Ich habe, glaube ich, schon ewig keinen dieser früher so beliebten Fragebögen mehr beantwortet, und außerdem ist es wieder die Zeit der Bücher: Buchmesse, Buchbeilagen, Buchpreise, Buchdebatten... Da kommt der von Lila aufgegriffene Fragebogen gerade recht.
1. Das Buch, das du gerade liest: Charles Taylor "Ein säkulares Zeitalter". Auch wenn ich nur langsam in den 1.200 Seiten vorwärtskomme, finde ich es unglaublich spannend, Taylors Darstellung zu folgen: Wie kam es, daß im Westen aus der Selbstverständlichkeit, mit der einst an GOTT geglaubt wurde, die heutige Beliebigkeit wurde: Religion als Option unter vielen. Eine penible Untersuchung, Historie, Philosophie, Soziologie, Theologie - alles ist dabei.
2. Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst: Da bin ich noch unentschieden und lasse es auf den Augenblick ankommen, auf Lust und Laune und auf meine Reisepläne. Zur Auswahl Andreas Maiers "Sanssouci", Audens "Secondary Worlds" und "Pars vite et reviens tard" von Fred Vargas.
3. Dein Lieblingsbuch: Das gibt es - wie bei Lila - nur in der Mehrzahl. Die gesammelten Gedichte von E. E. Cummings, Les Murrays "Fredy Neptune", "Loch im Kosmos", "Liebe in Ruinen" und "Die Wiederkehr" von Walker Percy, Diverses von H.U. von Balthasar, die Kentenich-Exerzitien "Kindsein vor Gott", "Orthodoxy" von Chesterton, die "Anathemata" von David Jones und noch ein paar mehr.
4. Dein Hassbuch: Am ehesten fällt Roland Breitenbachs "Kleiner Bischof" in diese Kategorie - Stereotypen en masse, dennoch/deswegen vor einigen Jahrzehnten hypererfolgreich im normalen Kirchenvolk. Volksverdummung. - Genervt (aber das hat mit Hass nicht viel zu tun) hat mich Harry Mulischs "Erfindung des Himmels" - das schaffte ich nach S. 100 nicht mehr weiterzulesen, weil es mir zu besserwisserisch daher kam.
5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest: Natürlich die Lieblingsbücher von Frage Nr. 3, dazu die Romane und Erzählungen von Flannery O'Connor, und natürlich P.G. Wodehouse. Bei ihm varieren alle Bücher nur einziges, den Idealen Wodehouse-Roman sozusagen. "Verlorene" und "Die Abendröte im Westen" von Cormac McCarthy.
6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht): Pascal Merciers "Perlmanns Schweigen". Ich war zu froh, als ich endlich damit fertig war. Ein guter Roman, gewiss. Aber endlos.
7. Ein Buch, das dich an jemanden erinnert: Da fällt mir der "Kleine Prinz" ein, den mir eine Schulkameradin in der 9. Klasse auslieh. Franz Doblers Cash-Biographie und Annie Leibowitz' "American Music" hat mir ein sehr guter Freund zu verschiedenen Anlässen geschenkt.
8. Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert: "Der Weg" des hl. Josemaria Escriva an einen Feldweg zwischen Vallendar und Simmern, Balthasars "Bernanos" an den Hof eines Ferienhauses in Blokhus.
9. Das erste Buch, das du je gelesen hast: Keine Ahnung. Das müsste so in der ersten Klasse gewesen sein. Ans Erstklass-Lesebuch kann ich mich noch dunkel erinnern, an eine Waldszene, in der sich bei einem Schulausflug ein Junge in einen Ameisenhaufen setzt.
10. Ein Buch von deinem Lieblingsautoren/diener Lieblingsautorin: Siehe oben, 3. und 5. Dumme Frage.
11. Ein Buch, das du mal geliebt hast, aber jetzt hasst: Hassen? Vielleicht eher: Aus der Erinnerung getilgt. - Da fällt mir aber nichts ein.
12. Ein Buch, das du von Freunden/Bekannten/… empfohlen bekommen hast: "Der Turm" von Uwe Tellkamp, von einer Freundin, empfohlen in einem Restaurant im Frankfurter Westend. Volltreffer.
13. Ein Buch, bei dem du nur lachen kannst: Was soll der Singular? - Neben Wodehouse: "Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten" (John Kennedy Toole) und "Handling Sin" (Michael Malone).
14, Ein Buch aus deiner Kindheit: "Aljoscha und die Bärenmütze" von Barbara Bartos-Höppner, zur Erstkommunion bekommen, "Tom Sawyer" und "Andersens Märchen", beide von meinen Eltern, beide Bücher heißgeliebt, beide immer noch in Griffweite.
15. Das 4. Buch in deinem Regal - v. l.: Zu viele Regale. Eigentlich Massen von Regalen. Ich nehme das mir nächste: Léo Malet, ein Sammelband mit Nestor Burma-Krimis. Urlaubslektüre 2009 in Dänemark.
