität der Kirche als amtlich verfaßter Kirche in Anspruch nehmen.“ Davon hat Luther, hat Febronius, hat Lehmann nicht zu träumen gewagt: daß kein deutscher Katholik mehr an den Papst appellieren soll, weil noch nicht einmal der Papst sich auf den Papst berufen darf.
Wenn diese Diagnose stimmt und ich denke, man könnte sie nicht nur auf der Leitungsebene des organisierten deutschen Katholizismus belegen, sondern auch auf den nächsten Ebenen, den Diözesan-, den Dekanats- und den Pfarrgemeinderäten, dann könnte man den Papstbesuch konsequenterweise als ein Erlebnis der "Papstunmittelbarkeit" und darin der Unmittelbarkeit des einzelnen Katholiken zur universalen Kirche betrachten: Er darf sich als Mitglied dieser Kirche erleben, ohne daß ihm dies durch Gremien, Räte, Synoden, diözesane Prozesse erst gewährt und bestätigt werden muß. Nicht seine Übereinstimmung mit deren Verständnis von "christlicher Sendung in der Kirche und in der Welt" garantiert ihm sein Katholisch-sein, sondern das vorgängige, durch Taufe und Eucharistie geschenkte Dazugehören zur Herde des Herrn, das zwar der Hirten, aber nicht der Böcke und Leithammel bedarf, die dazwischentreten, wenn wir glauben wollen, "was die Kirche glaubt".

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