16. Das 9. Buch in deinem Regal - v.r.: "Neue Schöpfung: Beiträge zu pastoralen Gegenwartsfragen", hg. von Heinrich Maria Köster, Limburg: Lahn, 1948.
17. Augen zu und irgendein Buch aus dem Regal nehmen: Das ist nicht sehr blind, denn die Auswahl des Regals entscheidet schon viel. Aber nun denn. - "Der Idiot". Dostojewski. Fast aufs Geradewohl.
18. Das Buch, mit dem schönsten Cover, das du besitzt: Unter dem Gesichtspunkt habe ich meine Bücher noch nie betrachtet.
19. Ein Buch, das du schon immer lesen wolltest: "Ulysses" von James Joyce. "Wallenstein" von Golo Mann.
20. Das beste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast: Meine prägenden Leseerlebnisse hatte ich eigentlich alle außerhalb der Schullektüre. Nicht daß das nur an der Auswahl gelegen hat.
21. Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast: "Frau Jenny Treibel" fand ich - gemeinsam mit der ganzen Klasse - unsäglich langweilig. So beeindruckend fern jeglicher eigener Erfahrung. Das sagt natürlich mehr über mich als über Fontanes Buch.
22. Das Buch in deinem Regal, das die meisten Seiten hat: Das könnte "The International Bible Commentary" sein. 1918 Seiten sind nummeriert, und dazu kommt noch eine Reihe von leeren Seiten und die sechzehn Karten.
23. Das Buch in deinem Regal, das die wenigsten Seiten hat: Wie wäre es mit Dostojewskis "Der Bauer Marej" als Sonderdruck zum 85. Geburtstag von Svetlana Geier? Eine Broschüre freilich, kein Buch. 16 Seiten.
24. Ein Buch, von dem niemand gedacht hätte, dass du es liest/gelesen hast: Ich erinnere mich zwar an gelegentliche überraschte Ausrufe, aber nicht mehr an die Bücher dazu.
25. Ein Buch, bei dem die Hauptperson dich ziemlich gut beschreibt: Bei Walker Percy habe ich mich ein paar Mal gut getroffen gefühlt. Sagen wir mal: durch Dr. Tom More in "Liebe in Ruinen".
26. Ein Buch, aus dem du deinen Kindern vorlesen würdest: Aus dem Vorlesealter sind sie draußen. Ich freue mich, daß sie ab und zu an meinen Bücherschrank gehen und dort zwar nicht den Ratzinger, aber doch den McCarthy, den Dickens oder den Dostojewski mitnehmen und lesen.
27. Ein Buch, dessen Hauptperson dein „Ideal“ ist: Am ehesten käme eine Melange aus Doblers Johnny Cash, dem dichtenden Ich von E. E. Cummings und der Autobiographie der hl. Therese von Lisieux in Frage. Mit einem Schuß Ignaz (vgl. Frage Nr. 13)
28. Zum Glück wurde dieses Buch verfilmt! - Bei Filmen bin ich ganz schlecht. Gefallen haben mir "Bladerunner" und "Wise Blood".
29. Warum zur Hölle wurde dieses Buch nicht verfilmt! ---
30. Warum zur Hölle wurde dieses Buch noch nicht verfilmt? - Walker Percy wartet immer noch, trotz verschiedener Anläufe und Rechtevergaben. "Das fliegende Wirtshaus" und "Handling Sin" gäben ebenfalls hervorragende Komödien und Road Movies ab.
31. Das Buch, das du am häufigsten verschenkt hast: "Liebe in Ruinen" habe ich einige Male verschenkt, ansonsten waren es wohl eher Einzelexemplare...
2. Oktober 2010
Let's Talk About Books
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3 Kommentare:
Zufälle gibt es: es ist nur zwei, drei Tage her, dass ich gedacht habe, wo habe ich nur dieses Buch verlegt, welches mich mit seinem dicken Helden, der den Philosophen Boethius verehrte, vor mehr als 25 Jahren so sehr zum Lachen gebracht hat. Da ich auch Titel und Name des Autors nicht mehr präsent hatte, habe ich sogar 'Boethius' bei google und amazon in die Suchmaschine eingegeben, ohne Erfolg. Wie gesagt, vor zwei, drei Tagen. Und nun finde ich alle Angaben unter Punkt 13 in diesem Artikel: Ignaz oder die Verschwörung der Idioten.
Nun suche ich nochmals gründlich, und wenn ich es nicht finden sollte, kaufe ich mir dieses anno dazumal von einem Buchhändler geschenkte Buch. Es lohnt sich! - Merci.
Tolles Posting! Überlege glatt, ob ich mir den Fragebogen in einer Stunde der Muße nicht auch mal vorlege. Doch da fällt mir ein, dass ich die kaum habe. Frei nach Doderer: Der Schreiber liest nicht, weil er schreibt und er schreibt nicht, weil er liest.
Ha, den Taylor habe ich vor kurzem erst ausgepackt - allerdings habei ich ihn in Englisch bestellt. Jetzt schaut er mich vom Buchregal an und sagt "read me, read me".
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